Landwirtschaft:Bauern sollten nicht für Spekulanten ackern müssen

Ernte der Feldfrucht Weizen auf einem Feld bei Goslar in Niedersachsen. Getreideernte *** Harvesting the field crop whe

Für Investoren kann sich Bauernland auszahlen. Doch das schadet der Landwirtschaft.

(Foto: imago images/Martin Wagner)

Investoren greifen zunehmend nach Agrarland, wie jetzt Aldi in Ostdeutschland. Sie verdienen damit viel Geld, doch der bäuerlichen Landwirtschaft schadet das immens. Die Politik sollte endlich eingreifen.

Kommentar von Michael Bauchmüller

Einen Aldi gibt es nicht im thüringischen Dröbischau und nicht in Aschara. In Grumbach ebenso wenig. Auch nicht im sachsen-anhaltischen Kayna. Aber das Land rundherum, das gehört neuerdings zum Aldi-Imperium, genauer: zur Lukas-Stiftung des Aldi-Nord-Eigentümers Theo Albrecht junior. Über weitere 6000 Hektar thüringischen Bodens verfügt die Stiftung dort nun; und pikanterweise hat sie die erworben von einem ehemaligen Bauernpräsidenten im Freistaat. Es ist nur der jüngste Fall einer unseligen Entwicklung, die vor gut zehn Jahren ihren Lauf nahm: Investoren greifen nach Bauernland.

Fälle gibt es zuhauf, vor allem in Ostdeutschland. Investmentfonds haben Ackerland gekauft, Versicherer oder die Stiftungen Vermögender.* Für sie alle ist der Boden eine hübsche Bereicherung des Portfolios. Die Renditen sind sicher, denn angesichts einer wachsenden Weltbevölkerung wird die Nachfrage nach Lebensmitteln kaum schrumpfen. Günstige Zinsen reizen zum Grunderwerb. Und zu allem buchstäblichen Überfluss vergoldet die Europäische Union noch jeden Hektar mit ihren Agrarsubventionen. Doch was in fernen Etagen der Finanzwelt für Entzücken sorgt, verändert die Fundamente der Landwirtschaft an sich und letztlich das Gepräge des Landes. Die Bauern spüren die kalte Hand des Kapitalismus.

Das beginnt damit, dass der Run auf Böden deren Preis hat explodieren lassen. Seit 2005 haben sich die Kaufpreise für landwirtschaftliche Flächen verdoppelt, die Pachten stiegen im Schnitt um 50 Prozent. Das liegt nicht nur an den Investoren von außerhalb der Landwirtschaft. Sie haben die Entwicklung aber in den letzten Jahren massiv verschärft.

Zu spüren bekommt das jeder Landwirt, dessen Pachtverträge auslaufen, der neues Land hinzupachten oder kaufen will; und auch jeder, der neu in die Landwirtschaft einsteigen will. Denn die höheren Preise lassen sich nur durch eine ständig intensivere Landwirtschaft erwirtschaften, durch größere, kapitalintensivere Betriebe. Das steht nicht nur dem Ideal einer bäuerlichen, von Eigentümern geführten Landwirtschaft entgegen, wie sie auch vielen Verbrauchern vorschwebt. Es läuft auch quer zu allen Versuchen, die Auswüchse eben dieser intensiven Landwirtschaft durch schärfere Umweltvorgaben einzudämmen, sei es für die Düngung oder die Anwendung von Pflanzenschutz. Wer ständig höhere Erträge erzielen muss, mag auf chemische Hilfsmittel umso weniger verzichten - so richtig dieser Verzicht für Natur und Umwelt auch ist.

Wenn Bauern, wie zuletzt, vermehrt ihrem Unmut Luft machen, dann auch deshalb: Sie sind mittlerweile eingezwängt zwischen den Kapitalinteressen von Verkäufern und Verpächtern einerseits und dem berechtigten Interesse nach einer nachhaltigeren Landwirtschaft andererseits. Wer das satthat, gibt frustriert auf und verkauft - nicht selten an finanzstarke Käufer von außerhalb der Landwirtschaft. So nehmen die Dinge ihren Lauf.

Gesetze werden ausgehebelt, Sanktionen gibt es oft keine

Es ist ein handfester Skandal, dass dies alles begünstigt wird durch Regelungslücken, die seit Jahren bekannt sind. Auch die Aldi-Stiftung hat nicht direkt Boden gekauft - sondern eine Gesellschaft, die Boden besitzt. Durch diese sogenannten share deals werden alle Gesetze, die der öffentlichen Hand zum Schutz der Agrarstruktur Mitsprache geben sollen, ausgehebelt. Selbst die Grunderwerbsteuer, die jeder Landwirt beim Kauf von Ackerland ganz selbstverständlich zu zahlen hat, lässt sich durch eine gar nicht so schwere Gestaltung der Kaufverträge umgehen. Dem Fiskus entgehen so Millionen Euro. Die Koalition wollte dagegen vorgehen, hat aber bis heute nichts zuwege gebracht. Der Ausverkauf geht weiter.

An schöner Prosa mangelt es nicht. Im Landpachtverkehrsgesetz etwa: Danach lassen sich Pachtverträge beanstanden, wenn die Pacht "nicht in einem angemessenen Verhältnis zu dem Ertrag steht, der bei ordnungsmäßiger Bewirtschaftung nachhaltig zu erzielen ist". Doch nur ein Bruchteil der Pachtverträge wird den Behörden überhaupt vorgelegt. Kein Wunder: Sanktionen kennt das Gesetz nicht.

So wächst die Zahl jener, die nicht mehr nur für sich und ihre Familie ackern, sondern für die Rendite anderer - und das alles gedeckt durch geltende Gesetze und deren Lücken. Dass der Bund seit der Föderalismusreform 2006 beim Bodenrecht nur noch den Rahmen setzt, die Länder aber eigene Gesetze machen müssen, hat die Sache nicht einfacher gemacht.

Der Freistaat Thüringen arbeitet derzeit an neuen Vorgaben. Sie sollen dem Vordringen von Finanzinvestoren zumindest in Ansätzen Einhalt gebieten.

Aber Aldi war schneller.

*Anmerkung der Redaktion: In der Ursprungsversion dieses Beitrags hieß es fälschlich, der Brillenkonzern Fielmann habe Ackerland gekauft.

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