Die Geranien gehen ein, die Tomate lässt die Blätter hängen und die Plastiksitzgarnitur sieht alles andere als einladend aus. In der Serie "Balkonzeit" zeigen wir Ihnen, wie Sie Ihre Oase an der frischen Luft richtig nutzen und mit einfachen Tricks zu etwas ganz Besonderem machen - mit Fischteich, Chillecke oder Gemüsebeet.
Aus dem Terrakottatopf ragen drei kleine grüne Blätter. "Guck mal", ruft der stolze Balkongärtner dem Nachbarn zu "meine Erdbeeren treiben aus". Der Nachbar nickt anerkennend, drückt seine Zigarette aus und verschwindet in der Wohnung. Der Balkongärtner hingegen verbringt noch einige Stunden damit, den Feuchtigkeitsgehalt in seinen zahlreichen Tomatenstaudentöpfen genau einzustellen und erwartungsvoll die Erde rund um die Radieschensaat herum zu tätscheln.
Ein paar Wochen später sind die Erdbeerenblätter unwesentlich größer geworden, die Tomaten sind von Fliegen befallen, das Radieschenbeet im Blumenkasten liegt brach. "Schon geerntet?" ruft der Nachbar vom grünzeugfreien Balkon. "Mh", antwortet der Hobbygärtner, sprüht die Tomatenstaude mit Seifenwasser ein und träumt dabei von einem Schrebergarten. Wenn die nur nicht so selten wären in der Stadt. Und dieser Aufwand.
Die gute Nachricht: Einen kleinen Schrebergarten in Quadratform kann fast jeder haben. Auch auf dem Balkon. "Square Foot Gardening" heißt die Erfindung aus den USA, die es möglich macht, auf kleinstem Raum die unterschiedlichsten Gemüse und Pflanzen anzubauen. Gartenbauwissenschaftler Dr. Folko Kullmann erklärt die Vorteile des "Quadratgärtnerns".
1. Weniger gießen
Tiefe Töpfe müsse man unverhältnismäßig oft gießen. Mit den nur etwa dreißig Zentimeter tiefen Quadratboxen, die mit einem Kompost-Erde-Gemisch befüllt werden, kann man sich viel Arbeit sparen.
2. Weniger Aufwand, mehr Platz - Gärtnern auf Armlänge
Alle Pflanzen sind an einem Fleck. Die Grenze für die Größe eines Quadratbeetes ist, wie Kullmann sagt, "der eigene Arm". Das spart Platz - so bleibt auf dem Balkon vielleicht sogar noch eine Ecke für die Sitzgarnitur frei. Die kann der Balkongärtner dann umso länger nutzen, weil er außerdem beim Gießen nicht ständig zwischen den einzelnen Pflanzenkübeln hin und her laufen muss.
3. Weniger Schädlinge - ganz natürlich
In den verschieden und dicht bepflanzten Minibeeten können Schädlinge sich kaum ausbreiten. "In einem Riesenbeet mit Salat kommt die Salatblattlaus und ist im Schlaraffenland", sagt Kullmann. Wo nur ein Salat steht, kann höchstens der gegessen werden - und nicht die ganze Bepflanzung. "Außerdem schützen die Pflanzen sich gegenseitig." Möhren- und Zwiebelfliegen etwa würden vom Geruch der jeweiligen Pflanze angelockt. "Wenn ich diese beiden jetzt nebeneinander pflanze, vermischen sich die Gerüche so, dass beide Fliegen verwirrt sind und die Pflanze gar nicht mehr finden", erklärt der Gartenbauwissenschaftler.
Zu allererst benötigt man - Überraschung! - ein Quadrat. Einen quadratischen Holzkasten, genauer gesagt. Diesen Holzkasten kann jeder selbst bauen, sagt Kullmann: "Ich bin in den Baumarkt gegangen und habe mir Langholzbretter besorgt. Die gibt es oft schon in den passenden Maßen."
Beim Bepflanzen der Holzkästen ist alles erlaubt: Balkonblumen, Sommerblumen, alle Gemüsearten und Küchenkräuter. Hobbygärtner setzen am besten Jungpflanzen ein, statt Samen auszusäen. "Das ist einfacher und geht viel schneller", sagt Kullmann. Einzige Grenze beim Anpflanzen ist der Platz: "Was ich aus praktischen Gründen nicht empfehlen würde, sind große Kopfkohle, also Weißkohl, Rotkohl. Da ist gleich alles voll."
Das klassische Square-Foot-Gardening-Beet ist etwa einen Quadratmeter groß und wird mit Schnüren oder dünnen Holzleisten in neun gleich große quadratische Felder à ca. 30 mal 30 Zentimeter unterteilt. Kullmann empfiehlt aber größere Unterteilungen in Beete zu je 40 mal 40 Zentimeter: "Sonst ist so ein Quadrat schon mit einem Kopfsalat voll", sagt er. Die rechteckigen Blumenkästen sollten etwa 30 Zentimeter tief sein.
Nicht-quadratische Rechtecke sind natürlich auch erlaubt. Welche Maße die richtigen sind, hängt von Platz und anderen Gegebenheiten - auf dem Balkon vor allem: der Statik - ab. "Ein Balkon ist normalerweise auf 150 Kilo pro Quadratmeter gerechnet, da muss man ein bisschen aufpassen", sagt Kullmann. Ein Kasten mit 1,20 Meter im Quadrat könne mit schwerer und nasser Erden bis zu 600 Kilo wiegen. Gerade deshalb empfiehlt es sich, auf dem Balkon auf längliche Beete zu setzen. Zum Beispiel mit zwei separaten Beeten von je 40 mal 120 Zentimetern.
Außerdem ist es wichtig, den Holzboden des Beetes mit Wasserabzugslöchern zu versehen. Kullmann empfiehlt: "Ich würde den Kasten auch auf Latten stellen, damit das Wasser ablaufen kann." Um Gewicht zu sparen, empfiehlt Kullmann ein Gemisch aus Pflanzerde und Kompost. Die Pflanzerde sei, im Vergleich zu normaler Gartenerde, leichter. Dann das Ganze an ein sonniges Plätzchen stellen und beim Wachsen zusehen.
Radieschen für die Gärtnerseele
Ein besonders schnelles Erfolgserlebnis versprechen übrigens Radieschen. "Die keimen schnell", sagt Kullmann. "Da kann man innerhalb von sechs bis acht Wochen ernten."
Mehr Tipps zum Square Foot Gardening gibt es in Folkos Kullmanns Buch: Das Grüner-Daumen-Konzept.