Wichtig sei, dass jeder in der Familie einen eigenen Bereich habe, sagt Stiller. Der müsse gar nicht besonders groß sein - und die Raumaufteilung könne sich öfter mal verändern. "Eltern können für eine bestimmte Zeit auch mit einer Schlafnische gut auskommen, wenn die Kinder mehr Platz brauchen." Wenn sie älter werden und immer weniger zu Hause sind, könne die Aufteilung neu überdacht werden.
Natürlich kann man der Enge auch mit einem Umzug begegnen. Aber vor allem in den Großstädten sind die Mietpreise schmerzhaft geworden, da bleiben viele lieber dort, wo sie schon sind und versuchen, sich mit dem begrenzten Raum zu arrangieren. Stiller findet das gut. "Es hat viele Vorteile, in der gewohnten Umgebung zu bleiben", findet sie. Man kenne die umliegenden Geschäfte und die Nachbarn, auch die Kinder könnten in der gewohnten Umgebung bleiben. Zudem sei ohnedies nicht gesagt, dass ein Umzug in ein größeres Heim auch bedeute, dass sich die Platzprobleme erledigen würden. "Ob man genügend Platz hat oder nicht, dafür spielt die Quadratmeterzahl nur eine untergeordnete Rolle", glaubt Stiller.
Wer an den Bedürfnissen der Familie vorbei einrichte, stehe bald wieder vor dem alten Dilemma.
Tatsächlich hat sich auch die Vorstellung davon, was "genügend Platz" bedeutet, verändert. Im Durchschnitt bewohnt heute jeder Mensch in Deutschland ungefähr 46,5 Quadratmeter. Vor 25 Jahren waren es noch 35 Quadratmeter, also deutlich weniger. Hinzu kommt: Viele der Dinge, welche die meisten Menschen besitzen, benötigen heute viel weniger Platz als in früheren Tagen. Statt sich das Wohnzimmer mit einem Röhrenfernseher vollzustellen, hängt ein Flachbildschirm an der Wand. Statt DVDs und CDs in meterhohen Regalen zu sammeln, streamen immer mehr Menschen Filme und Musik aus dem Internet. Wer möchte, kann das wandfüllende Bücherregal durch ein kaum 15 mal 20 Zentimeter großes Gerät ersetzen. Wieso also haben wir so viel Zeug?
In einer Stadt wie Tokio zum Beispiel erreichen die Mietpreise noch ganz andere Dimensionen als in Deutschland. Das hat den Trend zu Mikroapartments verstärkt. In Japans Hauptstadt leben die Menschen im Schnitt auf weniger als 15 Quadratmetern. Das klingt nach einem Albtraumszenario - aber es ist eigentlich ein guter Anlass, einmal über die eigenen Platzbedürfnisse nachzudenken. Und über die Frage, wofür man diesen Platz wirklich opfern will.
"Entrümpeln sollte immer der erste Schritt sein, wenn man in der Wohnung etwas verändern will", sagt Sabine Stiller. Das löst nach ihrer Erfahrung oft schon einen beachtlichen Teil des Problems. Allerdings fällt es vielen Menschen schwer, sich von Dingen zu trennen, selbst wenn sie sie schon Jahre oder Jahrzehnte nicht mehr benutzen. Psychologen erklären das gerne damit, dass sich das Wertegerüst im Kopf nicht so schnell verändert hat wie die wirtschaftliche Wirklichkeit: Früher waren viele Güter knapp, da konnte es tatsächlich ein Vorteil sein, so viel wie möglich zu horten. Heute heißt die Geißel in den Industrieländern nicht Mangel, sondern Überfluss - und oft ist der wahre Luxus eine leere Schublade.
Wer sich also von Überflüssigem getrennt hat, kann sich überlegen, wo für das Übriggebliebene Platz sein soll - und die Expertin empfiehlt, beim Bemessen von Stauraum großzügig vorzugehen: "Es ist viel besser, in einem kleinen Zimmer zu sitzen, in dem man sich wohlfühlt, als in einem großen Raum voller Chaos." Stiller teilt deshalb in Zimmern gerne Bereiche ab, die als begehbarer Schrank dienen. So stellt sie etwa einen Kleiderschrank mitten in den Raum und trennt den so entstandenen Stauraum mit einem Vorhang oder einer Schiebetür. Die Schrankrückseite wird verkleidet, das Bett kann dann direkt daran geschoben werden. "Die Leute denken oft, es würde einen Raum größer machen, wenn man die Möbel alle an die Wand stellt", sagt sie. Das stimme aber nicht: Bereiche klar zu definieren helfe dabei, die Fläche ideal zu nutzen und sich dabei noch wohlzufühlen. Genauso sei es auch mit der Ordnung selbst: Sie sei erst dann möglich, wenn es ausreichend Aufbewahrungsflächen gebe.
Was übrigens bei der Planung oft vergessen wird: Ein Raum bietet nicht nur in der Fläche Platz, sondern auch in der Höhe - und diesen Platz gilt es zu entdecken. Nicht nur was die Planung von zusätzlichem Stauraum angeht. Wenn es noch Luft nach oben gibt, entstehen für alle anderen Bereiche im Zimmer neue Möglichkeiten: Gerade in Altbauten biete sich oft eine Zwischendecke an, mit deren Hilfe der Schlafbereich nach oben versetzt werden könne. Besonders für Kinder und Jugendliche sei das eine geeignete Lösung. "Die legen keinen Wert darauf, im Bett aufrecht stehen zu können", sagt Stiller. Viele Kinder fühlten sich in kleinen, höhlenartigen Räumen sogar besonders wohl. "Für Kinder haben Raumgrößen eine andere Bedeutung", erklärt Stiller. "Überlegen Sie doch mal, wie klein die sind."