Pannehilfe:Zeitenwende beim ADAC

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Die Pannenhilfe des ADAC wird von den Mitgliedern bei Unfällen und Pannen in Anspruch genommen. (Foto: imago)

Erstmals seit Jahren verzeichnet der größte deutsche Verein einen Mitgliederrückgang. Intern werden Rufe nach Veränderungen laut. Sogar Regionalklubs wollen fusionieren.

Von Uwe Ritzer, München

Der lange erfolgsverwöhnte ADAC stellt sich auf schwierige Zeiten ein. Im vergangenen Jahr sank die Zahl seiner Mitglieder erstmals seit sechs Jahren, nämlich um 26624. Intern werden dafür die Corona-Krise und eine Beitragserhöhung verantwortlich gemacht. Mit gut 21,2 Millionen Mitgliedern ist der Automobilklub zwar noch immer mit weitem Abstand der größte Verein in Deutschland, doch mit Blick auf einen möglichen Bedeutungsverlust des Autos als Verkehrsmittel erwarten Verantwortliche einen Schrumpfungsprozess. Das ist auch der Grund für eine spektakuläre Fusion, die nach Informationen der Süddeutschen Zeitung noch in diesem Jahr in Norddeutschland erfolgen soll.

"Der Mitgliederzuwachs ist aufgrund des demografischen Wandels nicht nur endlich, sondern wir müssen uns schon jetzt auf einen Mitgliederrückgang einstellen", heißt es in einem gemeinsamen Schreiben der Vorsitzenden der Regionalklubs Niedersachsen/Sachsen-Anhalt und Hansa an das ADAC-Präsidium. Damit begründen sie, weshalb sich die beiden Organisationen überraschend zusammenschließen wollen. Damit entstünde der mit 2,5 Millionen Mitgliedern und etwa 300 Beschäftigten zweitgrößte ADAC-Regionalklub (RC) nach Nordrhein (2,9 Millionen). Insgesamt gliedert sich der ADAC in 18 solche regionalen Einheiten, die innerhalb der Organisation sehr autark arbeiten.

Die Fusion wird seit Herbst vorbereitet und soll bei einer gemeinsamen Mitgliederversammlung am 26. Juni in Lüneburg vollzogen werden. Sitz des neuen "ADAC Nord-Ost" soll Hamburg werden, wobei die Geschäftsführung weiterhin auch in Laatzen bei Hannover vertreten sein soll, der Zentrale der Regionalklubs Niedersachsen/Sachsen-Anhalt. Auch über den künftigen Vorsitzenden haben sich die regional Verantwortlichen bereits geeinigt. Den Posten soll der Lüneburger Rechtsanwalt Hanno Huijssen übernehmen, bisheriger Technikvorstand beim RC Hansa. Die beiden noch amtierenden Regionalvorsitzenden Ulrich Krämer und Ingo Meyer ziehen sich zurück.

Bei der Fusion gehe es "nicht um Personalabbau, sondern darum, die vorhandenen Ressourcen besser und effektiver zu nutzen und die Prozesse zu optimieren", sagte auf Anfrage eine Sprecherin des ADAC Niedersachsen/Sachsen-Anhalt. So sollen gemeinsame IT-Systeme etwa für die Mitgliederbetreuung und Verwaltung, sowie den Personalbereich eingeführt werden.

"Wir wollen agieren und nicht reagieren."

Womöglich sind die beiden Regionalklubs damit Vorreiter. "Das Auto verliert heute schon an Bedeutung als Verkehrsmittel und auch als Statussymbol", schreiben die Vorstände von Hansa und Niedersachsen/Sachsen-Anhalt in ihrem Brief an das Präsidium. "Alternative Mobilitätsformen erhalten größeren Zuspruch, Umweltaspekte und Nachhaltigkeit spielen eine zunehmende Rolle." Ein "Weiter so" dürfe es nicht geben; "bewegen wir uns erst, wenn wir dazu gezwungen werden, haben wir weniger Gestaltungsspielraum", heißt es. "Wir wollen agieren und nicht reagieren."

Solche Gedanken treiben nicht nur die Verantwortlichen in den RC Niedersachsen/Sachsen Anhalt und Hansa um. Der ADAC insgesamt hat sich zwar seit einiger Zeit auf die Fahnen geschrieben, Mobilitätsdienstleister für die Nutzer jedes Verkehrsmittels und nicht mehr nur Autofahrer-Lobbyist zu sein. Dieser Kurswechsel wurde von den zuständigen Gremien zwar mit hoher Zustimmung beschlossen, durchdrungen ist die Organisation davon aber noch lange nicht. So argumentieren ADAC-Funktionäre, gerade die Corona-Krise führe dazu, dass der Stellenwert des Individualverkehrs und damit des Autos wieder steige.

Unter den Verantwortlichen im Präsidium, sowie im Verwaltungsrat wächst die Sorge, der ADAC könnte über solche Fragen auseinanderdriften und an Schlagkraft verlieren. Zudem sind Kritiker beunruhigt darüber, dass der ADAC sich nach der Affäre um die manipulierte Autowahl "Gelber Engel" zwar neu organisiert, sein Selbstverständnis aber nicht geklärt habe. Jede der dabei entstandenen ADAC-Säulen, nämlich Verein, kommerzielle Aktiengesellschaft SE und Stiftung, führe zunehmend ein Eigenleben, wird bemängelt.

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