Rechtskolumne: Darf man das?:So viel Abstand muss sein

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Wie nah darf Haus an Haus stehen? Das ist für den Laien gar nicht so leicht zu berechnen - nicht nur, weil die Regeln sich von Bundesland zu Bundesland unterscheiden, sondern auch, weil es zahlreiche Ausnahmen gibt. (Foto: Imago)

Einfach drauflosbauen - das geht nicht. Der Grundstücksgrenze darf man nicht zu nahe kommen. Die Regeln zu missachten, kann gravierende Folgen haben.

Von Eva Dignös

Die originellste Maßeinheit für den angemessenen Abstand gab es in Corona-Zeiten bei den Nachbarn in Österreich: "So viel wie ein Babyelefant" sollte die infektionsverhindernde Distanz von Mensch zu Mensch betragen. Die Elefanten sind abgezogen, doch auch ohne Viren fühlen sich viele unwohl, wenn man ihnen zu nah auf die Pelle rückt. Abstandsregeln gibt es deshalb auch für Wohngebäude. Mit einem Babyelefanten ist es hier in den meisten Fällen allerdings nicht getan.

"Eine wichtige Funktion der Abstandsflächen ist es, die Privatsphäre und den sozialen Frieden zwischen den Nachbarn zu gewährleisten", sagt Rechtsanwältin Petra Sterner von der Arbeitsgemeinschaft Bau- und Immobilienrecht im Deutschen Anwaltverein. Unbebaute Areale zwischen zwei Häusern dienen außerdem dem Brandschutz und sollen sicherstellen, dass der eine dem anderen nicht Licht und Luft raubt.

Wie viel Platz frei bleiben muss, ist in den Landesbauordnungen geregelt und von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. In der Regel gibt es ein Mindestmaß von zweieinhalb bis drei Metern vom Gebäude bis zur Grundstücksgrenze. Es kann aber auch mehr erforderlich sein, entscheidend ist die Höhe des Hauses. Sie wird mit einem Faktor zwischen 0,25 und 1,0 multipliziert, als Ergebnis erhält man den erforderlichen Abstand. Weil auch die Dachneigung eine Rolle spielt, ebenso die Lage - Großstadt oder Dorf, Wohn- oder Mischgebiet - und weil Gemeinden abweichende Satzungen beschließen dürfen, ist die korrekte Berechnung komplex, "dafür sollte man einen Architekten zu Rate ziehen", sagt Sterner.

Die Fachleute kennen sich auch mit den Ausnahmen aus. Und davon gibt es ähnlich viele wie Berechnungsparameter. Zunächst einmal kann man versuchen, sich mit seinem Nachbarn zu verständigen. Wenn er damit einverstanden ist, darf das Haus näher an die Grenze gesetzt werden, vorausgesetzt, das Bauamt spielt mit. An der Größe der Abstandsflächen ändert sich dadurch allerdings nichts, sie werden nur in Teilen auf des Nachbarn Grund verschoben. Statt drei Meter beiderseits des Zauns sind es dann beispielsweise zwei Meter auf der einen und vier Meter auf der anderen Seite.

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"Das wird in Form einer Baulast im Grundbuch gesichert", sagt Sterner - und habe zur Folge, dass der großzügige Nachbar diese Fläche selbst nicht mehr bebauen dürfe. "Die vorgeschriebenen Abstände sollen schließlich gewahrt bleiben", so die Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht aus Berlin. Meist einigten sich die Nachbarn untereinander auf einen finanziellen Ausgleich.

Nun liegt es im Wesen einer Grenze, dass sie oft genug ein Ort der Überschreitung derselben ist. Sterner rät deshalb, genau hinzuschauen, wenn in der Nachbarschaft gebaut wird. Und rasch tätig zu werden, wenn man den Eindruck hat, dass die vorgeschriebenen Abstände nicht eingehalten werden. "Dann sollte man möglichst schnell Widerspruch einlegen", sagt die Rechtsanwältin.

Stellt sich der Verdacht als begründet heraus, gibt es unterschiedliche Szenarien: Geschah die Grenzüberschreitung weder vorsätzlich noch grob fahrlässig, sondern aus Versehen, muss sie - gegen eine finanzielle Entschädigung - meistens geduldet werden. "Es gibt aber auch Fälle, wo das Gebäude oder Teile davon wieder abgerissen werden müssen", sagt Sterner. Bei nachträglichen Veränderungen am Gebäude müssen die Abstände ebenfalls eingehalten werden, wenn beispielsweise ein Balkon vor die Hauswand gesetzt oder ein Wintergarten angebaut wird.

Je kleiner das Grundstück, umso größer das Bestreben, die mögliche Fläche fürs Haus maximal zu nutzen. Wenn später dann noch eine Wärmedämmung aufgebracht werden soll, kann das die Abstandsfläche verletzen. "Das wird bei Bestandsbauten aber meistens geduldet, auch wenn es noch nicht überall klare Regelungen gibt", merkt Sterner an. Allerdings gibt es oftmals Vorgaben, was die maximale Stärke der Dämmschicht angeht. Deshalb gilt auch hier: Am besten nachfragen, beispielsweise im örtlichen Bauamt.

Und was ist mit der kuscheligen Reihenhaussiedlung, in der sich Haus an Haus schmiegt, ganz ohne Abstand? Bebauungspläne dürfen sich über die Abstandsregeln hinwegsetzen, und gerade in Innenstädten ist es vollkommen üblich, Gebäude dichter nebeneinander zu platzieren. "Die Vorgaben des Bebauungsplans haben immer Vorrang", stellt Sterner fest. Aber auch hier bleibt es sinnvoll zu prüfen, ob sie tatsächlich eingehalten werden, wenn nebenan mit dem Ausschachten begonnen wird.

Was tatsächlich in der Regel unabhängig von Bebauungsplänen und Abstandsverordnungen direkt an die Grundstücksgrenze gebaut werden darf, sind Schuppen und Gartenhäuser, Garagen und Carports, "sofern sie bestimmte Maße nicht überschreiten", betont Petra Sterner. Und wohnen darf darin auf keinen Fall jemand. Kein Mensch und auch kein Babyelefant.

Die Autorin hat etwas gegen Stürme im Wasserglas. (Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))
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