Anleihenkäufe durch die EZB:Außer Kontrolle

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Die Europäische Zentralbank stellt sich hinter den Euro. Die Märkte erwarten, dass sie bald wieder Staatsanleihen kauft. Doch das ist nicht demokratisch legitimiert.

Nico Fried

Da schau her, der Herr Draghi. Seit zwei Jahren ächzt die deutsche Politik unter der Euro-Krise. Der Bundestag hat ein Griechenland-Rettungspaket beschlossen, ein zweites Griechenland-Rettungspaket, einen Rettungsschirm EFSF, eine Erweiterung des EFSF, einen Fiskalpakt, einen dauerhaften Rettungsschirm, eine Milliardenhilfe für die spanischen Banken. Alles im Schnelldurchlauf, was Zweifel nährt, ob die Abgeordneten wissen, was sie tun. Auch das Verfassungsgericht prüft noch, ob das alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Die parlamentarische Demokratie stößt an ihre Grenzen.

In dieser Situation also tritt der Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, in London auf und sagt, die EZB werde innerhalb ihres Mandats alles Erforderliche tun, um den Euro zu erhalten. Die Märkte feiern das mit Erleichterung, die an steigenden Kursen ablesbar ist. Ein Draghi ex Machina lässt mit wenigen Worten viele Sorgen verpuffen. Und ist seine Beteuerung nicht auch eine tolle Nachricht für die Deutschen und die völlig überlastete deutsche Politik? Mitnichten.

Besondere Situationen bedürfen besonderer Maßnahmen. Die EZB hat bereits Staatsanleihen für mehr als 200 Milliarden Euro gekauft, um die Zinsen für angeschlagene Länder zu senken - und die Politik zu entlasten. Die Rettungsmaßnahmen, die sonst nötig gewesen wären, wären in der Kürze der Zeit kaum zu vollziehen und politisch nicht durchsetzbar gewesen. Indirekt aber trug die EZB damit zur Finanzierung der Haushalte in den Krisenstaaten bei, was ihr eigentlich verboten ist. Es war wie eine stille Übereinkunft zwischen Notenbank und Politik: Ihr handelt in der Grauzone, aber wir gewinnen damit Zeit und sagen deshalb nichts.

Das Parlament wurde nicht gefragt

Die EZB hat den Auftrag, den Wert des Geldes zu bewahren. Und sie ist unabhängig. Das waren auch die elementaren Voraussetzungen dafür, dass die Deutschen einst bereit waren, die D-Mark abzugeben. Das Trauma der Inflation sitzt hierzulande tief. Was aber, wenn Draghi die Grenzen des EZB-Mandats anders interpretiert? Und wo genau liegt die Grenze zwischen unabhängig und außer Kontrolle?

Deutschland haftet für spanische Banken im äußersten Fall mit 30 Milliarden Euro - allerdings mit der demokratischen Legitimation des Bundestages, der sich diese Entscheidung vor einigen Tagen nicht leichtgemacht hat. Für die Staatsanleihen im Depot der EZB haftet Deutschland bereits jetzt entsprechend seiner Anteile mit grob gerechnet 40 Milliarden Euro. Dafür aber hat kein Abgeordneter des Bundestages seine Zustimmung gegeben.

Das Parlament wurde nämlich gar nicht gefragt. So wünschenswert die Eindämmung der Euro-Krise ist - eine Rettung durch die EZB ist nicht nur in den Kosten schwer zu kalkulieren. Sie wäre faktisch auch eine Rettung jenseits der demokratischen Mitspracherechte, um die das Parlament im Namen der Steuerzahler in den vergangenen zwei Jahren gekämpft hat. Der Primat der Politik sollte aber gegen jede Bank verteidigt werden, auch gegen die Zentralbank.

© SZ vom 28.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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