Modekolumne Ladies & Gentlemen:So wird kein Turnschuh draus

Lesezeit: 2 min

(Foto: Balenciaga)

Die Generation X mochte total abgerockte Sneakers, die Millenials liebten fabrikneue. Beide Trends sind angemessen vulgär, teuer und - gerade wieder sehr angesagt, wie die Modelle "Paris" von Balenciaga und "TK-360" von Givenchy zeigen.

Von Jan Kedves und Julia Werner

Für sie: Uralte Nummer

Die Social-Media-Fashion-Bubble schluckt eigentlich alles. Aber nicht Balenciagas neuesten Coup, nämlich Canvas-Turnschuhe im Converse-Stil, die so zerfetzt und verdreckt sind, dass sie eher so aussehen, als kämen sie von der Müllkippe, und nicht aus der Fabrik. Klar, da hat Demna Gvasalia einen wunden Punkt getroffen. Influencer können ja nur das Nigelnagelneue. Dass ein Trenchcoat in ranzig viel besser ist, war in den letzten Jahren nur noch in Frankreich eine Überzeugung. Konsequent also, dass dieser total tolle Müll-Sneaker "Paris" heißt. Kostenpunkt: 1450 Euro. Zugegeben viel für einen zerstörten Schuh. Aber angemessen: Nichts ist unbezahlbarer als die harte Arbeit, die es erfordert, einen Sneaker tragbar, also fleckig, weich und löchrig zu machen - das weiß die Generation X, die das Millenial-Gebaren, Käppis und Sneakers um jeden Preis im Ladenzustand zu erhalten, sowieso komisch lebensfeindlich fand. Was wir früher alles taten, um Chucks oder Caps alt aussehen zu lassen! Wir liefen durch Pfützen, tunkten brandneue Teile in Salzwasser, um sie dann in der Sonne zu bleichen, und standen knietief in Pipi-Schlamm auf Festivals. Wir mussten richtig ran für die gewünschte Scheißegal-Attitude! Weil aber der aktuelle Erschöpfungszustand, den die einen Burnout, die anderen Long Covid nennen, so viel Hingabe nicht mehr zulässt, ist es gut, dass man sie jetzt einfach kaufen kann. Dass das Brandneue damit endlich auch offiziell wieder ein Merkmal des Vulgären ist, freut außerdem alle. Außer Influencer natürlich.

(Foto: Givenchy)

Für ihn: Ganz neue Masche

Wer es logischer findet, Schuhe nicht fertig kaputt zu kaufen (siehe oben), sondern sie noch selbst kaputt zu machen, der bekommt mit dem Sneaker "TK-360" von Givenchy ein herrlich vulgäres Angebot. Dieser neue Herrenschuh - in Frauengrößen gibt es ihn komischerweise gar nicht - verfügt statt einer normalen Gummisohle über eine Synthetik-Stricksohle, beziehungsweise: Die Gummisohle steckt drinnen, draußen wurde komplett von Maschinen um sie herumgestrickt. Das ist fast so, als würde man Schlittschuhlaufen gehen und die dicken Wintersocken nicht in den Schuhen tragen, sondern sie außen über Schuhe und Kufen ziehen. Der Kreativdirektor des Hauses, Matthew M. Williams, ist auch sonst Spezialist für Designideen, die nach Hightech und Funktion aussehen, aber doch eher quatschig sind als cool. Er dachte sich wohl, dass sich mit so einer Stricksohle der allgemeine Trend zum Sneaker mit Strickschaft aus Plastikfäden noch auf die Spitze treiben, beziehungsweise: abrunden ließe. Gemeint ist dieser Look, der immer auch ein bisschen nach Stützstrumpftechnik aussieht, wobei die Bezeichnung "technical mesh" natürlich cooler klingt. Die Website Highsnobiety hat die Schuhe jedenfalls scherzhalber auf der Straße getestet und schreibt, dass man ausrutscht, wenn es naß ist. Überraschung. Nur wenn man aufhört, den "TK-360" überhaupt als Sneaker zu betrachten, funktioniert's: Dann ist diese futuristische Strickpantoffel eine gute Kontoentlastung (750 Euro), perfekt für den chilligen Influencer-Abend zuhause auf Instagram.

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