Die Umgebung, in der man aufwächst, ist der Maßstab. Erst wenn Kinder auf andere Kinder treffen, beginnen sie zu vergleichen, abzuwägen. Normal ist, was man kennt. Für einen Jungen im Münchner Osten, vier Jahre alt, ist normal: Mit Mama und Papa in einem Zimmer zu wohnen. Zu dritt auf 25 Quadratmetern.
In München - in einer Stadt, in der so viele klagen, keine Wohnung zu finden, manche aber doch nur nach dem nächsten Altbau suchen, mit Flügeltüren. In der manche zu schnell vergessen, dass Wohnungsnot nicht bedeutet, dass man nicht die Wohnung findet, die man gerne hätte. Sondern überhaupt keine. Vielleicht auch, weil Familien wie diese eher schweigen, weil sie nicht auffallen wollen, wenn die anderen über das Fischgrätenparkett im neuen Wohnzimmer reden. Über welches Parkett sollen sie schon reden, so ohne Wohnzimmer.
550 Euro warm zahlt die Familie. Der Vater arbeitet in einer Fabrik, schneidet Kartons zu, je nach Schichtplan verdient er mal 1400 Euro netto, mal 1700 Euro. Er hätte schon längst einen besseren Job haben können, aber dann hätte er mal am Tag, mal in der Nacht gearbeitet. Er hätte am Tag in der Wohnung schlafen müssen. Und die Mutter, der Sohn?
Die Mutter arbeitet als Haushaltshilfe, einmal die Woche, zehn Euro die Stunde. Wenn sie für den Deutschkurs lernt, geht sie ins Bad, setzt sich auf den Klodeckel und legt den Block auf die Knie. In dem Appartement geht immer nur eines: Spielen. Schlafen. Essen. Immer oder. Nie und.
Sie warten auf eine Sozialwohnung, noch immer, ihr Antrag gilt mittlerweile als "sehr dringlich", Rangstufe Eins. Was nicht heißen soll, das sie hier bald ausziehen könnten.