Kolumne "In aller Munde":Das Dinner "am" All

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In dieser Raumkapsel soll das Essen stattfinden. (Foto: Space Perspective)

Der Däne Rasmus Munk will als erster Koch ein Menü in der Stratosphäre servieren. Der Plan ist der Wahnsinn.

Von Kathrin Hollmer

Wenn ein Sternerestaurant in einem Raumschiff für eine exklusive Gruppe Weltraum-Touris aufkochen will, klar, da bleibt die Häme nicht lange aus. Ist es Satire? Ein verfrühter Aprilscherz? Einfach nur abgehoben oder komplett bescheuert? Seit der Kopenhagener Koch Rasmus Munk vom Zweisternelokal "Alchemist" vor einigen Tagen per Mail und in einem Instagram-Post verkündet hat, ab 2025 das "erste stratosphärische Speiseerlebnis am Rande des Weltraums" anzubieten, reißen die Kommentare jedenfalls nicht ab.

Zunächst: Die gut 30 Kilometer Höhe, auf die der Weltraumballon mit den Gästen steigen soll, als "Rand des Weltraums" zu bezeichnen, ist - gewagt. Auf der Höhe befindet sich gerade mal die Stratosphäre, die zweite von fünf Schichten der Erdatmosphäre. Der Rest der Ankündigung ist ernst gemeint, vielleicht sogar konsequent: Das norwegische Restaurant "Under" bewirtet seine Gäste fünfeinhalb Meter unter dem Meeresspiegel - in einem Unterwasser-Aquarium. Im "Eatrenalin" im Europapark Rust dinieren die Gäste auf selbstfahrenden Stühlen und landen dabei virtuell auf dem Mond. In dieser Logik geht das "Alchemist" einfach noch einen Schritt weiter.

Mit dem Weltraumreiseanbieter Space-VIP und dem Unternehmen für "kohlenstoffneutrale Raumfahrterlebnisse" Space Perspective will das Restaurant nächstes Jahr sechs Passagiere in der Stratosphäre bewirten. In einem Weltraumballon sollen sie beim Essen den Sonnenaufgang über der Erdkrümmung beobachten. Der Preis für das sechsstündige Erlebnis: ab 495 000 Dollar. Noch dieses Jahr will Space Perspective mit privaten Reisen im Ballon starten, zunächst für 125 000 Dollar pro Ticket, die vollausgestattete Bar ist inklusive.

Influencer bewerben sich bereits um Tickets

Immerhin, das Raumschiff Neptune soll kohlenstoffneutral betrieben sein. Der Erlös des fliegenden "Alchemist"-Dinners soll an eine Stiftung zur Förderung der Gleichberechtigung in Wissenschaft und Technik gehen. Und über den Dresscode muss man sich auch keine Gedanken machen, das französische Modehaus Ogier entwirft maßgeschneiderte Outfits für die "Mission".

Nun kommt bei der Eventgastronomie das Essen meist zu kurz. Bei einem Zweisternerestaurant, das 2023 unter die fünf besten Restaurants der Welt gewählt wurde, sind die Erwartungen trotzdem hoch. Über Details ist noch nichts bekannt, nur dass die Gerichte von der "Rolle der Weltraumforschung in den letzten 60 Jahren der Menschheitsgeschichte inspiriert" sein und zum Nachdenken anregen sollen über die Rolle der Menschheit beim Schutz unseres Planeten. Oha. Doch mit Pathos kennt man sich im "Alchemist" bestens aus. Seit seiner Eröffnung vor neun Jahren machte das Restaurant regelmäßig Schlagzeilen: 40 bis 50 Gänge, inszeniert als Drama in mehreren "Akten". Zum Unterhaltungsprogramm gehörten bereits Projektionen von Plastiktüten, die im Meer schwimmen und ein Organspende-Aufruf.

Jahrelang konnten die Menüs in Spitzenrestaurants nicht exklusiv und teuer genug sein, zuletzt aber teilte sich die Szene immer mehr. In Restaurants, die künftig alles einfacher, günstiger und zugänglicher machen wollen wie das Berliner "Nobelhart & Schmutzig", das ab April sechs größere Gänge für 115 Euro statt zehn kleinere für 195 Euro anbietet. Und eben in solche, die mental auf dem Weg zum Mars sind. Ob Raumschiffe die Sternegastronomie aus der Krise bringen? Die ersten Initiativbewerbungen von Influencern gehen auf Instagram schon ein bei Rasmus Munk vom "Alchemist". Nur wollen die meistens ja nichts bezahlen.

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