Mikroapartments:Wohnen im Schuhkarton

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Jede Ecke optimal genutzt: Ein Mikroapartment für Geschäftsleute. (Foto: Pamela Ossola / GBI AG)

Bezahlbarer Wohnraum ist knapp in deutschen Großstädten. Immer mehr Studenten und Pendler entscheiden sich daher für Mikroapartments. Doch zur dauerhaften Bleibe fehlt den modernen Behausungen etwas Entscheidendes.

Von Viktoria Bolmer

Wenn Hannes L. in seinem Bett liegt, weiß er, dass sich die Betten der Nachbarn an genau der gleichen Stelle im Raum befinden. Dass die anderen Bewohner sich auf einem identischen, 90 Zentimeter breiten Modell räkeln. Alle Menschen über, neben und unter ihm sitzen an einem Schreibtisch aus Buchenholz und laufen über einen matschgrauen Linoleumboden. Jede der 350 Wohneinheiten in dem Gebäudekomplex ist gleich groß und hat ein Badezimmer mit WC, Dusche und Waschbecken.

Dabei lebt Hannes nicht in einem Hotel. Sondern in einem sogenannten Mikroapartment. Nachdem der 22-Jährige für sein Masterstudium in München kurzfristig weder ein WG-Zimmer noch eine andere halbwegs bezahlbare Wohnmöglichkeit gefunden hatte, erwies sich diese Unterkunft als die perfekte Lösung. Hier muss Hannes mit niemandem Bad und Küche teilen oder über Putzpläne und aufgegessene Joghurts streiten. Für eine zweite Person wäre es aber auch zu eng: Insgesamt ist der Raum knapp 20 Quadratmeter groß, inklusive Küchenzeile und Bad.

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Anfangs dachte Hannes, mehr brauche er zum Leben nicht - einen Platz zum Schlafen und Essen, einen Fernseher, eine Kochgelegenheit. Dann wurde ihm klar: In das schmale Bett passt tatsächlich nur er alleine, und die Buchenholz-Möbel gingen ihm mit der Zeit zunehmend auf die Nerven. Man kann eben nicht alles haben, vor allem, wenn man aufs Geld schauen muss.

In Deutschlands Großstädten suchen immer mehr Studenten, Singles und Pendler möblierten Wohnraum in zentraler Lage. Seit 1991 ist die Zahl der Ein-Personen-Haushalte von 11,86 Millionen auf 16,88 im Jahr 2015 gestiegen. Die wachsende Nachfrage beantworten Immobilienfirmen mit dem Bau zahlreicher Mikroapartments in Großstädten. Es gibt sie in unterschiedlichen Ausführungen - je nachdem, ob sie den Ansprüchen von Studenten, Geschäftsreisenden oder Berufspendlern genügen sollen.

Ein Student, der sich gerade aus dem Hotel Mama verabschiedet hat, muss sich in einem Mikroapartment kaum umstellen. Er braucht keinen Internetanbieter kontaktieren, er muss weder seinen Fahrradschlauch selbst flicken noch die tropfende Spüle reparieren. Hausmeister- und Fahrradservice sowie alle Nebenkosten sind in der Miete bereits inbegriffen. Im Erdgeschoß des Gebäudes findet der Mieter eine Drogerie und einen Supermarkt. Damit er sich am Abend nicht aus der Komfortzone bewegen muss, wenn die Jogginghose schon angezogen und der stressige Tag in der Uniblibiothek vergessen ist.

Das Konzept der Mikroapartments stammt aus der Hotelerie. Für Geschäftsreisende, die häufig nicht nur zwei Nächte sondern auch mal zwei Monate in einer Stadt verbringen, ist ein Hotelzimmer auf Dauer zu kostspielig - dennoch soll der Standard ähnlich hoch sein. Deshalb nahmen viele Hotels kleine Apartments mit Küchenzeile in ihr Angebot auf. Mit der Zeit haben Immobilienfirmen das Konzept dann auf eigenständige Wohnungen übertragen und ganze Gebäudekomplexe mit Mikroapartments gebaut.

Spezialisiert auf diese Art des Wohnens ist der Immobilienentwickler GBI. Er hat vor allem zwei Zielgruppen im Auge: Studenten und Geschäftsreisende. Weil künftige Mieter bei dem Wort "Mikroapartment" aber möglicherweise Platzangst bekommen, hat das Unternehmen seine Mini-Wohnungen umbenannt: Bei GBI bewohnt man ein sogenanntes "smartment", man ist also besonders clever und nutzt eines der modernsten Wohnkonzepte, die derzeit auf dem Markt zu finden sind.

Im Gegensatz zu den "smartments student" sind die Ausführungen für Geschäftsreisende oder Berufspendler, die "smartments business", größer - zwischen 20 und 45 Quadratmeter. Aber auch luxuriöser: Wenn die Personalleiterin am Abend die Wohnungstür zu ihrem Hamburger Mikroapartment aufschließt und den Raum mit dem Fischgrätenparkett und den edlen Möbeln betritt, wurde der bereits geputzt. Ihre Bluse und der Blazer liegen frisch gereinigt und gebügelt auf dem Bett. Die Kitchenette verfügt über Ceran-Kochfeld, Mikrowelle, Dunstabzugshaube und Geschirrspüler, doch ein Anruf in der Lobby genügt, und der Concierge lässt das beste Sushi der Stadt liefern. Wer hier lebt, bekommt das Rundum-Sorglos-Paket.

Bewohner eines durchschnittlichen deutschen Single-Haushalts haben 70 Quadratmeter Wohnfläche zur Verfügung - eindeutig mehr Platz, als in Mikroapartments vorhanden ist. Deren Bewohner wechseln deutlich häufiger als Mieter größerer Wohnungen. Vor allem, weil die Möglichkeit fehlt, das möblierte Apartment selbst einzurichten und als persönlichen Wohlfühl-Raum zu gestalten. Die Einrichtung als Ausdruck der Persönlichkeit? Fehlanzeige.

Damit sich jemand dauerhaft in einer Wohnung zu Hause fühlt, braucht er aber genau das: den Lieblingssessel in der Ecke, die Wände in individuell ausgewählter Farbe. Die Kollegen am Mittwoch zu einem Feierabendbier nach Hause einladen? Undenkbar, dazu ist das Apartment viel zu klein. "Damit wir uns wohlfühlen in einer Wohnung, müssen wir den Raum aber auch mit anderen Menschen teilen können", sagt die Wohnforscherin Antje Flade. Wer in einem Mikroapartment lebe, halte es dort meist nur aus, wenn er noch einen anderen, geräumigeren Wohnsitz zur Verfügung habe. Bei Studenten sei das etwa das Wohnhaus der Eltern, bei Pendlern und Geschäftsreisenden die größere Wohnung in einer anderen Stadt oder das Haus auf dem Land.

Ein Mikroapartment der Kategorie "smartment student" des Immobilienentwicklers GBI in Mainz. (Foto: Stefan Albrecht / GBI AG)

Für die meisten potentiellen Bewohner ist trotz der Nachteile die bezahlbare Miete das überzeugende Argument. Ein "smartments student"-Apartment in Berlin kostet im Schnitt 450 Euro pro Monat, in Frankfurt oder Köln 490 Euro. Da alle Nebenkosten und Serviceleistungen bereits inbegriffen sind, entspricht das in etwa der Miete für ein WG-Zimmer. Die Mikroapartments für Geschäftsreisende werden häufig für einen kürzeren Zeitraum benötigt, der Preis wird deshalb pro Nacht berechnet. In München etwa zahlt um die 79 Euro, wer es sich am Abend auf dem großen Doppelbett vor dem Flatscreen gemütlich machen möchte. Ab einer Dauer von einem Monat wird es günstiger - ein Studio ist bereits für 57 Euro zu haben.

Damit ist ein Mikroapartment günstiger als viele Hotels mit vergleichbarem Standard. "Gerade in einer Stadt wie München mit seiner extrem angespannten Wohnsituation ist ein Zimmerangebot von bis zu einem halben Jahr ein wichtiges Element der Personalpolitik von Unternehmen", sagt Michael Blind, Geschäftsführer der GBI. Wenn ein Mitarbeiter also schon die nächsten drei Monate ein Projekt in einer anderen Stadt betreuen muss, soll er sich über die Wohnsituation keine Gedanken machen müssen - genau so wenig wie über schmutzige Wäsche.

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