Rezept:Beim Holzhacken trinkt der Hipster "Switchel"

Lesezeit: 3 Min.

Ein Erfrischungsgetränk mit Essig? Klingt ungenießbar, schmeckt aber köstlich. Und mit Gin hat "Switchel" sogar das Zeug zum Sommerdrink 2017.

Von Johanna Bruckner, New York

Es gibt Menschen, die schwören, dass der Ursprung des "Switchel"-Hypes nicht in New York (Bundesstaat New York) zu finden ist, sondern in Neuenkirchen (Bundesland Nordrhein-Westfalen). Dort, so die Legende, steht das Erfrischungsgetränk aus Ingwerwasser, Ahornsirup, Apfelessig und Zitronensaft seit Jahrzehnten in den Kühlschränken gesundheitsbewusster Hausfrauen. An dieser Stelle stockt die Überlieferung: Wer beschloss, dass die hausgemachte Limonade das Zeug hat, es aus Neuenkirchen rauszuschaffen? (Klar ist nur: Raus wollen viele.) Wo traf die Hausfrau aus Neuenkirchen auf den Hipster aus Brooklyn? (Ergebnis der Schnittmengenanalyse: im Biosupermarkt.) Und wie viel Gin war im Getränk, als es den Namen "Switchel" bekam?

Angesichts so vieler offener Fragen, könnte es sein, dass die andere Geschichte wahr ist: jene, die von amerikanischen Farmern handelt, die sich im 18. Jahrhundert bei der Heuernte ein Erfrischungsgetränk wünschten, das im Hals so schön brennen möge wie Alkohol. Im Nu war "Switchel" erfunden. Der Begriff lässt sich vermutlich auf den englischen Begriff "swizzle" zurückführen, was passenderweise "Bauernfängerei" heißt. Von den Feldern in Neuengland ist der Weg nach New York ungleich kürzer. Zumal sich in dieser Stadt kaum etwas so gut verkauft wie ländliche Lebensstilanleihen. Wenn junge Urbanisten am Wochenende das gute Karoflanellhemd aus dem Schrank holen und in Downtown Brooklyn lernen, wie man Holz hackt, dann wird zur Erfrischung "Switchel" gereicht.

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Das Getränk soll ein wahres Gesundheitselixir sein: Es hilft angeblich gegen Entzündungen und Hautunreinheiten, stärkt das Immunsystem, beruhigt den Magen und füllt den Elektrolythaushalt wieder auf. Ein gewisser Dr. Axe schreibt "Switchel" das Potenzial zu, zum "neuen Kombucha oder Kwas" der Hipster werden zu können. Auch wenn die medizinische Qualifikation des Doktors dubios erscheint: Der Mann sieht so gesund und blond aus wie der Junge auf der Zwieback-Schachtel und führt nach eigener Aussage eine der zehn meistbesuchten Webseiten für natürliche Gesundheit. Er wird schon wissen, wovon er spricht. Höchste Zeit also für einen "Switchel"-Test.

Test 1: Gekaufter "Swichtel"

Up Mountain Switchel Up Mountain Switchel (Foto: Johanna Bruckner)

Eine gewisse körperliche Anstrengung - siehe Feldarbeit und Axtschwingen - gehört zum Genussnarrativ. Insofern passt es, dass die "Swichtel"-Suche in New York mit einem Schneesturm beginnt. Der Wind peitscht die Flocken wie Nadeln gegen die Backen, die Kälte dringt durch Reisverschlüsse und Strickmaschen. Wo ist ein Flanellhemd, wenn man eines braucht? Laden eins verspricht einen schnellen Abschluss des unerquicklichen Unterfangens: Nirgends ist die Hipster-Dichte höher als bei Whole Foods, einer gehobenen Bio-Supermarktkette. Hier gibt es jede Menge Lifestyle-Drinks mit Ingwer und diverse Essig-haltige Getränkemischungen. Aber "Switchel"? Die freundliche Mitarbeiterin lässt googeln, spricht in ihr Walkie-Talkie und verneint.

Laden zwei, ein asiatischer Supermarkt, hatte mal "Switchel", aber nicht genug Kunden, die "Switchel" kaufen wollten. Laden drei winkt sofort ab, aber wenigstens kann man sich vor dem Kühlregal mit den Getränken ein bisschen aufwärmen. Die Lösung liegt am Ende, wie so oft, sehr nahe: Der Supermarkt direkt ums Eck der eigenen Wohnung führt "Up Mountain Switchel". Weil die Berge von Vermont zwar gut für die Geschichte sind, aber ungünstig fürs Geschäftemachen, produziert die Manufaktur mittlerweile außerhalb von Brooklyn.

Erster Schluck? Schmeckt muffig.

Zweiter Schluck? Ahornsirup: zu dominant. Ingwer: too little, too late. Apfelessig: Apfelessig?

Preis-/Leistungsverhältnis: unverhältnismäßig. Ein halber Liter kostet umgerechnet etwa 6,50 Euro. Dazu kommen drei Stunden Lebenszeit und ein Paar gute Lederhandschuhe, die in der Subway liegengeblieben sind.

Fazit? Bauernfängerei.

Test 2: Selbstgemachter "Switchel" (Rezept nach Dr. Axe)

Macht sich gut auf Holzböden und anderen urigen Untergründen: selbstgemachter Switchel. (Foto: Johanna Bruckner)

Zutaten:

1 Tasse geschälter und grob zerkleinerter Ingwer

¾ Tasse Ahornsirup (alternativ: unbehandelter Honig)

½ Tasse Apfelessig

⅔ Tasse Zitronensaft

5-6 Tassen Wasser

Das Wasser mit den Ingwer-Stücken erhitzen. Zwei Minuten kochen, dann von der Flamme nehmen und 20 Minuten ziehen lassen. Ahornsirup mit Essig und Zitronensaft in eine Karaffe geben und verrühren. Ingwerwasser durch ein Sieb dazu gießen. Umrühren - fertig. Kann warm oder "on the rocks" serviert werden.

Erster Schluck? Köstlich.

Zweiter Schluck? So köstlich. Erfrischend, nicht zu süß, und brennt tatsächlich angenehm in der Kehle!

Preis-/Leistungsverhältnis: Das meiste hat man ohnehin im Haus. Wer doch einkaufen gehen muss, zahlt für die Herstellung von einem Liter "Switchel" weniger als sieben Euro. Der Überraschungseffekt, dass ein essighaltiges Getränk hervorragend schmecken kann, ist ohnehin unbezahlbar.

Fazit? Wie, schon leer?

Test drei: Selbstgemachter "Switchel" mit Gin (Idee von Dr. Axe)

Erster Schluck? Endlich wieder warm.

Zweiter Schluck? Und es wird immer wärmer.

Preis-/Leistungsverhältnis: Kann man Glückseligkeit wirklich berechnen?

Fazit? Sommerdrink 2017 bis 2043. Mindestens. Auf Sie, Dr. Axe!

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