30 Jahre Dax:Der Klub der großen Lichter

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So sah die Börse in Frankfurt 1988 aus. In diesem Jahr wurde auch der Dax erstmal notiert. (Foto: dpa)
  • Seit 30 Jahren gibt es den Deutschen Aktienindex. Die 30 Konzerne des Dax sind die Elite der deutschen Konzerne, zusammen sind sie weit mehr als eine Billion Euro wert.
  • Manche Konzerne feierten kurze Gastspiele, andere sind Dauerbesucher.
  • Die vielen Veränderungen in den vergangenen drei Jahrzehnten sagen eine Menge über den Wandel der Wirtschaft aus.

Von Caspar Busse

Unterföhring ist eine kleine, unscheinbare Gemeinde am nördlichen Stadtrand Münchens. Zwei Jahre lang war das Örtchen mit gut 11 000 Einwohnern Heimat eines Dax-Konzerns. Als das Fernsehunternehmen Pro Sieben Sat 1 Media im März 2016 den Aufstieg unter die dreißig größten börsennotierten Unternehmen Deutschlands schaffte, war die Freude groß. An der Fassade der Hauptverwaltung, die früher mal eine Saftfabrik beheimatete, hing ein überdimensionales Transparent: "Wir sind Dax." Und dazu die Namen der rund 2000 Mitarbeiter in der Zentrale. Doch schon zwei Jahre später war der Traum wieder vorbei: Pro Sieben Sat 1, das erste und bislang einzige Medienunternehmen im Dax, musste die erste Liga überraschend schnell wieder verlassen. Es war eines der kürzeren Gastspiele.

Der Dax ist auch dreißig Jahre nach seinem Start das mit Abstand wichtigste Börsenbarometer in Deutschland - und für viele Manager der große Traum. Es ist so etwas wie die leuchtende Elite der deutschen Wirtschaft, der Klub der großen Lichter: die bedeutendsten Börsenfirmen aus der Industrie und der Finanzwelt (auch wenn wichtige nicht aktiennotierte Firmen nicht dabei sind). Zusammen sind die 30 Firmen rund 1,2 Billionen Euro wert.

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Über die Mitgliedschaft entscheiden die Börsenkapitalisierung und das Volumen der gehandelten Aktien. In den vergangenen dreißig Jahren gab es durchaus bemerkenswerte Veränderungen: Unternehmen mit großen Namen sind verschwunden, Finanzfirmen haben eingebüßt, dafür sind Abspaltungen von Konzernen hochgekommen. Und gleichzeitig ist die Kontinuität überraschend: 14 Konzerne sind seit Beginn am 1. Juli 1988 durchgehend vertreten. Die beiden Vorgängerfirmen des Energieunternehmens Eon - Veba und Viag - waren ebenfalls Gründungsmitglieder. Der Autozulieferer Continental ist zweimal nach einem Abstieg zurückgekehrt.

Was sich verändert hat und was nicht - beides sagt viel über den aktuellen Zustand der deutschen Wirtschaft aus.

Noch immer gilt: Der Dax adelt jedes Unternehmen, die Aufnahme ist gut für das Image, auch und gerade für das des Vorstands. Die Konzerne stehen im breiten öffentlichen Interesse, international werden sie stärker beachtet. Dax-Chefs finden leichter Gehör, haben schneller Zugang zur Politik, es gibt regelmäßige Runden. Investoren auf der Suche nach Anlagemöglichkeiten schauen besonders gerne auf diese Unternehmen, Fondsgesellschaften, die den Index nachbilden wollen, müssen die Aktien kaufen. So schwankt der Börsenwert von Dax-Konzernen normalerweise auch weniger stark.

Der Aufsteiger

Das mit Abstand wertvollste Unternehmen ist erst 1972 von fünf Programmierern gegründet worden: Der IT-Konzern SAP ist seit 1995 Dax-Mitglied und bringt es derzeit auf mehr als 120 Milliarden Euro. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Walldorf ist der größte europäische Softwareanbieter und kann es als einer der wenigen mit der übermächtigen, meist amerikanischen Konkurrenz aufnehmen. Groß geworden ist SAP vor allem mit Programmen für Unternehmen. Heute hat das Unternehmen mehr als 90 000 Mitarbeiter weltweit und nahezu 400 000 Kunden. Vorstandschef ist der Amerikaner Bill McDermott, eins seiner wichtigsten Ziele ist die Steigerung des Unternehmenswerts.

Hinter SAP folgen nach Börsenwert Siemens (95 Milliarden Euro) und Bayer (knapp 90 Milliarden Euro), danach Allianz, BASF und Volkswagen - alle sind von Anfang im Dax notiert. Adidas, seit 1998 dabei, liegt auf Platz 13.

Die Newcomer

Die Börse und damit auch der Dax sind erst so richtig in den Blick der großen Öffentlichkeit geraten, als der Bund die Deutsche Telekom privatisieren wollte und diese als Volksaktie für breite Anlegerschichten anpries. Für den Börsengang und auch für die beiden folgenden Kapitalerhöhungen wurde damals mächtig getrommelt. Am 18. November 1996 war es dann so weit, die T-Aktie notierte erstmals an der Börse - der Start war bei 28,50 D-Mark - und ging dann angesichts hoher Nachfrage deutlich nach oben. Die Euphorie war groß, die Telekom-Aktie erreichte ungeahnte Höhen, doch nur wenige Jahre später brach sie ein. Noch immer gehören die Telekom, wie auch das ehemalige Schwesterunternehmen Deutsche Post, die im Jahr 2000 an die Börse ging, zu den großen börsennotierten Konzernen in Deutschland, doch der ganz große Glanz ist weg.

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Genau wie bei Infineon: Siemens brachte im März 2000 seine Halbleitersparte an die Börse. Unvergessen ist, wie der damalige Infineon-Chef Ulrich Schumacher im Porsche bei der Börse vorfuhr und danach in Rennfahrerkluft posierte. Die Anleger griffen auch hier zu, die Aktie stieg deutlich, wurde bald Dax-Mitglied, doch der Höhenflug war bald vorbei. Infineon hatte viele Probleme, es gab hohe Verluste. Inzwischen hat sich das Unternehmen, einer der ganz wenigen europäischen Chiphersteller, stabilisiert. Es konzentriert sich auf Spezialhalbleiter, etwa für die Autoindustrie, für Sicherheitstechnik oder Energieerzeuger, und investiert sogar wieder kräftig. In Villach in Österreich soll eine neue Halbleiterfabrik für 1,6 Milliarden Euro entstehen, die größte IT-Investition in Europa seit Langem.

Das Beispiel von Infineon machte übrigens Schule: Gerade erst hat es auch Covestro in den Dax geschafft. So wie einst Siemens das Chipgeschäft verselbstständigte, hat Bayer seine Kunststoffsparte abgespalten und im Oktober 2015 als Covestro an die Börse gebracht. Hergestellt werden Kunststoffe, die dann in Autoteilen, Brillengläsern oder Computergehäusen stecken, außerdem Schaumstoffe, mit denen zum Beispiel Gebäude gedämmt werden. Schon einmal, nämlich von 2012 bis 2014, war eine andere Bayer-Abspaltung im Dax, Spezialchemie-Hersteller Lanxess.

Die Verlierer

Unternehmen aus dem Finanzbereich waren am Anfang stark im Dax vertreten. Doch die Geldbranche ist einer der großen Verlierer der vergangenen Jahre. Erst an diesem Mittwoch erreichte die Aktie der Deutschen Bank einen neuen Tiefstand. Ohnehin sind im exklusiven 30er-Klub heute neben den beiden großen Versicherern Allianz und Munich Re nur noch Commerzbank und Deutsche Bank vertreten (und die Deutsche Börse). Alle anderen sind verschwunden. Bayerische Vereinsbank und Hypo-Bank fusionierten zur HVB, die nach der Übernahme durch Unicredit 2005 aus dem Dax fiel. Nicht mehr dabei sind die Dresdner Bank (von der Commerzbank gekauft), die Postbank (bei der Deutschen Bank untergekommen) und der Vermögensverwalter MLP (2001 und 2002 im Dax). Die Immobilienbank Hypo Real Estate, eine Abspaltung von der HVB, war von 2005 bis 2007 Dax-Mitglied, bevor sie in der Finanzkrise beinahe den gesamten deutschen Bankensektor in den Abgrund gerissen hat.

Die Verschwundenen

Und dann gibt es da noch eine lange Liste von Dax-Unternehmen mit klangvollen und großen Namen, die ganz verschwunden sind und die vom Strukturwandel der deutschen Wirtschaft berichten. Nixdorf Computer zum Beispiel war vor 30 Jahren Gründungsmitglied, der Computerbauer aus Paderborn war mal die große Hoffnung, wurde dann aber 1990 von Siemens übernommen, die Marke wurde bald eingestampft. Oder der Papierproduzent Feldmühle Nobel, einst eine der größten deutschen Firmen: Gibt es nicht mehr - genau wie die Frankfurter Traditionsfirma Hoechst, im französischen Chemie- und Pharmaunternehmen Aventis (heute Sanofi) aufgegangen, oder Schering, 2006 von Bayer übernommen. Nicht mehr vertreten ist heute im Dax der Handel, Kaufhof, Karstadt und Metro sind alle abgestiegen. So geht es auch dem Maschinenbau und ehemals großen Namen wie Metallgesellschaft, Deutsche Babcock oder MAN - alle nicht mehr im Dax dabei.

Spektakulär war zumindest das Ende von Mannesmann, gegründet 1890, auch ein Gründungsmitglied des Dax. Der Londoner Mobilfunkkonzern Vodafone machte 1999 ein feindliches Übernahmeangebot, setzte sich nach langem Kampf ein Jahr später durch und zahlte 190 Milliarden Euro. Es ist noch immer die teuerste Übernahme.

© SZ vom 28.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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