Luftfahrt:Kehrtwende bei Airbus

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Der Rumpf von einem Airbus der A320-Familie steht in der Endmontagehalle im Airbus-Werk in Hamburg. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Der Flugzeugbauer hat sich mit der IG Metall auf eine neue Konzernstruktur geeinigt. Vier Werke sollen an den Autozulieferer Mubea gehen - der damit plötzlich zum Luftfahrt-Zulieferer würde.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Nach monatelangen Verhandlungen und mehreren Warnstreiks haben sich Airbus und die Gewerkschaft IG Metall auf eine neue industrielle Struktur des Flugzeugbaus in Deutschland geeinigt. Die IG Metall stimmte dabei der Gründung einer neuen, stark vergrößerten Airbus-Tochtergesellschaft zu, die künftig Rumpfsektionen bauen soll. Die vier Werke des bisherigen Airbus-Ablegers Premium Aerotec in Augsburg sowie in Varel könnten an den Automobilzulieferer Muhr und Bender (Mubea) verkauft werden. Die Entscheidung wollen Airbus und die IG Metall nach Verhandlungen mit Mubea in den nächsten Wochen gemeinsam treffen.

Mit der Einigung vollzieht Airbus endgültig eine strategische Kehrtwende um 180 Grad. Über Jahre hatte der Konzern versucht, die Tochtergesellschaften Premium Aerotec in Deutschland und Stelia Aerospace in Frankreich zu verkaufen, deren wichtigste Aufgabe es ist, Rumpfsektionen der Zivilflugzeuge zu fertigen. Airbus wollte damit dem Vorbild von Boeing folgen. Der Konkurrent hatte schon 2005 das ehemalige US-Werk in Wichita verkauft. Unter der Marke Spirit Aerosystems werden dort bis heute die Rümpfe der 737-Familie gebaut.

Airbus-Vorstandschef Guillaume Faury erklärte aber, nachdem der Verkauf immer wieder gescheitert war, die Strukturkomponenten wieder zum Kerngeschäft - auch im Blick auf künftige Flugzeugmodelle, bei denen die Integration von Rumpf, Motoren und Tragflächen besonders wichtig sei. Stelia in Frankreich wurde mit einigen Airbus-Werken zusammengelegt und firmiert seit Anfang 2022 als Airbus Atlantic. In Deutschland verzögerte sich das Verfahren wegen der Auseinandersetzung mit der Gewerkschaft.

Airbus in Deutschland wird künftig aus zwei großen Unternehmen bestehen. Die Airbus Operations GmbH mit Sitz in Hamburg ist vor allem für die Endmontage der Flugzeuge zuständig und wird nach dem Umbau, der zum 1. Juli abgeschlossen sein soll, rund 12 000 Mitarbeiter beschäftigen. Die neue Tochtergesellschaft für die Flugzeugstruktur wird zunächst aus Teilen des heutigen Airbus-Werkes in Hamburg und dem niedersächsischen Standort Nordenham bestehen und rund 10 000 Mitarbeiter beschäftigen.

Mubea, der mögliche Abnehmer, ist ein Automobilzulieferer mit Sitz in Attendorn/Nordrhein-Westfalen. Das Unternehmen kam 2020 auf einen Umsatz von knapp 2,1 Milliarden Euro und beschäftigte 14 000 Mitarbeiter. Mubea will alle Werke der bisherigen Premium Aerotec in Augsburg sowie in Varel mit rund 3000 Mitarbeitern übernehmen und würde damit auf einen Schlag zu einem der größten europäischen Zulieferer in der Luftfahrt-Industrie werden.

Der Verkauf der Standorte war in den vergangenen Monaten der strittigste Punkt zwischen Airbus und IG Metall - die Gewerkschaft wollte ihn zunächst am liebsten ganz verhindern. Nun wollen die beiden gemeinsam herausfinden und entscheiden, ob Mubea oder Airbus selbst bessere Perspektiven bieten. Sollten die Verhandlungen mit Mubea scheitern, würden Augsburg und Varel bis 2025 als separate Einheiten bei Airbus bleiben und bis dahin "wettbewerbsfähig aufgestellt", wie es in einer Mitteilung hieß. Für alle Standorte des Konzerns schließt Airbus bis 2030 betriebsbedingte Kündigungen aus.

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