Fashionindustrie:Mode zum Mieten

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"Leihen statt kaufen" soll mehr Nachhaltigkeit in die Mode bringen. Jetzt steigt sogar Levi's in Kooperation mit dem dänischen Label Ganni ins Mietgeschäft ein. Aber wollen das die Kunden?

Von Silke Wichert

Klingt erst mal arg antizyklisch: Mitten in der Corona-Pandemie launcht Levi's zusammen mit dem dänischen Label Ganni eine "Rental-only"-Kollektion. Jeans-Teile, die einem nie ganz gehören, sondern von vielen "geliebt" werden und von Kunde zu Kunde wandern sollen. Hoch promiskuitive Mode also, die so gar nicht zu den aktuellen Distanzregeln und Vorsichtsmaßnahmen passen will.

Andererseits könnte der Moment für so ein Projekt nicht besser sein. Denn wer es nicht schon vorher wusste, hat spätestens im Lockdown festgestellt, dass da ganz schön viel Zeug in seinem Kleiderschrank lagert, von dem man in der alten wie neuen Realität nur einen Bruchteil wirklich "braucht". Das eigene Nachdenken über mehr Nachhaltigkeit in Bezug auf Mode wurde sogar noch durch die Branche selbst befeuert, die angesichts verwaister Läden, aber voller Lager bisweilen zähneknirschend zugab, dass sich womöglich wirklich etwas ändern müsse. Gerade jedenfalls ist alles gefragt, was weniger Abfall und weniger schlechtes Gewissen hinterlässt.

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Genau darauf zielt die neue Ganni-x-Levi's-Kollektion ab. Wer die Patchwork-Jeans, das Denim-Hemd oder -Kleid bestellt, kann ein topaktuelles Designerteil tragen, ohne dafür den persönlichen Klamottenberg noch weiter in die Höhe zu treiben. Nach einer, zwei oder maximal drei Wochen geht die Leihgabe einfach zurück zum Hersteller und macht dann weiter die Runde, ganz im Sinne der modernen "Sharing Economy".

Günstiger ist der Spaß obendrein, zumindest ist ein bisschen Jeans so schon von 45 Euro an zu haben, würde man sie kaufen, müsste man etwa 300 Euro ausgeben. Verschickt wird jedes Teil in recycelter, wiederverwendbarer Verpackung, nach Gebrauch, wie es heißt, besonders umweltschonend gereinigt und - bevor es zum nächsten Kunden geht - 72 Stunden zwischengelagert. Kleiderquarantäne in Zeiten von Corona, auch daran wurde natürlich gedacht.

Denimstoff ist nicht klimafreundlich

Das Konzept an sich ist keineswegs neu. Das holländische Label Mud Jeans bietet bereits seit 2013 Jeans-Leasing an. Der Gründer Bert van Son wollte damit das Geschäftsmodell mit Autos oder Waschmaschinen kopieren, die lediglich zur Nutzung zur Verfügung gestellt werden, danach jedoch immer wieder "in ihre Wiege" zurückkehren, um möglichst viele der wertvollen Rohstoffe wiederverwerten zu können. Gerade Denimstoff ist in der Herstellung besonders energie- und wasserintensiv, mittlerweile bestehen Mud Jeans immerhin bis zu vierzig Prozent aus recyceltem Material und können klimaneutral produziert werden.

In den vergangenen Jahren sind vor allem in Amerika zahlreiche komplette Kleiderverleih-Services entstanden. Allen voran Rent the Runway, das zwar durch die aktuelle Krise leidet und angekündigt hat, sämtliche stationäre Läden zu schließen, trotzdem aber noch mit rund einer Milliarde Dollar bewertet wird. Denn immer mehr Leute glauben daran, unseren ständigen Hunger auf Neues in Zukunft nicht mit Besitz, sondern mit "Zugang" stillen zu können.

Ganni führte bereits vergangenen Sommer eine eigene "Rental"-Plattform in seiner Heimat Dänemark ein. Ganni Repeat, die nach eigenen Angaben sehr gut angenommen wurde. Aber bei diesem Label funktionierte in den vergangenen Jahren ohnehin so ziemlich alles. Die verspielten, mädchenhaften Entwürfe der Gründerin Ditte Reffstrup haben mittlerweile eine solche Fangemeinde, dass sie nicht nur bei großen Online-Stores zu den Bestsellern gehören, sondern selbst auf der Secondhand-Plattform Vestiaire Collective zu einem der gefragtesten Label avancierten.

Wollen das die Kunden?

Dass ein Riese wie Levi's sich mit einem vergleichsweise kleinen dänischen Label zusammentut, ist ein hübscher Coup für Ganni. Gleichzeitig steigt mit der amerikanischen Jeansmarke der bislang größte Player ins Verleihgeschäft ein, was wiederum für Levi's ein guter Imageeffekt ist, aber darüber hinaus ein wichtiges Signal sendet. Die Kooperation soll langfristig angelegt sein. Weitere große Marken könnten nachziehen und das Modell endgültig auch in Europa massentauglich machen. Vergangene Woche kündigte bereits der bekannte Londoner Departmentstore Selfridges an, eine bestimmte Auswahl von rund vierzig Marken für bis zu zwanzig Tage online verleihen zu wollen, um die "Rental Revolution" zu unterstützen.

Inwiefern das Prozedere mit all dem Hin- und Herschicken und dem immensen Reinigungsaufwand wirklich umweltfreundlicher ist, wie hoch am Ende der Schwund durch beim Tragen beschädigte Kleider sein wird, bleibt abzuwarten. Zumindest die Tragefrequenz und der Lebenszyklus eines einzelnen Teils dürften sich durch multiple Nutzer deutlich erhöhen.

Und langfristig könnten sich Kunden vielleicht tatsächlich mit der Idee anfreunden, nur noch eine Basisausstattung zu besitzen und alles andere dazuzuleihen. In Zeiten von Social Media, in denen junge Konsumenten in Umfragen angeben, einmal gepostet sei ein Look quasi "verbrannt", wäre das zumindest eine logische Konsequenz. Der ganz große Kleiderschrank, bei dem sich alle bedienen.

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