Trappistenbier:Göttlicher Geschmack

Lesezeit: 5 min

Das von Mönchen gebraute Trappistenbier ist weltweit begehrt. Liebhaber zahlen zum Teil mehr als 25 Euro pro Flasche. Zu Besuch in einem der wenigen Klöster, in denen es hergestellt wird.

Von Harald Hordych, Engelszell/Österreich

Wenn sich die Mönche des Trappistenklosters Engelszell in Österreich zum Mittagsgebet versammeln und ihren Wechselgesang anstimmen, dann scheint ihnen kaum ein Gedanke ferner zu sein als der an weltliche Freuden - zum Beispiel der durchaus tröstliche, womöglich sogar verheißungsvolle Gedanke an ein frisch gezapftes großes Glas Bier!

Das Gebet hat bei den Trappisten streng meditativen Charakter, es ist Teil des Rückzugs aus der Welt mit all ihren irdischen Versuchungen. Als Reformzweig der Zisterzienser gehört der Orden zu den kontemplativen Bruderschaften, arbeite und bete ist ihre Losung, ora et labora. Arbeiten heißt in diesem Fall allerdings nicht, nach draußen zu den Menschen zu gehen, ihnen zu helfen, sie zu unterrichten, zu heilen oder zu bekehren. Die Arbeit findet im Stillen statt, weltabgewandt, hinter dicken Klostermauern. Und im Konvent unterliegen sie einem strengen Schweigegelübde.

Oktoberfest
:Streit um Bierpreis-Bremse auf der Wiesn wird zum Koalitionskrach

Oberbürgermeister Reiter rüffelt seinen Stellvertreter und Wiesn-Chef Schmid. Der lässt das nicht auf sich sitzen.

Von Heiner Effern und Franz Kotteder

Das alles fällt einem ein, wenn man zur Starkbier-Saison am Mittagsgebet der Trappistenmönche von Engelszell als Gast teilnehmen darf und die letzten Mönche dieses Klosters ihre Gebete anstimmen. Nur wenige Orden sind so weltabgewandt, aber auch nur wenige Orden stellen so ein gutes, süffiges und teures Bier her.

Wer zum Beispiel in einer Brauereistadt wie München ein Trappistenbier trinken will, der kann froh sein, wenn er überhaupt fündig wird: Im Münchner Tap-House, mit 42 Zapfhähnen gut sortiert und die einzige Gaststätte, die Trappistenbier in der Stadt ausschenkt. Keines aus Engelszell zwar, aber belgisches, denn die dortigen Trappistenklöster haben einen weitaus größeren Bierausstoß. Für die 0,33-Liter-Flasche "Westvleteren 12" (aus dem gleichnamigen Kloster) zahlen Gäste hier den erstaunlichen Preis von 25,90 Euro. Auch weil "Westvleteren 12" zu den Trappistenbieren zählt, die auf internationalen Rankingportalen schon zum besten Bier der Welt gewählt wurden. In einer Welt, in der es von ambitionierten Microbreweries und vollmundigen Craftbier-Brauern nur so wimmelt, sagt das einiges über Bedeutung und Beliebtheit der Trappistenbiere.

Schon dass "Westvleteren 12" überhaupt vorrätig ist, gilt vielen hier als bemerkenswert. Es wird nämlich eigentlich nur im Kloster in Belgien sowie in einem Café an der gegenüberliegenden Straßenseite verkauft. An der Klosterpforte ist der Kauf an strenge Bedingungen geknüpft, zum einen muss der Kunde sein Autokennzeichen an- und das Versprechen abgeben, das Bier nur für seinen privaten Konsum zu nutzen. Dann erhält er seinen Kasten mit 24 Flaschen und darf erst in zwei Monaten wiederkommen. So viel zur Beliebtheit von Trappistenbier. Und warum das kleine Trappisten-Logo an jeder Flasche so begehrt ist.

Das Bier - eine weitere Einnahmequelle

In Engelszell haben sie sich sehr viel Zeit genommen, bevor sie mit dem Brauen begonnen haben. 1293 stiftete der Bischof von Passau das Kloster im Innviertel, zwei Jahre später zogen Zisterzienser ein. 1786 wurde das Kloster von Kaiser Joseph II. aufgehoben, weil die kontemplativen Zisterzienser "sozial zu wenig produktiv waren", wie Diakon Werner Hofer beim Rundgang durchs Kloster erklärt. Sie führten keine Schulen, keine Pfarreien, sie waren nicht für die Menschen da, sondern für Gott.

Lange gehörte das Anwesen mit der prachtvollen Barockkirche einem Adligen, bevor das Kloster 1925 von den Trappisten übernommen wurde. Benannt nach dem französischen Kloster La Trappe, aus dem die Reformbewegung hervorgegangen ist, wollten die Trappisten strenger als die Zisterzienser sein. 24 waren es am Anfang in Engelszell, und sie brauten wenige Jahre ihr eigenes Bier. Sie hatten längst damit aufgehört, als 1936 die Zahl der Mönche und Brüder mit 73 einen erstaunlichen Höchststand erreichte. Auch deshalb, weil kinderreiche Bauern in den wirtschaftlich schwierigen Dreißigerjahren immer mindestens ein Kind ins Kloster schickten, um seine Versorgung zu sichern, erklärt Hofer.

In der im Winter aus Kostengründen unbeheizten Stiftskirche zeigt Hofer, als Verwalter eher für die praktischen Fragen zuständig, zum barocken Deckenfresko. "Sehen Sie den großen Riss neben dem Apostel Markus? Da müssen wir uns bald drum kümmern." Womit man wieder beim Bier wäre, denn für den Erhalt der Gebäude "brauchten wir eine weitere Einnahmequelle", sagt Hofer unumwunden. Wenn Hofer "wir" sagt, dann meint er, sich selbst eingeschlossen, immer nur die fünf Menschen, die heute das Klosterleben in Stift Engelszell bestreiten.

Geistiges Oberhaupt ist Abt Marianus, 81, Stellvertreter ist der Prior, mit 88 Jahren der Älteste. Und dann gibt es noch zwei Brüder, die ebenfalls schon Jahrzehnte der Ordensgemeinschaft angehören. Wie es weitergeht, wenn der Abt sich nicht mehr um die Leitung kümmern kann, weiß keiner. Doch abgesehen von so schwierigen, in die Zukunft weisenden Fragen muss der Laden ja in Schwung gehalten werden.

Wir leben nicht, um zu brauen, wir brauen, um zu leben. Dieses Motto der belgischen Trappistenmönche haben sich deshalb auch die Engelszeller Trappisten wieder zu eigen gemacht. Nachdem sie über viele Jahre bereits erfolgreich 16 verschiedene Kräuterliköre gebrannt hatten, beschlossen sie 2012, wieder ins Biergeschäft einzusteigen, ein Braumeister wurde angeworben. Offizieller Chef der Brauerei aber ist der Abt - eine von drei Bedingungen, die der Orden an die Vergabe des Trappistenbier-Siegels geknüpft hat. Zudem muss das Bier im Kloster gebraut werden und der Erlös dem Erhalt der Abtei zugutekommen. Als dann die neue Brauanlage im Kloster ihren Betrieb aufgenommen hatte, reiste eine Kommission der Bruderschaft nach Engelszell, prüfte alles und erlaubte dem einzigen Trappistenkloster Österreichs, für die kommenden fünf Jahre das begehrte Logo auf den Bierflaschen zu führen. Als eines von weltweit elf Klöstern.

Test
:Das sind die besten alkoholfreien Weißbiere

Welches alkoholfreie Weizen ist der perfekte Durstlöscher nach der Radtour oder dem Sport? Ein Experte hat für uns neun verschiedene verkostet.

Von Felix Knoke

Seither werden in blitzblank geputzten Kesseln pro Woche gerade einmal 3000 Liter Bier gebraut. Helle Gerste wird hier fürs helle Bier gelagert, geröstete für das dunkle. Das Bier aus Engelszell ist stark. Das hängt auch mit den Brautraditionen der Klöster zusammen. Bier durfte während der Fastenzeit auch tagsüber konsumiert werden und diente als Nahrungsmittelersatz - je kräftiger, desto besser.

Die drei Sorten sind nach den Äbten des Klosters benannt: Vivat ist mit 5,9 Prozent noch am ehesten mit einem üblichen Lagerbier vergleichbar, Benno entwickelt mit 6,9 Prozent schon spürbar mehr alkoholische Wirkung. Und das schwarze Starkbier Gregorius will bei 10,5 Prozent Alkoholanteil mit großer Behutsamkeit genossen werden. Für 3000 Liter Gregorius kommen übrigens 80 Liter klostereigener Bienenhonig statt Zucker zum Einsatz.

Die gern zitierte Geschmacksexplosion beim Genuss von Starkbier stellt sich tatsächlich ein: Der erste Schluck Gregorius erinnert an flüssige Lakritze, dann breitet sich nachhaltig die Süße des Honigs im Mund aus. Vollends überraschend endet dann die neue Bier-Bekanntschaft mit einer plötzlich aufsteigenden perlenden Frische, die man für gewöhnlich mit jedem Bier verbindet, hier aber nicht mehr auf der Rechnung hatte. Für eher weltlich orientierte Pils- und Lagerbiertrinker ist das gewöhnungsbedürftig, aber auf sehr angenehme und horizonterweiternde Weise.

Trotz der für ein Kloster extrem jungen Braugeschichte ist das Bier aus Engelszell regelmäßig ausverkauft, als Export in alle Welt. Und das ist auch notwendig. "Vor Kurzem musste das Dach des Konventgebäudes erneuert werden", erklärt Hofer. "Das kostete 200 000 Euro. Das Stift lebt vom Alkoholverkauf. Ohne den hätten wir schon zusperren müssen." 30 000 Liter Likör gehen hier jährlich weg, die Hälfte davon fällt allein auf den Verkaufsschlager "Engelszeller Magenbitter".

Bier zur Vesper

In Engelszell lässt sich gut beobachten, wie das Weltliche und das Weltabgeschiedene sich am Ende doch immer wieder auf das Schönste verbinden lassen. Auch Werner Hofer selbst ist ein Beispiel. Im Jahr 2009 wurde der ausgebildete Diakon, der zwei Kinder großzog und für das Versandhaus Quelle im Verkauf arbeitete, arbeitslos. Da rief ihn in Abt Marianus an und fragte: Willst du nicht für das Kloster arbeiten? Ein Geschenk des Himmels sei das für ihn gewesen.

Drei Jahre später kam dann das Bier. Zugegeben: Es ist auch nach dem Besuch hier eine seltsame Vorstellung, dass die ernst dreinblickenden, schweigenden Männer, die sich von halb sechs morgens an sechsmal am Tag zum Gebet zusammenfinden, an einem Ort leben, wo die klassischen Schmiermittel bürgerlicher Kommunikation auf den Weg gebracht werden, Bier und Schnaps. Wie das wohl zusammenpasst, wenn die Männer schweigend bei der Abendvesper sitzen und sich nach dem letzten Gebet um 20 Uhr auf ihre Zimmer zurückziehen, wo sie ohne jeden persönlichen Besitz früh den Tag beschließen?

Nun, Abt Marianus, ein freundlicher und zugewandter Mann, der erstaunlich redegewandt ist, wenn man bedenkt, wie wichtig das Schweigen an diesem Ort ist, sieht in alledem keinen Widerspruch. In Maßen genossen sei der Konsum von Alkohol kein Problem. "Er darf halt nicht bestimmend für das Leben und unsere Stimmung werden." Außerdem habe Bier in der Fastenzeit ja früher zum Leben der Mönche gehört. Deswegen sind natürlich auch die frommen Männer von Engelszell nicht vom Biergenuss ausgeschlossen. An allen Sonn- und Feiertagen gibt es zur Vesper eine Flasche für jeden.

© SZ vom 11.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Szene München
:"Lasst uns eine Bar aufmachen!"

Erstaunlich viele Freundeskreise kommen - nach ein, zwei, zehn Drinks - auf die gleiche wirklich gute Idee. Nüchtern betrachtet nicht so klug? Ach was.

Kolumne von Elisa Britzelmeier

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: