Design:Wandelbar

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Der Raum im Raum: Mit einem Paravent bekommt man Bild und Möbel in einem und schafft zumindest optisch Platz, wo man ihn gerade braucht.

Von Julia Rothhaas

Fast ohnmächtig vor Glück: So hat Gabrielle Chanel genannt Coco den Moment beschrieben, in dem sie das erste Mal einen Coromandel-Paravent sah. Ein exotisch bemalter Trenner war dann auch der erste Luxusgegenstand, den sich die junge Frau selbst kaufte, später wurde sie zur Sammlerin dieser Wandschirme, die zwar aus China stammen, aber nach der Küste im Südosten Indiens benannt sind. Zarte Blüten, klare Seen, kunstvolle Pagoden und Szenen aus dem Leben am Hofe chinesischer Kaiser: All das konnte Coco vom Sofa ihres Appartements in der 31 Rue Cambon in Paris bewundern - veredelt mit einer anspruchsvollen Lacktechnik, für die mehrere Lagen aufgetragen werden, um sie dann mit filigranen Schnitzmustern zu verzieren.

Ganz so aufwendig sind die meisten Paravent-Modelle heute zwar nicht mehr gearbeitet, dennoch halten sie sich bis heute auch jenseits der Rue Cambon als bewährtes Multitalent - und das mehr denn je seit Beginn der Pandemie. Gemeint sind damit nicht die Plexiglasscheiben und Trenner in Wahlkabinen-Optik, die in Praxen, Geschäften, Büros eingezogen sind, um uns voneinander fernzuhalten. Sondern mit Stoff bespannte Paneele und bunt leuchtende Objekte, die unser Zuhause optisch entzerren - als Bild und Möbel in einem.

Der Paravent deutet die Raumtrennung nur an

Paravents schaffen den Raum im Raum, selbst wenn da keiner ist. Sie trennen das Home-Office vom Sofa und die Schule vom Kinderzimmer. Damit der Paravent wirkt, muss er nicht mitten im Zimmer stehen und somit im Weg, das wirkt oft viel zu plump. Es reicht, wenn er die Raumtrennung andeutet als Mischwesen zwischen Offenheit und Abgrenzung. Und wenn er wirklich nervt, wird er ruckzuck eben zusammengeklappt.

Auf chinesische Landschaften muss dabei niemand gucken, wenn er nicht will. Ob Vanille, Koralle oder Salbei: Den Paravent Lola von der Firma Schönbuch etwa stellt man sich selbst in den Farben zusammen, die einem am besten gefallen. Mit bis zu fünf Paneelen in Matt oder Hochglanz bekommt man so ein Unikum, das sich zusätzlich gestalten lässt durch Haken, Spiegel oder Ablagen auf unterschiedlichen Höhen. Das Modell Josef von Designer Antoine Simonin für die österreichischen Möbelwerkstätten Wittmann wiederum soll an die Wiener Moderne erinnern. Auf den vier Stellelementen werden unterschiedliche Farben und Materialien zur Collage: Stoff und Leder, unifarben und gestreift - und damit auf jeden Fall ein Hingucker.

Optisch besonders außergewöhnlich ist der 330 Paravento Balla von Cassina, der auf einer Skizze des Künstlers Giacomo Balla beruht: Die drei Paneele leuchten in Gelb und Grün auf orangenem Untergrund oder in Blau und Grün auf Weiß. Ebenfalls außergewöhnlich dürfte für dieses Stück, das mit einer fortlaufenden Nummerierung und Ballas Signatur versehen ist, jedoch der Preis sein.

Weniger bunt: die Softwall von Stephanie Forsythe und Todd MacAllen. Das modulare System aus festem Kraftpapier lässt sich wie eine Ziehharmonika dort auseinanderziehen, wo es gerade gebraucht wird - und das sogar zimmerhoch. Und gleich dreimal klug ist der Paravent von Christophe Marchand für das schwedische Unternehmen Ann Idstein. Zum einen bestehen die Paneele, die mit einer Kordel wie ein Spiralblock miteinander verbunden sind, aus Filzlamellen, die aus recycelten Plastikflaschen hergestellt werden. Das Material in Hellgrau oder Anthrazit fängt zudem Geräusche ab und dämpft etwa Telefonate im Raum. Und wenn man am Abend sein Büro optisch wieder verkleinern will, lassen sich die weichen Wände einfach zusammenschieben, ohne Kratzer auf dem Boden zu hinterlassen.

Das Beste an den Paravents, die jetzt unser Zuhause teilen, kommt aber erst noch. Dann nämlich, wenn unser Besuch irgendwann wieder bedenkenfrei über Nacht bleiben kann, weil der Abend nach der langen Zeit des Nichtmiteinanders einfach viel zu schön ist für einen Abschied. Dann schafft man mit dem Wandelement mitten im Wohnzimmer im Nu ein Gästezimmer.

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