Der Kauf einer Steuer-CD mit Daten von etwa 1000 Kunden des Zürcher Ablegers der Privatbank Coutts durch nordrhein-westfälische Finanzbehörden wird vermutlich politische Konsequenzen haben. Denn nach diesem Geschäft ist es noch unwahrscheinlicher geworden, dass das Steuerabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz wie geplant am 1. Januar 2013 in Kraft treten kann.
Dem im September 2011 unterschriebenen - aber noch nicht ratifizierten - Abkommen könne Nordrhein-Westfalen in der ausgehandelten Form nicht zustimmen, erklärte der Düsseldorfer Finanzminister Norbert Walter-Borjahns (SPD) am Wochenende. "Ohne Zustimmung der rot-grün geführten Länder im Bundesrat kann es nicht in Kraft treten. Da ist es nur folgerichtig, dass wir uns nicht schon jetzt so verhalten, als ob das Abkommen bereits gelten würde."
Verärgerung in der Schweiz
Parallel zum Kauf der Coutts-CD prüfen NRW-Ermittler weitere Angebote von Datenlieferanten. Schweizer Regierungskreise zeigten sich verärgert über den weiteren Kauf einer Steuer-CD. In dem Abkommen verzichten beide Länder auf den Erwerb solcher Datenträger. "Beide Vertragspartner sind an das Abkommen gebunden, solange der Ratifizierungsprozess läuft", sagte der Sprecher des zuständigen Staatssekretariats für internationale Finanzfragen (SIF) der in Zürich erscheinenden Sonntagszeitung. Bundesfinanz-Staatssekretär Steffen Kampeter (CDU) sagte der Zeitung Neue Westfälische: "Zwielichtige CD-Käufe sind kein dauerhaftes rechtsstaatliches Prinzip." Es könne nicht sein, dass NRW das Abkommen im Bundesrat blockiere und sich andererseits "als Robin Hood der Steuerzahler" darstelle.
Aber auch in der Schweiz ist das Abkommen nicht unumstritten. Verschiedene Organisationen haben ein Referendum auf den Weg gebracht. Falls die notwendigen 50 000 Unterschriften zusammenkommen, wird die Schweiz im November über das Steuerabkommen mit Deutschland und über Abkommen mit Großbritannien und Österreich abstimmen.
"Auch für Steuersünder-CDs gibt es einen Markt"
Nordrhein-Westfalen hat seit 2007 fünf CDs erworben mit Angaben über deutsche Steuerhinterzieher, die ihr Geld in Liechtenstein, der Schweiz oder Luxemburg gebunkert hatten. Das Land bezahlte dafür zwischen 2,5 Millionen Euro und 4,6 Millionen Euro. In einem der Fälle bat der Lieferant um eine Spende an eine gemeinnützige Organisation; er wollte kein Geld für sich.
Dem Kauf der neuen CD gingen nach Informationen der SZ zähe Preisverhandlungen voraus. Der Unbekannte soll 3,5 Millionen Euro gefordert, aber am Ende weniger als drei Millionen Euro erhalten haben. "Auch für Steuersünder-CDs gibt es einen Markt", sagt ein mit dem Sachverhalt vertrauter Experte. Zwar gehe es nun um teils große Vermögen im zweistelligen Millionenbereich, aber "jetzt ist möglicherweise die Zeit des Schlussverkaufs gekommen". Falls das Abkommen doch ratifiziert würde, gebe es keinen Markt mehr.
Das Bundesfinanzministerium war nicht in den Kauf eingebunden, wird aber die Hälfte der Kosten tragen. Den Rest teilen sich die Länder. Die betroffene Privatbank Coutts, eine Tochter der vor 320 Jahren gegründeten britischen Royal Bank of Scotland, ist die Hausbank der Queen. Ausgerechnet dieses Geldhaus soll bei der Prävention von Geldwäsche geschludert haben. Im Frühjahr beschuldigte die britische Finanzaufsicht die Bank, sie habe es versäumt, Vorsorge zu treffen, dass ausländische Kunden schmutziges Geld über ihre Konten waschen konnten.
Bislang keine Welle von Selbstanzeigen
Bemerkenswert an dem Kauf ist auch, dass seit Mitte November 2011 verschiedene deutsche Medien immer wieder über den geplanten Erwerb der CD berichtet haben, aber es - anders als in früheren Fällen - keine Welle von Selbstanzeigen gab. Offenbar spekulierten Anleger schwarzer Vermögen, das Abkommen werde in Kraft treten, bevor die Fahnder ihre Ermittlungen einleiten könnten. Die neuen Ermittlungen werden erneut von der Steuerfahndung Wuppertal koordiniert. Die Schweizer Bundesanwaltschaft hatte im Frühjahr gegen zwei der Wuppertaler Fahnder sowie gegen einen Düsseldorfer Ermittler Haftbefehle erlassen. Die Fahnder sollen im Steuerfall der Credit Suisse angeblich "Gehilfenschaft" zum Datendiebstahl geleistet haben. Schweizer Behörden behaupten, die Fahnder hätten Unterlagen nachbestellt. Die Wuppertaler erklärten dagegen in internen Vermerken, sie hätten bei der Beschaffung keine aktive Rolle gespielt. Das Material sei ihnen angeboten worden. Die Anstiftung zum Beschaffen solcher Daten ist auch in Deutschland eine Straftat.
Die Wuppertaler Ermittler haben bundesweit die größte Erfahrung mit diesem Metier. Sie koordinieren derzeit die Überprüfungen im Fall von etwa 1800 Kunden der Credit Suisse, die mit Hilfe von fingierten Lebensversicherungen Schwarzgeld getarnt haben sollen.