Zwischenfall in der Fußball-Regionalliga:Ein Wunder? Ein Skandalspiel?

Lesezeit: 3 min

Erst fliegen Böller, dann die Anschuldigungen: Eine durch Fans verursachte Pause in der Regionalliga Bayern beim Spiel zwischen Schweinfurt und Heimstetten hat enorme Folgen. Der Vorfall erinnert an andere Partien, bei denen Fans Einfluss auf den Ausgang eines Spiels nehmen.

Von Johannes Aumüller

In der 85. Minute schien die Sache klar zu sein. Da hatte der 1. FC Schweinfurt im Spiel der Regionalliga Bayern gegen den SV Heimstetten just das 1:3 kassiert, und eine Niederlage wäre ebenso wie ein Remis gleichbedeutend mit dem Abstieg gewesen. In der 90. Minute war die Sache dann wirklich klar - aber anders, als kurz zuvor angenommen. Denn nach drei Schweinfurter Treffern stand es plötzlich 4:3, der Klub darf nun in die Relegation. Direkt absteigen muss stattdessen Bayern Hof.

Die einen freuen sich nun über das "Wunder von Schweinfurt". Die anderen sind empört über all das, was sich in der turbulenten Schlussphase im Willy-Sachs-Stadion ereignet hat. Nach dem Gegentor zum 1:3 zündeten Zuschauer im Schweinfurter Fan-Block China-Böller. Der Schiedsrichter unterbrach deswegen die Partie, die gemäß Statuten zeitgleich mit allen anderen Spielen ausgetragen werden sollte, damit das Ergebnis des einen Spiels nicht den Fortgang anderer Spiele beeinflussen kann.

Drei Treffer binnen fünf Minuten

Just während der Unterbrechung erfuhren die vor dem Spieltag ebenfalls noch nicht definitiv geretteten Gäste aus Heimstetten, dass sie wegen des Ergebnisses bei Bayern II gegen Rosenheim (1:1) selbst bei einer Niederlage nicht mehr absteigen können - entsprechend groß waren Freude und Spannungsabfall; die Kraft war eh schon reduziert, weil sie lange in Unterzahl spielen mussten. Und als die Begegnung nach ein paar Minuten endlich weiterging, gelang es den Schweinfurtern, mit drei Treffern binnen kürzester Zeit die Partie zu drehen und sich so doch noch für die Relegation zu qualifizieren, die am Dienstag gegen Aubstadt beginnt.

Ein Wunder? Ein Skandalspiel? Oder ein Vorgang, wie er in den großen Weiten des Amateurfußballs - und nichts anderes ist die Regionalliga ja, obwohl immer viel von professionellen Strukturen und Ähnlichem die Rede ist - an einem letzten Spieltag dann und wann halt vorkommt?

Fans und ihr konkreter Einfluss auf den Ausgang eines Spiels, das ist ein Phänomen, das in ganz neuer Ausprägung um sich greift. Salzburg etwa im März 2014: RB dominiert das Europa-League-Spiel gegen Basel und führt 1:0, dann erzwingen die Gäste-Fans eine fast viertelstündige Unterbrechung. Basel nutzt das offenkundig, um sich zu sammeln; als die Auszeit vorbei ist, spielt Basel ebenbürtig und gewinnt am Ende sogar.

Oder Dresden im Mai 2014: Im Abstiegsfinale gegen Bielefeld scheint Dynamo nach dem 0:2 in der 63. Minute chancenlos zu sein. Dann kommt es wegen Zuschauer-Ausschreitungen zu einer Spielunterbrechung, und in den Minuten danach gelingt Dresden tatsächlich das 2:2 (was Dynamo letztlich aber doch nicht reichte). Und jetzt also der Ablauf beim Regionalliga-Spiel zwischen Schweinfurt und Heimstetten.

Natürlich war jeder Fall ein Einzelfall, mal war es Absicht, mal ein Versehen, mal das Fehlverhalten eines Einzelnen, mal eine konzertierte Aktion einer größeren Gruppe - und die jeweils betroffenen Klubs distanzierten sich stets deutlich. Und doch bleibt als Eindruck: Ohne die durch Fehlverhalten von Fans entstandenen Spielunterbrechungen wären diese Partien wohl anders ausgegangen.

Einspruch, rechtliche Schritte, vielleicht sogar die Staatsanwaltschaft

In der Causa Schweinfurt/Heimstetten dürfte die Aufregung noch eine Weile anhalten. Denn die SpVgg Bayern Hof, der betroffene Dritte, will umfangreiche (sport-)juristische Schritte einleiten, wie Präsident Reiner Denzler am Sonntag der SZ sagte. Er wittert eine große Verschwörung. Er will gegen die Spielwertung Einspruch einlegen, beim Verband Vorermittlungen wegen möglicher sportwidriger Handlungen beantragen - und vielleicht sogar versuchen, die Staatsanwaltschaft einzuschalten. Besonders im Blickpunkt dürfte die Frage stehen, ob die Spiele, wie von der Satzung gefordert, "zeitgleich ausgetragen" wurden, oder ob nicht eine Partie unverhältnismäßig viel früher oder später angepfiffen wurde.

Dass es ausgerechnet Hof trifft, hat durchaus eine besondere Note. Denn die Oberfranken lieferten sich erst vor ein paar Jahren eine gerichtliche Auseinandersetzung mit dem Verband. Auch damals ging es - welch Zufall - um das Fehlverhalten von Zuschauern. Der BFV hatte Hof nach einem Becherwurf eines Anhängers mit einem Punktabzug und einer Strafzahlung von 1000 Euro sanktioniert. Der Klub zog vors Landgericht und gewann.

Der Verband möchte sich zum aktuellen Fall nicht äußern, in Schweinfurt geben sie sich gelassen. "Ich kann nachvollziehen, dass die sich aufregen, das würden wir vielleicht auch tun", sagt Präsident Markus Wolf. "Aber alle Vorwürfe sind an den Haaren herbeigezogen, und die diskutiere ich auch nicht in der Öffentlichkeit." Seine Mannschaft hat jetzt Wichtigeres zu tun, am Dienstag beginnt ja schon die Relegation. Etwaige Spielunterbrechungen sind dort kein Problem: Andere Partien, die womöglich Einfluss auf den Fortgang des eigenen Spiels haben könnten, gibt es dann nicht.

© SZ vom 26.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: