Virtual Reality:Warum Apple eine VR-Brille baut

Virtual Reality: Hallo, hier ist das Metaversum, sichtbar nur mit passender VR-Brille.

Hallo, hier ist das Metaversum, sichtbar nur mit passender VR-Brille.

(Foto: Metaverse)

In virtuelle Welten und Spiele eintauchen - das Metaversum soll das möglich machen. Auch Apple will dabei mitmischen und arbeitet an einer eigenen Brille. Was soll das bringen?

Von Helmut Martin-Jung

Die Welt ist schon lange nicht mehr genug, es soll auch eine virtuelle geben. Ach, was heißt hier eine, in unendlich viele Welten will die Elektronik-Industrie die Menschheit locken. Um sich darin zu verlieren, um zu spielen, aber auch, um sich zu Besprechungen zu treffen und Geschäfte zu machen. Das Ganze als Ersatz sozusagen fürs Beamen, solange bis das vielleicht irgendwann mal funktioniert. Die nötigen VR-Brillen für dieses sogenannte Metaversum gibt es schon länger, ein Milliardenmarkt wartet darauf, erschlossen zu werden. Und wenn es eines Beweises dafür bedurft hätte, dass dieser Markt bald loslegen könnte, hier ist er: Apple steht kurz davor, mit einem eigenen Produkt in diesen Markt einzusteigen.

Warum das ein Beweis ist? Nun, Apple ist selten als wirklicher Innovator in dem Sinne aufgetreten, dass sie eine neue Kategorie von Geräten als allererster eingeführt hätten. Apples Strategie ist schlauer. Sie lassen die anderen den Markt testen, Fehler machen und greifen dann ein, wenn sich ein möglicher Erfolg abzeichnet, aber noch kein Produkt auf dem Markt ist, das wirklich viele Menschen anspricht. Das gelingt dann Apple mit oftmals durchdachten Konzepten.

Beispiele dafür gibt es genug, das beste ist natürlich das "Jesus Phone", wie manche es nannten. Das iPhone, der Erlöser unter den Smartphones, räumte vor 15 Jahren mit vielen Unzulänglichkeiten der Mitbewerber auf, und mit Nokia, dem damaligen Dominator, gleich ganz. Auch der Musikspieler iPod kam einige Jahre davor nicht als erster MP3-Player, aber er war mit seinem nutzerfreundlichen Bedienkonzept anderen überlegen und deshalb erfolgreich.

Die Apple-Führungsspitze hat die Brille schon ausprobiert

Und nun also die Brille. Vor Kurzem, berichtet die Nachrichtenagentur Bloomberg, sei sie der obersten Apple-Führung, dem Board of Directors, vorgestellt worden. Das war bisher immer ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Marktreife in Sichtweite ist. Einige Experten hielten es für wahrscheinlich, dass die Brille bei Apples Entwickler-Konferenz WWDC vorgestellt wird, die am Abend des Pfingstmontags deutscher Zeit eröffnet wird. Doch das Projekt verzögert sich wohl. Immerhin geht es um die erste neue Produktkategorie bei Apple seit 2015, als der Konzern aus Cupertino, Kalifornien, seine Computeruhr vorstellte, die Apple Watch. Da will man nichts überstürzen.

Vor allem zwei Fragen müssen noch geklärt werden: Was wird Apples Brille in technischer Hinsicht von den Konkurrenzprodukten unterscheiden, außer natürlich dem Preis, der ein gutes Stück höher ausfallen dürfte? Und was wird mit der Brille eigentlich zu sehen sein? Gerade über die zweite Frage hört man viel weniger als über die Technik. Dabei ist sie von großer Bedeutung, denn es gab schon eine Reihe von Technologien, die zwar vielversprechend wirkten, aber letztendlich auf der Suche nach sinnvollen Anwendungsmöglichkeiten steckenblieben oder sogar ganz verschwanden. Vom 3-D-Fernsehen etwa redet heute kaum noch jemand, einer der Gründe für den Misserfolg waren fehlende Inhalte.

Apples Historie deutet allerdings darauf hin, dass man da vorbaut. Schließlich war es der damalige Apple-Chef Steve Jobs, der die Granden des Musikbusiness' Anfang der 2000er-Jahre dazu brachte, Lieder für 99 Cent das Stück zu verkaufen. Erst das schuf legales Futter für die iPods. Dass Apple vor allem versuchen wird, die neue Hardware mit bestehenden und möglichen neuen Dienstleistungen zu verknüpfen, das glaubt auch Anshul Gupta, Experte für mobile Geräte bei der Beratungsfirma Gartner. Vor allem werde Apple versuchen, die bereits vorhandene starke Basis von Nutzern des Mobilbetriebssystems iOS zu nutzen, so Gupta.

Das Apple-Universum

Das deckt sich mit Apples Strategie der vergangenen Jahre, die vor allem darauf abzielt, ein mehr oder weniger geschlossenes System aus Hardware und Dienstleistungen zu errichten. Mit der Brille, denkt Gupta, wende sich Apple allerdings zunächst eher an professionelle Kundschaft. Viel ist von den inhaltlichen Plänen aber noch nicht herausgedrungen aus der notorisch hermetisch geschlossenen Apple-Welt.

Etwas besser ist die Lage bei der Frage nach der Optik. Auch wie das Gerät aussehen wird und wie es sich nutzen lässt, entscheidet schließlich über Erfolg oder Misserfolg. Die Brille wird nach allem, was bisher bekannt ist, eine sogenannte Video-AR-Brille sein. Das heißt, sie mischt zwar virtuelle Objekte in die reale Welt hinein. Man nennt das in der Fachsprache Augmented Reality, erweiterte Realität. Man blickt allerdings nicht - wie etwa beim Konkurrenzprodukt Hololens von Microsoft - durch die Brille hindurch. Das Bild der Umgebung wird vielmehr von Kameras erfasst und auf hochauflösenden Bildschirmen wiedergegeben. Das bedeutet, dass die Brille auch für Virtual-Reality-Anwendungen genutzt werden kann, mit denen sich die Nutzer und Nutzerinnen in beliebig gestaltbare virtuelle Welten versetzen lassen.

An Chiptechnik verbaut Apple den bisher vorliegenden Informationen zufolge seinen leistungsfähigen M1-Prozessor, der auch in Laptops und hochwertigen iPads steckt. Das wird auch nötig sein, denn die Bildschirme sollen mit sehr hoher Auflösung arbeiten. Die Idee, eine funkgesteuerte oder gar kabelgebundene Anbindung an einen potenten Rechner zu schaffen, wurde schon vor Jahren verworfen. Sie war vom langjährigen Chefdesigner Jony Ive favorisiert worden, der Apple aber längst verlassen hat.

Mächtige Konkurrenz

Er war nicht der Einzige. So wie Apple führende Experten von anderen Firmen abwarb, passierte das auch mit leitenden Entwicklern von Apple, es liegt eben vieles nahe beisammen im Silicon Valley. Dort sitzen auch Konkurrenten, die Apple erst einmal schlagen muss. Der momentan wichtigste ist Meta, der Facebook-Mutterkonzern. Dessen Oculus-Quest-2-Brille dominiert zurzeit den Markt, neue Modelle sind natürlich auch hier in Arbeit. Metas "Project Cambria" soll professionelle Anwender und Spieler ansprechen und ist wie Apples Gerät eine Video-AR-Brille. Sie soll, so heißt es von Meta, noch in diesem Jahr auf den Markt kommen, zu einem Preis von deutlich mehr als die etwa 500 Euro, die man für die Quest 2 derzeit hinlegen muss.

Virtual Reality: Epsons Moverio-Brillen wenden sich an professionelle Kunden etwa in der Industrie.

Epsons Moverio-Brillen wenden sich an professionelle Kunden etwa in der Industrie.

(Foto: Epson)

Auch Google ist im Rennen. Vor Jahren ziemlich spektakulär gescheitert mit seiner "Glass" genannten Brille, deren Träger als Glassholes verunglimpft wurden, soll es das neue Produkt besser machen. Bei Google steht die Hardware aber meist nicht im Vordergrund, sie ist eher das Vehikel, all die Dienste zu betreiben, mit denen der Internetkonzern sein Geld verdient. Microsoft ist mit seiner Hololens schon länger auf dem Markt, sie wird vor allem im professionellen Umfeld eingesetzt, ähnliches gilt für Epson mit seinen Moverio-Brillen. Auch viele kleinere Firmen versuchen, ihr Stück vom Kuchen abzubekommen, etwas das französische Start-up Lynx.

Virtual Reality: Die Brille Oculus Quest 2 des Meta-Konzerns dominiert derzeit den Markt.

Die Brille Oculus Quest 2 des Meta-Konzerns dominiert derzeit den Markt.

(Foto: Meta)

Bei Apple steht im Gegensatz zu den meisten Mitbewerbern das Gesamtkonzept eindeutig im Vordergrund, also die Verbindung von Hardware und Dienstleistungen. Schließlich will der Konzern wegkommen von der Abhängig von Produkten wie dem iPhone. Gerade das Smartphone wird aber weiter wichtig bleiben als eine Art Kommandozentrale, über die die Dienste zusammenlaufen und verwaltet werden. Wie wichtig dieses Gesamtkonzept ist, zeigen die jüngsten Verkaufszahlen von Smartphones. Apple ist es im ersten Quartal als einzigem der großen Hersteller gelungen, substanziell zuzulegen. Eine Rolle hat dabei aber auch die Tatsache gespielt, so Experte Gupta, dass es Apple besser als der Konkurrenz gelang, die Lieferketten zu orchestrieren. Zudem stieß der auf High-End-Produkte ausgerichtete Konzern auch in Lücken, die der Rückzug von LG aus dem Smartphone-Geschäft und die Probleme von Huawei hinterließen. Huawei kann wegen der US-Sanktionen nicht auf neueste westliche Technologie zurückgreifen und geriet ins Hintertreffen, auch in China.

Apple ist also in einer recht komfortablen Lage. Das Geschäft brummt, auch ohne eine Brille. Der Konzern kann sich die Zeit nehmen, auf eine günstige Gelegenheit zu warten. Darauf, dass sich die neue Hardware-Kategorie einfügt ins Apple-Universum. Und das ähnelt in einem Punkt dem echten Weltall: Es dehnt sich aus.

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