Aktien:Die Börse ist kein Roulette

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Blick in den Handelssaal der Frankfurter Börse. (Foto: dpa)
  • Viele Deutsche scheuen davor, Geld in Aktien zu investieren, weil ihnen die Börse erscheint wie ein gigantisches Roulette-Spiel.
  • Doch das stimmt nicht: Zwar kann man als Anleger immer Pech haben, aber mit ein paar Grundsätzen lässt sich Geld langfristig maximal gewinnbringend anlegen.

Von Harald Freiberger

Zwischen Geldanlage und Glück besteht ein sonderbarer Zusammenhang. "Gerade in Deutschland glauben viele Leute, die Börse sei eine Zockerbude, in der es vor allem auf Glück ankommt", sagt Martin Weber, Professor für Verhaltensökonomie an der Universität Mannheim. Ähnlich wie beim Roulette: Wer eine Aktie kauft, setzt auf Rot oder Schwarz und hofft darauf, dass die richtige Farbe kommt. Gewinnchance: 50 Prozent. Entsprechend niedrig ist die Quote der Bundesbürger, die auf Aktien setzen. In Staaten wie den USA oder Schweden liegt sie dreimal so hoch. Viele Deutsche wollen nicht mitmachen beim vermeintlichen Börsen-Roulette.

Experten wie Martin Weber verwenden viel Mühe darauf, sie vom Gegenteil zu überzeugen: Dass die Börse keine Glückssache ist, dass der Erfolg erwartbar ist, wenn man einige Grundsätze beachtet. "Im Grunde ist die Börse nichts anderes als ein Mechanismus, um Unternehmenskapital zu bewerten", sagt Weber. In einen Aktienkurs fließen die Meinungen aller Käufer und Verkäufer ein, auch jene von professionellen Investoren, die sich intensiv mit dem Unternehmen auseinandersetzen. Das ist für Weber "ein unglaublich starker Mechanismus" und ein großer Vorteil gegenüber vielen anderen Preisen: "Wenn ich auf einem Markt einen Teppich oder auf einer Auktion ein Gemälde kaufe, ist die Gefahr viel größer, dass ich über den Tisch gezogen werde."

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Auch über die Natur der Aktie besteht viel Unkenntnis. Sie ist ein Sachwert, vom Prinzip her nichts anderes als eine Immobilie. "Im übertragenen Sinne erwerbe ich mit einer Aktie den Schornstein einer Fabrik", sagt Weber. Die Aktie kann steigen oder fallen, das Unternehmen in eine Krise kommen, doch der Anteil daran bleibt immer bestehen. Das ist auch ein Schutz vor Inflation. Auf Sicht von 20 Jahren verliert Bargeld wegen der steigenden Preise bei der aktuellen Inflationsrate etwa ein Viertel seines Wertes. In eine Aktie als Sachwert fließt die Inflation aber mit ein. Der Kamin der Fabrik ist, übertragen gesprochen, in 20 Jahren nicht mehr nur 100 Euro wert, sondern 125 Euro.

Natürlich kann ein Anleger trotzdem viel Pech haben. "Niemand weiß, ob ein Unternehmen in fünf Jahren seine Ziele erreicht, es kann sogar sein, dass es untergeht und die Aktie nichts mehr wert ist", sagt der Finanzmathematiker Andreas Beck vom Münchner Institut für Vermögensaufbau. Jeder Anleger müsse sich dieses Risikos bewusst sein. Aber es gibt einen Weg, es zu verringern: Indem ein Anleger in viele verschiedene Aktien investiert, verteilt auf viele Branchen in vielen Ländern. So wie es zum Beispiel über den Index MSCI All Countries World möglich ist, der rund 2500 Aktien aus Industrie- und Schwellenländern zusammenfasst. Über ETF lassen sich auch kleinere Beträge anlegen.

"Damit investiert man in alle wichtigen Unternehmen auf der Welt", sagt Beck. Ein einzelnes Unternehmen könne Pleite gehen, selbst ganze Branchen könnten verschwinden, nicht aber die gesamte Weltwirtschaft. Es sei selbstverständlich, dass die Unternehmen in der Summe Gewinne erwirtschaften, das sei ihr oberstes Prinzip. Wenn sie das nicht mehr tun, verschwinden sie. Über Jahrhunderte ist die Weltwirtschaft deshalb immer gewachsen - und die Aktien mit ihr. Der Dax gewann in den vergangenen Jahrzehnten durchschnittlich jedes Jahr sieben Prozent, die US-Börse, die sich um mehr als ein Jahrhundert zurückrechnen lässt, legte in ähnlicher Dimension zu. "Es ist eigentlich keine Frage des Glücks mehr, wenn man in die Weltwirtschaft investiert", sagt Beck.

Nach Krisen erholte sich die Weltwirtschaft auch immer wieder

Ein Faktor muss jedoch noch hinzukommen: die Zeit. Auf Sicht von bis zu fünf Jahren kann es passieren, dass die Börse stark verliert. Allein in den vergangenen 20 Jahren war das zweimal der Fall. Und auch 2018 schlossen die großen Aktienmärkte im Minus ab. Doch nach Krisen erholte sich die Weltwirtschaft auch immer wieder. Wer in Aktien investiert, sollte deshalb das Geld mindestens zehn Jahre lang nicht brauchen. "Gerade für die Altersvorsorge, wenn man 30 oder 40 Jahre lang Zeit hat, sind Aktien ideal", sagt Weber. Allerdings sollte man auch nicht ausschließlich auf sie setzen, sondern auch auf andere Anlagen wie Anleihen oder Immobilien.

Mit einer Formel lässt sich das Glück bei der Geldanlage auf die eigene Seite ziehen: Aktien mal Streuung mal Zeit. Für den Erfolg braucht es zudem noch Kapital - das haben Börse und Roulette dann doch gemeinsam.

© SZ vom 02.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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