Luftfahrt:Airbus will grüner und sparsamer fliegen

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Airbus hat bei einem "A321" bereits einen Treibstoff aus nachwachsenden Rohstoffen getestet. (Foto: Joerg Boethling /imago images)

Wenn es um Alternativen zum Kerosin ging, sprach der Luftfahrtkonzern vor allem über Wasserstoff. Nun will er erst einmal ein neues Mittelstreckenmodell entwickeln, das andere nachhaltige Treibstoffe nutzt und weniger verbraucht.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Airbus-Chef Guillaume Faury hatte das Thema in den vergangenen Monaten schon ein paar Mal angedeutet. In einem Interview mit einem französischen Radiosender hatte er erstmals darauf verwiesen, dass Airbus wohl wieder in neue Flugzeugmodelle investieren werde, und ein paar Tage später wiederholte er die Aussage bei einer Veranstaltung des französischen Luftfahrtverbandes Gifas, aber er blieb weitgehend im Vagen. Und nun, ein paar Tage vor der großen Paris Air Show, die am kommenden Montag am Flughafen Le Bourget beginnt, lässt er die Katze (fast) ganz aus dem Sack: "Wir brauchen eine neue Generation von Flugzeugen", so Faury.

Die Aussage Faurys ist ein Signal, auf das die Branche lange gewartet hat, und für alle Beteiligten sowie für die Konkurrenz von sehr großer Bedeutung. Die Luftfahrt hat sich im Rahmen einer Selbstverpflichtung zu den Pariser Klimazielen bekannt und es damit zum offiziellen Ziel gemacht, ab dem Jahr 2050 klimaneutral zu fliegen. In dem Sektor gibt es vermutlich viel mehr Leute, die zumindest hinter vorgehaltener Hand daran zweifeln, dass dies wirklich möglich ist, als Optimisten - die technischen Schwierigkeiten sind schlicht zu groß. Bis zuletzt haben aber gerade die Flugzeughersteller nicht gerade viel dafür getan, den Eindruck zu verändern: sie setzten vor allem auf die sogenannten Sustainable Aviation Fuels (SAF) aus Biomasse oder synthetisch hergestellten nachhaltigen Treibstoffen sowie Technologien wie Wasserstoff, die zwar langfristig wirken mögen, aber bis 2050 kaum nennenswert die Klimabilanz des Luftverkehrs verbessern können.

"Wir brauchen Flugzeuge, die 20 bis 25 Prozent weniger Treibstoff verbrauchen als die A320neo oder A321neo von heute", fordert Faury. "Wir bereiten alle Technologien für das Flugzeug vor, das Produktionssystem, die Digitalisierung, sodass wir Daten besser nutzen können." Als Zielmarke hat sich Airbus Faury zufolge das Jahr 2035 vorgenommen, dann soll die neue Airbus-Maschine erstmals ausgeliefert werden. Es könne aber sein, so schränkt der Airbus-Chef ein, dass sich der Markteintritt auch noch um einige Jahre bis spätestens 2040 verzögere.

In der Luftfahrt sind die Entwicklungszyklen viel länger als etwa in der Automobilindustrie, in der alle paar Jahre ein neues Modell auf den Markt kommt. Die A320-Familie, das Airbus-Standardflugzeug für Kurz- und Mittelstrecken, wurde erstmals 1988 ausgeliefert und seither immer wieder modernisiert. Die erste Version der Boeing 737 stammt aus dem Jahr 1968. Mittlerweile sind auch die Zertifizierungsverfahren so kompliziert, dass die Hersteller vom offiziellen Programmstart an gerechnet bis zur ersten Auslieferung knapp zehn Jahre brauchen. Sprich: Bei Airbus drängt schon jetzt die Zeit, denn bis der Aufsichtsrat die nötigen Investitionen in zweistelliger Milliardenhöhe freigeben kann, sind noch viele Vorarbeiten nötig. "Wir sind nur ein paar Jahre von dem Zeitpunkt entfernt, an dem wir alle Technologien bereit haben müssen, das industrielle Konzept, die Partner und die Lieferanten", sagt Faury. "Wir bereiten den Ersatz von Modellreihen vor, nicht einfach nur Upgrades."

Das Marktsegment, das Airbus anstrebt, ist klar, aber viele Details sind noch offen. Es geht um die Kurz- und Mittelstrecken, also etwa das Europanetz der Lufthansa oder die Inlandsflüge der großen amerikanischen Fluggesellschaften. Von der A320-Baureihe hat Airbus mehr als 17 000 Maschinen verkauft. Gefragt sind Jets ab etwa einer Größe von voraussichtlich 170 bis zu 250 oder mehr Passagieren in mehreren Versionen, die genauso weit und genauso schnell fliegen können wie die aktuellen Modelle, nur wesentlich sparsamer und mit Motoren, die auf den Einsatz von synthetischem Treibstoff ausgelegt sind.

Auch Konkurrent Boeing hat begonnen, an einem Nachfolger der Boeing 737 zu arbeiten. Im Rahmen eines Forschungsauftrages der Nasa baut der US-Hersteller einen Technologiedemonstrator mit besonders dünnen, stark gepfeilten und auf Streben abgestützten Tragflächen (der sogenannte Truss-Braced Wing). Auf dieser Basis könnte ein neues Boeing-Modell ebenfalls ab 2035 ausgeliefert werden, wenn alles ohne Verzögerung läuft.

Die Triebwerke könnten künftig anders aussehen

Das geplante Airbus-Flugzeug soll noch nicht mit Wasserstoff angetrieben werden - dafür ist ebenfalls für 2035 eine mutmaßlich deutlich kleinere Maschine aus dem "ZeroE"-Forschungsprojekt vorgesehen. Für die ersten Jahrzehnte der Dekarbonisierung setzt die Luftfahrt vor allem auf nachhaltig hergestellten Treibstoff. Nach Berechnungen der International Air Transport Association (IATA) soll dieser etwa zwei Drittel zum Erreichen der Klimaziele beitragen. Doch Faury schildert das Problem dabei: "SAF sind erheblich teurer als Kerosin und werden das auf absehbare Zeit auch bleiben. Heute zahlen Airlines in Europa das 3,5- bis Fünffache für SAF, gemessen am Preis für herkömmliches Kerosin." 2050, und eigentlich schon früher, müsse die Luftfahrt nicht nur technisch, sondern auch kommerziell in der Lage sein, auf 100 Prozent SAF-Nutzung umzusteigen - vorausgesetzt, es gelingt überhaupt, so viel synthetischen grünen Treibstoff zu produzieren. Deswegen sei es so wichtig, Flugzeuge zu entwickeln, die von vorneherein weniger davon verbrauchen.

Wie die nächsten Maschinen von Airbus und Boeing aussehen werden, hat auch entscheidende Folgen für die anderen großen Unternehmen der Branche, vor allem die Triebwerkshersteller GE Aerospace, Pratt & Whitney und Rolls-Royce. GE arbeitet mit Safran, seinem französischen Partner im CFM International-Konsortium, am RISE-Projekt. Die Abkürzung steht für Revolutionary Innovation for Sustainable Engines. Die Motoren sollen nicht mehr wie die heutigen Jet-Triebwerke von einem Gehäuse umgeben sein, sondern große offene Rotoren antreiben. GE verspricht sich davon große Fortschritte bei der Effizienz, und Airbus-Chef Faury ist höchst interessiert: "Wir sehen das als eine vielversprechende Technologie an", sagt er. Aber es seien noch viele Fragen offen.

Würde Airbus sich für die RISE-Technologie entscheiden, hätte das schwerwiegende Folgen. Die Motoren brauchen deutlich mehr Platz als die heutigen, deswegen müssten die Tragflächen oben am Rumpf angebracht werden, die Flugzeuge würden also deutlich anders aussehen. Und die Konkurrenz von Pratt & Whitney, verbandelt mit dem Münchner Konzern MTU Aero Engines, müsste entweder ebenfalls offene Rotoren entwickeln oder würde riskieren, bei der nächsten Airbus-Flugzeuggeneration außen vor zu bleiben.

Entscheiden müssen sich Airbus und Faury schon sehr bald, denn von der Basis-Architektur des Flugzeuges hängt alles andere ab. Klar ist aber für Faury auch, dass sehr langfristig Wasserstoff der richtige Antrieb ist. Daher sei es auch "komplett falsch", zu glauben, dass Airbus wegen der Arbeiten an der nächsten Maschine beim ZeroE-Projekt spare. "Wir glauben an Wasserstoff", sagt Faury. "Wir arbeiten daran, und wir werden ein Wasserstoff-Flugzeug auf den Markt bringen."

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