Luftfahrt:Airbus will Produktion in drei Jahren verdoppeln

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Airbus will künftig doppelt so viele A350-Maschinen produzieren. (Foto: Wolfgang Kumm/dpa)

Die Nachfrage nach neuen Flugzeugen boomt, Airbus will daher stark expandieren. Doch die eigenen Lieferanten bereiten große Probleme.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Erst einmal hat Airbus-Chef Guillaume Faury gute Nachrichten: Die Nachfrage nach Langstreckenflugzeugen sei mittlerweile wieder so stark, dass Airbus die Produktionsrate für das Spitzenmodell A350 noch einmal erhöhen will. Zehn Flugzeuge der Serie sollen pro Monat von 2026 an gebaut werden. Hinzu kämen dann noch mindestens vier A330, 75 der Kurz- und Mittelstreckenjets aus der A320neo-Familie und 14 der A220. Mehr als 100 Flugzeuge pro Monat sollen es werden. Nur: Wie soll das gehen?

Denn da war etwas: Im ersten Halbjahr 2024 müssen rund 600 Maschinen der A320neo-Serie abgestellt werden, damit Triebwerkshersteller Pratt & Whitney die Motoren inspizieren und gegebenenfalls reparieren kann. Das ist notwendig, weil zuletzt ein Produktionsfehler entdeckt wurde. Pratt steht vor der undankbaren Aufgabe, entscheiden zu müssen, ob neue Motoren an die Airbus-Endmontagelinie oder direkt zu den Kunden geliefert werden, die auf Ersatzteile für bereits übernommene Flugzeuge warten. Dann sind da noch die Flugzeugkabinen: Es fehlt weiterhin an allen Ecken und Enden an Rohmaterialien und Komponenten für Küchen, Toiletten oder Sitze. Bei den Fahrwerken, die besonders große Kräfte aushalten müssen, ist außerdem ein Mangel an gehärtetem Stahl ein Problem.

Airbus hat sich für die nächsten drei Jahre Erstaunliches vorgenommen, um zu wachsen. Die Produktion der A350 soll mehr als verdoppelt werden. Von der wichtigsten Flugzeugserie, der A320neo-Familie, hat Airbus in den ersten drei Quartalen pro Monat durchschnittlich 43 Maschinen gebaut, 2026 sollen es 75 sein. Gleichzeitig steigt der Anteil der größten Variante A321neo, die besonders kompliziert zu fertigen ist, auf rund zwei Drittel. Es soll also nicht nur viel mehr, sondern auch viel schwieriger werden. Bei der kleinen A220 wird der Output gar verdreifacht. Angesichts des enorm guten Auftragsbestandes von fast 8000 Maschinen ist es die große Chance, den Rivalen Boeing auf viele Jahre hinaus uneinholbar abzuhängen. Und Faury und seine Leute wollen diese Chance ergreifen.

Nach der Pandemie war zunächst die Nachfrage auf der Kurz- und Mittelstrecke zurückgekehrt. Bei den Langstreckenflugzeugen gingen die meisten in der Branche davon aus, dass die Produktion sehr lange nicht oder vielleicht nie mehr auf das alte Niveau zurückkehren wird. Doch auch hier hat sich die Lage grundlegend verändert: mit zehn A350 pro Monat würde Airbus die Produktionsspitze von 2015 wieder erreichen. Das Jahr 2023 war im Verkauf extrem erfolgreich: Unter anderem hat Air India 34 der Maschinen gekauft, Lufthansa zehn und zuletzt die taiwanesische Airline EVA Air 18.

Wenn nur einer Fehler macht, hängen alle anderen mit drin

Zwar hat Airbus schon mitten in der Corona-Pandemie den Lieferanten erklärt, wie der Hochlauf zumindest für die kleineren Jets in den nächsten Jahren aussehen wird. Doch diese haben dem Flugzeugbauer entweder nicht richtig geglaubt und ihre eigenen, vorsichtigeren Planungen gemacht. Oder sie hatten schlicht nicht das Geld, um die Investitionen in Anlagen und Wachstum zu bezahlen. Und sie alle belastet der Mangel an Fachkräften. In der Luftfahrt wirkt er sogar besonders krass, weil es so lange dauert, bis die Mitarbeiter für die Spezialaufgaben ausgebildet sind. Gerade erst hat Faury die Lieferanten bei einem Treffen im französischen Toulouse darauf eingeschworen, keine eigenen Pläne mehr zu machen, sondern den Vorgaben von Airbus zu vertrauen. Er weiß: Wenn nur einer nicht mitzieht oder Fehler macht, hängen alle anderen mit drin - siehe Pratt.

Faury räumt ein, dass Airbus die Probleme mit den Lieferanten noch länger begleiten werden. Die Wachstumsgeschwindigkeit von Airbus werde "bestimmt von einigen wichtigen Lieferanten, nicht nur bei den Triebwerken", so der Konzernchef. Die gute Nachricht, zumindest für den Moment: Airbus will trotz allem die Lieferziele für 2023 erreichen. In den ersten zehn Monaten hat der Hersteller 559 Maschinen übergeben, 720 sind das Ziel. Es müssen also bis Silvester noch 161 Jets bei den Kunden landen. Im vergangenen Jahr hat Airbus im November und Dezember sogar 166 Maschinen ausliefern können.

Doch die große Frage ist, wie es nächstes Jahr weitergeht. Noch fliegen die meisten der von den Triebwerksmängeln betroffenen Maschinen. Im Winter nutzen die meisten Airlines ihre Jets sowieso weniger, weil die Nachfrage geringer ist und damit eine gute Zeit für fällige Reparaturen. Richtig eng könnte es schon im Frühjahr werden, wenn die Kunden alle verfügbaren Flugzeuge einsetzen wollen, neue Motoren brauchen und Airbus gleichzeitig die Produktion ausweitet. "Wir übernehmen so wenige Motoren wie möglich", kündigt Faury an. Auf diese Weise könne auch die bereits ausgelieferte Flotte versorgt werden.

Es geht nicht nur um die Triebwerke, es gibt viele Probleme

Pratt & Whitney ist lange nicht der einzige Problemfall. Die Motoren der Konkurrenz von CFM International, die auch auf der A320neo verbaut werden, sind zwar deutlich zuverlässiger. Aber sie sind noch lange nicht auf dem Niveau der Vorgängergeneration.

Und wie Faury selbst sagt: Es geht nicht nur um die Triebwerke. Spirit Aerosystems, einer der großen Strukturlieferanten für die A220 und A350, befindet sich in finanzieller Schieflage. Mit den großen Programmen, an denen Spirit mit Sitz in Wichita/Kansas beteiligt ist, macht das Unternehmen Verluste. Gerade erst ist Boeing dem Unternehmen zur Seite gesprungen und hat Verträge nachverhandelt. Spirit baut unter anderem den Rumpf der 737 und ist daher für Boeing sozusagen too big to fail - zu groß zum Scheitern also.

Nun hat sich Spirit mit ähnlichen Forderungen auch an Airbus gewandt, um das Unternehmen zu stabilisieren. Faury sagt Hilfe zu, verlangt von dem wichtigen Lieferanten aber ebenfalls Zuverlässigkeit: "Wir sind schließlich der Kunde."

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