Die Allianz Versicherung will Hunderte Mittelständler als Kunden loswerden. Das berichten Versicherungsmakler, die für diese Unternehmen die Deckungen einkaufen. "Wir haben für mehrere Hundert Kunden Erhöhungen, in Einzelfällen bis 400 Prozent", empört sich ein Makler. Dabei geht es um die Sachversicherung. Damit schützen sich Firmen gegen Feuer, Sturmschäden und Betriebsunterbrechungen.
Im Schnitt betrage die Preisforderung etwa 20 Prozent. "Bei Erhöhungen von zehn Prozent bis 30 Prozent erklärt die Allianz auch, dass sie verhandlungsbereit sei", sagt der Makler. "Bei den richtig steilen Erhöhungen ist klar, dass der Versicherer diese Betriebe nicht mehr will."
Beispiel Holzindustrie: Ein Unternehmen, das in den vergangenen Jahren keinen Schaden zu verzeichnen hatte, zahlt bislang rund 15 000 Euro jährlich. Künftig verlangt die Allianz mehr als 40 000 Euro. "Bestimmte Branchen passen der Allianz nicht mehr ins Konzept", ergänzt er. Das treffe auch Kunststoffwerke oder Entsorgungsbetriebe. Sie alle gelten als besonders feuergefährdet. Ob Firmen kürzlich Schäden hatten oder nicht, spielt keine Rolle.
Eine Allianz-Sprecherin bestritt, dass die Allianz sich von Kunden trennen will. "Es geht uns nicht darum, Risiken loszuwerden", erklärte sie. "Aber in den letzten vier Jahren haben deutsche Versicherer im Sachgeschäft mit Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft einen Verlust von über fünf Milliarden Euro gemacht." Das gehe auch an der Allianz nicht vorbei. Allein die Inflation habe die Großschäden stark verteuert. "Darum heben wir derzeit in einigen Segmenten die Preise bei Firmen mit hohem Schadenpotenzial so weit an, dass diese den steigenden Schadenbedarf decken."
Kunden und Makler ärgern sich über das rabiate Vorgehen
Bei den Kunden kommt das nicht gut an. Viele Unternehmen haben unter der Pandemie gelitten und fürchten jetzt die Folgen von Inflation und Lieferkettenproblemen. Der Allianz Versicherung geht es nicht schlecht: Sie erzielte 2021 bei einem Umsatz von 10,4 Milliarden Euro einen Gewinn nach Steuern von 671 Millionen Euro.
Nach SZ-Informationen hat die Gesellschaft etwa 2000 Versicherungsverträge mit Mittelständlern zur Disposition gestellt. Dabei geht es um Betriebe mit einem Umsatz bis zu 500 Millionen Euro. Größere Konzerne versichert die Konzernschwester Allianz Global Corporate & Specialty.
Solche Bestandssanierungen haben auch schon andere Gesellschaften angestoßen. Im Fall Allianz ärgern sich industrielle Kunden und Makler vor allem über das rabiate Vorgehen gegen alle Firmen in einem Segment, das die Allianz für gefährlich hält - unabhängig davon, wie lange der Kunde schon dort versichert ist und ob er viele Schäden verursacht hat.
Rivalen wie Talanx/ HDI, R+V oder Zurich dürften davon in großem Stil profitieren. Das stört die Unternehmensleitung unter Frank Sommerfeld offenbar nicht. Sie will verhindern, dass im nächsten wirtschaftlichen Abschwung hohe Forderungen auf den Versicherer zukommen. Schäden nehmen in Zeiten der Rezession zu, oft deshalb, weil Unternehmen bei der Sicherheit sparen.
Dem Image nutzt die aktuelle Rasenmäheraktion kaum. Die Allianz leidet im Mittelstand ohnehin unter ihrer rigiden Haltung während der Pandemie. Anders als die Rivalen Talanx/HDI und Signal Iduna hat die Allianz Ansprüche von Gastronomen und Hoteliers aus Betriebsschließungspolicen nicht bezahlt, sondern (wie die meisten Versicherer) nur 15 Prozent der Schadensumme angeboten.