Der perfekte Kaiserschmarrn? So schwierig sei das doch nicht, meint Florian Guggenbichler. "Das Einzige, was man wirklich falsch machen kann, ist eine Fertigpackung zu kaufen".
Guggenbichler hat leicht reden. Als Küchenchef der Klosterschänke Dietramszell nahe München ist er Experte für Mehlspeisen. Deshalb hat man sich ja mit ihm verabredet. Und natürlich können Köche, die Schmarrn für einfach halten, selten erklären, warum er dann überall anders gerät. Warum die Qualität so schwankt. Wenige Gerichte vermögen (nicht nur in Bayern und Österreich) eine Tafelrunde so zu begeistern wie ein sehr guter Kaiserschmarrn. Ein solcher ist nie leicht, aber immer locker, stets süß aber nie kratzig, mit eher feinen als dominanten Röstaromen. Wie aber kriegt man das hin? Im Laufe dieses Tages wird klar, dass es für das Gelingen natürlich doch ein paar Kniffe gibt.
Es ist Mittwoch und damit Schmarrntag in der Klosterschänke. Bis zu 40 Liter Schmarrn-Teig wird Guggenbichler heute herstellen. Die klassische Version mit Rosinen und Zucker nennt sich hier "Omas Kaiser-Schmarrn", "den besten Schmarrn macht doch immer die eigene Oma", meint Guggenbichler. Dazu stehen sechs weitere Versionen auf der Karte, etwa mit Sauerkraut oder Pfifferlingen. Viel kommt nicht rein in den Teig, erst Mehl, Milch, ein wenig Salz, kurz vor dem Anbraten noch drei Eier pro Portion. "Wir machen unseren Schmarrn möglichst einfach, lecker ist er trotzdem", sagt Guggenbichler, während er den Teig in die zischende Pfanne gießt.
Auch für die bayerische Koch-Institution Alfons Schuhbeck, den man bei Mehlspeisen unbedingt konsultieren sollte, ist Kaiserschmarrn vor allem bodenständig: "Perfekter Schmarrn besteht aus wenigen Zutaten, und die hat man eigentlich immer zu Hause." Ach, wenn es denn so simpel wäre! In Schuhbecks Kaiserschmarrn gehören dann natürlich doch viele aufwertende Zutaten: das Mark einer Vanilleschote, etwas Rum, braune Butter und geriebene Zitronenschale. Das eigentlich Schwierige am Schmarrn sei die richtige Konsistenz, erklärt er: "Ein Kaiserschmarrn muss fluffig sein, nicht zu flach und nicht zu zäh." "Spundig" nennt Guggenbichler einen misslungenen Schmarrn.
Um spundigen Schmarrn zu vermeiden, gibt es einige Tricks: eher mehr Milch als Mehl im Teig, etwas Backpulver zugeben oder das Eiweiß separat aufschlagen und danach untermengen. Guggenbichler verzichtet darauf und nimmt gleich das ganze Ei, das er mit der Gabel unter eine Mehl-Milch-Portion hebt. Falsch sei die Strategie mit dem Eiweiß aber nicht, Schmarrn gehe so leichter auf. Heißt konkret: Schmarrn-Anfänger trennen die Eier, wer sich geübt genug fühlt, kann es gerne ohne Zwischenschritt versuchen.
Wie Franz Mulser, der in der Gostner Schwaige auf der Südtiroler Seiser Alm einen Traum-Schmarrn serviert. Dafür schwört er auf ganze Eier - drei bis vier pro Portion, je nach Größe -, die auf keinen Fall geschlagen, sondern "vorsichtig mit der Gabel untergehoben werden, dass eine schlotzige Masse entsteht". Auch der Fettgehalt der Milch sei wichtig für Konsistenz und Geschmack, "mindestens vier Prozent". Auf der Alm hat er es da leicht, aber wer so fette Milch nicht kriegt, kann frischen Rahm zugeben.
In der Pfanne oder im Ofen? Die Eier trennen oder nicht? Alles Glaubensfragen
Anfänger oder Profi - das ist auch für die nächste Grundsatz-Debatte bei der Schmarrn-Zubereitung wichtig: Soll man den Teig in der Pfanne fertigbacken oder im Ofen hochgehen lassen? Tobi Stegmann, Koch im bayerisch-österreischischen Traditionsgasthaus Zum Sollner Hirschen rät zum Ofen: "In der Pfanne brennt den meisten Leuten der Schmarrn schnell an, im Ofen passiert das nicht." Sobald der Teig an den Rändern anbäckt, gehört die Pfanne deshalb in den Ofen, damit der Schmarrn in Ruhe aufgeht. Franz Mulser dagegen schwört nicht nur auf die Pfanne allein, sondern auch auf Gusseisen und Gas, damit das Ergebnis stimmt.
Beide Varianten kosten Zeit. Mindestens 25 Minuten dauert es, bis der Schmarrn fluffig und knusprig auf dem Teller liegt. Richtig beliebt sei Kaiserschmarrn in der Gastronomie darum nicht, sagt Guggenbichler. Während er in vielen Gaststätten daher nur aufgewärmt serviert wird, hat man in Dietramszell den "Schmarrntag" eingeführt. Anderntags gibt es keinen Kaiserschmarrn, da können die Gäste noch so lange mit der Bedienung diskutieren. Dafür kommen mittwochs viele Stammgäste in die Schänke, die Guggenbichler gemeinsam mit seiner Frau führt.
Nach einer guten Viertelstunde im Ofen ist der Schmarrn schön gebräunt und mehr als doppelt so dick wie vorher. Nun folgt laut Guggenbichler der kritischste Punkt: das Karamellisieren. Bislang ist in der Dietramszeller Variante noch gar kein Zucker drin, umso mehr muss jetzt in die butterschmalzgetränkte Pfanne. "Nie am Zucker sparen", meint Guggenbichler. Auf der Gostner Schwaige in Südtirol schwören sie zum Karamellisieren übrigens auf Muscovado-Zucker, und gern kommt noch (Wiesen-)Safran dran. Am Ende wird alles mit einer Mischung aus Enzian und Apfelgrappa (ersatzweise Calvados) flambiert.
Dabei ist die 600 Gramm schwere Kaiserschmarrn-Portion in Dietramszell auch ohne Zucker und Alkohol schon eine Kalorienbombe. Als solche soll er auch seinen Namen bekommen haben: Der Legende nach erfand einst der Wiener Hof-Patissier von Franz Joseph I. eine Kreation aus Omelettteig und servierte Zwetschgenröster dazu. Die äußerst figurbewusste Kaiserin Elisabeth (Sisi) soll das neue Gericht aber als zu mächtig verschmäht haben, weshalb sich der Kaiser schließlich gegenüber dem Lakaien mit den Worten erbarmte: "Na geb' er mir halt den Schmarrn her, den unser Leopold da wieder z'sammenkocht hat." Gesichert ist das jedoch genauso wenig wie viele andere Anekdoten zum Schmarrn.
Lange war Kaiserschmarrn eher ein Arme-Leute-Essen, eine günstige kirchenkonforme Mehlspeise für Fastentage, die schnell und einfach sättigte. In der Zeit des übersteigerten Gesundheitsbewusstseins, in der monatlich neue Sonderernährungsformen propagiert werden, mag Schmarrn auf manche schon fast anachronistisch wirken. Er muss aber so sein. Eine fett- oder kohlenhydratarme Version? "Das kannst du schon machen, aber dann schmeckt's halt nicht", sagt Guggenbichler.
"Eigentlich ist der Herbst die beste Jahreszeit zum Kaiserschmarrn essen", findet Tobi Stegmann deshalb. "Da ist es noch am längsten hin bis zur nächsten Bikini-Saison". Also: ordentlich Zucker in die Pfanne, Schmarrn mit zwei Gabeln in Stücke reißen und in der Pfanne karamellisieren. Die massige Portion schafft in der Klosterschänke nur jeder zweite Gast, alle anderen bekommen einen Plastikteller, um sich die Reste für den nächsten Tag einzupacken. Kaiserschmarrn-Reste sollte man übrigens nie in den Kühlschrank packen, da wird er nämlich schneller trocken.
Im letzten Schritt lässt sich das Arme-Leute-Essen bei Bedarf noch weiter aufwerten. "Der Schmarrn ist nicht beleidigt, wenn man was dazugibt", meint Schuhbeck. Er empfiehlt Apfelmus oder Aprikosenröster - "am besten etwas, das gerade Saison hat". Sehr viel mehr braucht es bei einem guten Schmarrn aber nicht: Schlagsahne oder Eis wäre zu viel des Guten.
Es gibt also viel zu beachten bei einem Gericht, das angeblich so einfach ist. Etwas Übung brauche man schon, gibt nun auch Stegmann zu. Aber spätestens beim dritten Schmarrn sei man Profi. Und misslungene Versuche seien nicht für die Tonne: "Mehl, Eier und Zucker können zusammen gar nicht schlecht schmecken." Schlimmstenfalls habe man statt Schmarrn einen dickeren Pfannkuchen produziert. Oma hat schließlich auch mal so angefangen.