Immobilienkonzern:Adler bettelt um Abschlussprüfer

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Die Suche nach einem Wirtschaftsprüfer gestaltet sich für Adler zurzeit ähnlich erfolgreich wie die Sanierung des Steglitzer Kreisels in Berlin: Mit beidem wollte der Konzern schon fertig sein, doch es bleiben Baustellen. (Foto: Dirk Sattler /imago)

Der angeschlagene Immobilienkonzern sucht verzweifelt. Er hat sogar Bittbriefe an die Prüfungsfirmen geschickt. Dort will sich niemand erbarmen. Offenbar steckt der Branche Wirecard in den Knochen.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Noch ist nicht abschließend geklärt, welche Mitschuld die Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young (EY) am Zusammenbruch des Pleitekonzerns Wirecard haben. Während die Aufsichtsbehörde Apas inzwischen Anzeichen gefunden haben soll, dass die Prüfer ihre Berufspflichten verletzt haben, wies EY das stets zurück und sieht sich als Opfer von Wirecards "Betrugsmaschine". Ob das stimmt oder nicht, wird sich zu Jahresende zeigen, wenn die Apas-Prüfung abgeschlossen ist.

Fest steht: Das Thema Wirecard hat die gesamte Prüfungsbranche aufgerüttelt. So ist es vielleicht zu erklären, dass der angeschlagene Immobilienkonzern Adler Group nun partout keinen Wirtschaftsprüfer findet, der ihm die Zahlen von 2022 testieren will - ein "ziemlich einmaliger Vorgang für ein größeres deutsches Unternehmen", wie ein Banker sagt, und ein Zeichen, dass die nächsten Monate noch deutlich holpriger werden für die Firma.

Finanzkreise bestätigten einen Bericht des Handelsblatts, wonach Adler sogar einen Bittbrief an die Prüfungsfirmen geschickt hat, sich doch bitte für ein Mandat zu bewerben. "Uns ist natürlich bekannt, dass dieses Mandat in der Branche und in den einzelnen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften intensiv und lebhaft diskutiert wird", schrieben Verwaltungsratschef Stefan Kirsten und Thilo Schmid, der Chef des Prüfungsausschusses, in einem dreiseitigen Brief. Leider habe sich trotzdem keine Prüfungsgesellschaft um die Mandate beworben. Die Adler-Aufseher wollten nun wissen warum und versprachen, zu erklären, "warum es aus unserer Sicht von Vorteil für Ihr Haus sein kann, die Abschlüsse der Adler-Gruppe zu prüfen". Die möglichen Gründe für die Zurückhaltung sind freilich bekannt. "Auch wir sehen potenzielle Reputationsrisiken, die aus einem Audit entstehen können", schrieben die Verwaltungsräte und boten außerdem Sonderkonditionen an. Man sei bereit, die Reputationsrisiken "strukturell zu reduzieren, zum Beispiel über einen Verzicht auf die berufsübliche Pflicht zur Verschwiegenheit". Auch eine verstärkte Kommunikation zwischen Prüfer und Verwaltungsrat oder die Öffnung sämtlicher Daten aus Berichtsperioden vor dem Abschluss für 2022 sei denkbar.

Seit fast einem Jahr muss sich das verzweigte Unternehmen mit schweren Vorwürfen des Leerverkäufers Fraser Perring auseinandersetzen, der seinerzeit auch Wirecard im Visier hatte. Es geht um zweifelhafte Immobiliendeals und aufgeblähte Bilanzen zulasten der Aktionäre. Nutznießer, so sagte Perring, sei ein Netzwerk um den österreichischen Geschäftsmann Cevdet Caner, den Schaden hätten Aktionäre und Gläubiger. Adler und Caner haben das stets bestritten. Aber auch die Finanzaufsicht Bafin prüft seit Monaten die Abschlüsse des Konzerns - und hatte einen der Hauptvorwürfe Perrings Anfang August im Kern bestätigt: Ein Immobilienprojekt im Düsseldorfer Stadtteil Gerresheim sei mit einem viel zu hohen Wertansatz in die Bilanz von 2019 eingegangen, was Adler bestreitet.

Adler läuft die Zeit davon

Der Konzern wollte die Vorwürfe mit einem Sondergutachten der Wirtschaftsprüfer von KPMG entkräften und holte außerdem den Immobilienfachmann Stefan Kirsten als neuen starken Mann in den Konzern. KPMG hatte zuvor auch die Jahresabschlüsse geprüft. Das Urteil des Sondergutachtens fiel allerdings enttäuschend aus, KPMG konnte die Zweifel nicht ausräumen, auch was das Projekt in Gerresheim angeht. Im Mai hatte KPMG dann mitgeteilt, man stünde nicht wie vorgesehen als Abschlussprüfer für den Jahres- und Konzernabschluss 2022 zur Verfügung. Seither sucht der Aufsichtsrat neue Prüfer.

Sollte sich niemand finden, der den Auftrag annimmt, muss wohl ein Gericht den Prüfer bestimmen. Bloß: "Es wird auch für ein Gericht schwierig, überhaupt noch jemanden zu finden, der Kapazitäten hat", heißt es aus Prüferkreisen. Die Branche sei "ausverkauft". Viele Firmen, die noch 2022er-Abschlussprüfungen suchten, würden wohl hohe Preise zahlen müssen. Und wer offenkundig ein riskanter, weil wohl nicht integrer Kunde sei, habe ein Problem. Die verpflichtenden Kundenannahmeprozesse der Prüfungsgesellschaften würden dann ergeben, dass man den Auftrag nicht annehmen dürfe. "Da hilft auch kein Bittbrief", heißt es.

Adler läuft nun die Zeit davon. Ohne einen Bestätigungsvermerk für den Jahresabschluss 2022, der dann im März oder April 2023 vorliegen muss, kann sich Adler am Kapitalmarkt kein frisches Geld leihen. Aber auch mit bestehenden Geldgebern drohen Probleme: Die Adler-Gruppe hat den Investoren seiner Anleihen zugesichert, jeweils zum 30. April "einen Geschäftsbericht mit einem geprüften Konzernabschluss" vorzulegen. Auch dieses Jahr gelang das nur knapp und auch nur ohne Testat des Abschlusses. Wie es weitergeht, dazu will das im Börsenindex SDax notierte Unternehmen in Kürze informieren. Am Mittwoch lädt zudem die Adler-Tochter Adler Real Estate zur Hauptversammlung. Minderheitsaktionäre haben bereits hundert Fragen eingereicht. Das Unternehmen, so sagen sie, stehe vor "beispiellosen Schwierigkeiten".

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