Urteil im Prozess Apple vs. Epic:Angriff noch mal abgewehrt

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Fortnite und Apple - das wird wohl keine Freundschaft mehr. (Foto: Chris Delmas/afp)

Der Spielehersteller Epic Games wollte Apples App Store aufbrechen lassen, die Richterin öffnet aber nur eine Hintertür. Apple kann erst mal durchatmen, doch die nächsten Entscheidungen stehen schon an.

Von Max Muth

Apple muss seine App-Store-Regeln ändern. Ein Gericht in Kalifornien ordnete in einer Entscheidung am Freitag an, dass der Konzern Entwicklern erlauben muss, ihren iOS-App-Nutzern Alternativen zu Apples Bezahlmechanismus im App-Store zu bieten. 90 Tage hat Apple Zeit, um seine Regeln entsprechend zu ändern, schreibt das Gericht. Ob die neuen Regeln dann nur für die USA oder gleich weltweit angepasst werden, will Apple in den kommenden Wochen entscheiden. Für Apples Geschäftsmodell ist das Urteil in jedem Fall ein Rückschlag, im App Store nimmt der Konzern zwischen 15 und 30 Prozent Provision von Entwicklern. Zahlen Nutzer dagegen auf den Webseiten der App-Anbieter selbst, können Apps günstiger angeboten werden und Entwickler mehr verdienen.

In Cupertino dürfte am Freitag dennoch ein Seufzer der Erleichterung vernommen worden sein. Denn der Kläger, der Spielehersteller Epic Games, wollte noch viel mehr als das. Epic ist vor allem bekannt für den Welterfolg "Fortnite", das Hunderte Millionen Spieler regelmäßig spielen. Das Unternehmen hatte Apple vorgeworfen, seine Monopolstellung auszunutzen, um Entwicklern 30 Prozent Provision abzuknöpfen.

Apple sieht sich als Gewinner

Wäre das Gericht den Forderungen Epics in Gänze gefolgt, hätte das für den App Store eine echte Revolution bedeutet: Entwicklern sollte nach Epics Willen erlaubt werden, Programme am App Store vorbei auf iPhones zu bringen. Apple sollte zudem gezwungen werden, seine Provisionen zu senken, sogar eigene App Stores der Entwickler sollten über Apples Store verteilt werden dürfen. Das alles bleibt dem Technologiekonzern erspart. Es könne deshalb einem Sprecher zufolge keinen Zweifel geben: Die Anordnung des Gerichts, die Regeln für Entwickler zu ändern, sei nicht mehr als eine Randnotiz: "Wir haben gewonnen." In einem Statement und in einer Fragerunde mit Journalisten wird Apple diesen Punkt so oft wiederholen, dass man beginnt, sich die Frage zu stellen, ob der Sieg vielleicht doch nicht so eindeutig war.

Klar ist, dass der Kläger Epic nicht mit dem Urteil zufrieden ist, die Firma hat bereits Berufung eingelegt. Das ist aus Sicht des Spieleherstellers nachvollziehbar, die Richterin urteilte nämlich auch, dass Epic Apple Millionen Dollar an entgangenen Einnahmen zahlen muss, weil es vorsätzlich Apples Regeln verletzt hatte, um den Streit vor Gericht vom Zaun zu brechen. In einer sorgfältig vorbereiteten Aktion hatte Epic im vergangenen Jahr heimlich ein eigenes In-App-Bezahlsystem in die Fortnite-App geschmuggelt und es aktiviert. Apple hatte daraufhin Epic aus dem App Store geworfen, woraufhin Epic klagte und Apple zurückklagte.

Epic-Chef in zweifelhafter Robin-Hood-Pose

Epic-Chef Tim Sweeney schrieb auf Twitter, er wolle weiterkämpfen, bis Apple einen fairen Wettbewerb für In-App-Bezahlsysteme anbiete. Sein Unternehmen kämpfe für eine Milliarde Konsumenten. Die Rhetorik erinnert an die Werbekampagne, die im August 2020 das Vorspiel des Prozesses eingeleitet hatte. Epic hatte sich unter anderem in einem Videoclip als kleiner David dargestellt, der den ausbeuterischen Goliath Apple im Namen der Konsumenten und Entwickler in die Knie zwingen wollte. Die zuständige Richterin Gonzalez Rogers ließ immer wieder durchblicken, dass sie an der Robin-Hood-Pose des Epic-Chefs ihre Zweifel hatte. So musste Sweeney zugeben, dass er zwar in E-Mails an Apple-Chef Tim Cook den Wunsch geäußert habe, dass allen Entwicklern die 30 Prozent Provision erlassen würde, er sich aber auch damit zufriedengegeben hätte, wenn Apple nur seinem Unternehmen die Gebühr erspart hätte.

Epic ist zudem weit davon entfernt, ein David zu sein. Mit Fortnite allein verdient der Spielehersteller Hunderte Millionen Dollar. Nur ein Bruchteil davon wird in Apples Store erwirtschaftet. In den Stores von Microsofts X-Box und Sonys Playstation zahlt Epic die 30 Prozent Provision im Übrigen bislang klaglos. Das Unternehmen betreibt zudem einen eigenen, bislang defizitären App Store für Games für PCs und Laptops, in dem andere Entwickler ebenfalls - wenn auch deutlich weniger - Provision zahlen (derzeit zwölf Prozent).

Auch abgesehen vom handfesten Ergebnis lieferte der Prozess einige aufschlussreiche Erkenntnisse, die Gesetzgeber und Anwälte auf der ganzen Welt gespannt verfolgt haben dürften. Denn nicht nur in den USA steht Apple in der Kritik. So will die EU-Kommission den Konzern per Gesetz zwingen, alternative App-Stores auf iPhones zu erlauben, EU-Wettbewerbshüter prüfen derzeit, ob Apples App-Store-Regeln und die hohen Provisionen rechtens sind.

Für die Wettbewerbshüter dürfte etwa dieses Detail aufschlussreich sein: Der US-Richterin zufolge ist der für iOS relevante Markt nicht der von Apps generell, sondern der Mobile-Gaming-Markt. 70 Prozent des Gesamtumsatzes im App Store kommen von nur zehn Prozent der Nutzer: Käufern von Gaming-Apps. Der App Store sei deshalb primär als digitaler Spielwarenladen zu sehen, so Gonzalez Rogers. Und was diesen Markt angeht, habe Epic schlicht versäumt, Apples marktschädliches Verhalten nachzuweisen. Zwar habe Apple hier 55 Prozent Marktanteil und hohe Profitmargen, aber, und diesen Satz der Richterin wird der Technologiekonzern vermutlich exzessiv zitieren: "Erfolg ist nicht strafbar."

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