Airbus "A400M":Von wegen fliegender Lastwagen

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Nach dem A380 hat Airbus ein neues Großproblem: Die Industrie hat die Anforderungen beim Militärtransporter A400M völlig unterschätzt.

Jens Flottau

Auf dem Bildschirm rechts unten werden die roten Felder bedrohlich groß, und der kleine Pfeil, der das Flugzeug darstellen soll, zeigt genau in die Richtung eines dieser Tupfer.

"Am Anfang haben wir gedacht, derA400Msei nur ein fliegender Lastwagen", räumt EADS-Vorstandschef Louis Gallois ein (Foto: Computersimulation: AP)

Wir fliegen etwa 70 Meter über dem Boden durch ein enges Bergtal - Geschwindigkeit 280 Knoten; links, rechts und geradeaus hohe Berge, so wie das die Datenbank für die Computergraphik anzeigt.

Francois Barre empfiehlt, den Steuerknüppel schnell ganz nach links zu drücken und dabei nach hinten zu ziehen. Wir fliegen eine Steilkurve, bei der wir auch noch so schnell wie irgendwie möglich steigen, ohne dabei abzuschmieren. Die Bergkuppe schaffen wir noch knapp.

Das war nun eine der leichteren Übungen, die wir im Flugsimulator des Militärtransporters Airbus A400M in Toulouse durchgespielt haben.

Denn wir haben weder den Bildschirm beachtet, auf dem feindliche Truppen dargestellt sind, noch haben wir etwa versucht, Kisten durch die hinteren Frachttüren abzuwerfen. In diesem Fall hätte ein Computer den richtigen Zeitpunkt für den Abwurf berechnen und dabei Dutzende Variablen wie Gewicht oder Seitenwind berücksichtigen müssen, damit die Fracht auch am richtigen Punkt landet.

A380 als größtes Problem abgelöst

"Das Flugzeug ist enorm komplex", sagt Airbus-Testpilot Barre nach dem gelungenen Ausweichmanöver. "Am Anfang haben wir gedacht, der A400M sei nur ein fliegender Lastwagen", räumt EADS-Vorstandschef Louis Gallois ein. Weil er und seine Mitarbeiter sich hier so getäuscht haben, hat das Flugzeug, von dem sieben europäische Staaten 180 Stück bestellt haben, mittlerweile mehr als drei Jahre Verspätung.

Praktisch alles dauerte länger als gedacht, der A400M hat den A380 als größtes Problem bei Airbus abgelöst. Die ersten Prototypen stehen im Airbus-Werk in Sevilla und warten darauf, dass die Triebwerke bereit für den Erstflug sind. Termin: völlig unklar.

Die zuständigen Verteidigungsminister drohten deswegen zeitweise, den 20-Milliarden-Euro-Auftrag zu stornieren. Die Airbus-Mutter EADS hätte dann fast sechs Milliarden Euro an Vorauszahlungen rückerstatten müssen.

Doch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit werden die Minister an diesem Freitag bei einer Sitzung in Nizza beschließen, trotz allem weiterzumachen. Bis Jahresende wollen sie mit der EADS-Tochter Airbus Military neue Vertragsbedingungen verhandeln.

Ersatz für jahrzehntealte Maschinen

Der A400M ersetzt bei den europäischen Luftwaffen jahrzehntealte Maschinen wie die C-130 Hercules oder C-160 Transall. Die Bundeswehr hat 60 Flugzeuge bestellt, um endlich besser für Einsätze wie den aktuellen in Afghanistan gewappnet zu sein.

Zwar mehren sich die Zweifel daran, dass die Maschine trotz aller Neuerungen die einst im Überschwang vertraglich vereinbarten Leistungen erreichen wird - vor allem bei Reichweite und Nutzlast. Doch die Kunden haben kaum Alternativen als den neuen Airbus zu nehmen.

Denn der ist immer noch um Welten moderner als seine museumsreifen Vorgänger. Die Staaten könnten theoretisch zwar bei den US-Firmen Boeing und Lockheed Martin einkaufen. Dies wäre aber schon politisch undenkbar, weil sie die eigene Verteidigungsindustrie damit dauerhaft schwächen würden.

"Alle haben Fehler gemacht", sagt Gallois. Die Regierungen, die Produktionsaufträge streng nach Proporz und weniger nach Fähigkeiten vergeben wollten sowie immer neue technische Spezialanforderungen stellten. Die Industrie, die ihre eigenen technologischen Möglichkeiten sträflich überschätzt und sich gegenseitig bekämpft hat.

Hinter, manchmal auch vor den Kulissen gehen die Konflikte weiter: Laut Egon Behle, Chef des Münchner Triebwerksherstellers MTU Aero Engines, hat das Motorenkonsortium mittlerweile ein lang verspätetes Softwarepaket geliefert, mit dem der A400M endlich zum Erstflug starten kann.

Bei Airbus in Toulouse heißt es hingegen, die Motorenbauer hätten nur einen Teil des nötigen Datensatzes geliefert. Doch der Kern des A400M-Problems ist letztlich, dass das Projekt die Industrie an die Grenzen ihrer technologischen Möglichkeiten gebracht hat. "Was wir hier anbieten, baut auf dem Niveau des Großraumjets Airbus A380 auf, doch es kommen viele militärische Anforderungen hinzu", erklärt Testpilot Barre. Die Erkenntnis, dass man für ein solch komplexes System viel mehr Zeit braucht, kam zu spät.

Allein die Anforderungen an die Computer und die Software sind immens: Im Simulator ist die Steilkurve über die Bergkuppe auch nur dank Computerhilfe so gut gelungen. Das System sorgte dafür, dass das Flugzeug nicht zu langsam wurde oder seitlich über die Flügel wegkippen konnte. Wenn das echte Flugzeug bald auch so funktioniert, hätte Airbus ein großes Problem weniger.

© SZ vom 24.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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