Zweitliga-Derby in Frankfurt:"Ein bisschen ans Bein pinkeln"

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Jubel, wenn der Nachbar ein Tor schießt? In München oder Hamburg unvorstellbar. In Frankfurt schon. Doch das Derby zwischen dem FSV und der Eintracht droht ein tiefharmonisches zu werden - weil ein Team praktisch chancenlos ist.

Harald Freiberger

Vor drei Wochen spielte der FSV Frankfurt zu Hause gegen den MSV Duisburg. Die Partie endete 0:0, sie war arm an Höhepunkten, wie es gelegentlich vorkommt am Bornheimer Hang. Nur ein einziges Mal jubelten die Zuschauer: Als ein Zwischenergebnis aus Braunschweig eingeblendet wurde, wo Eintracht Frankfurt 3:0 führte.

Erstes Frankfurter Derby seit Jahren, auch für Theofanis Gekas. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Wäre das in einer anderen Stadt vorstellbar? Dass St. Paulis Fans über Tore des HSV jubeln oder 1860-Fans über einen Sieg der Bayern? Kaum, nur in Frankfurt leben die größten Klubs in erstaunlicher Eintracht und Konkurrenzlosigkeit miteinander. Es gibt viele Eintracht-Fans, die am Sonntag auf den Bornheimer Hang gehen und den FSV als ihr Hobby betrachten.

Nach fast einem halben Jahrhundert gibt es nun wieder die Gelegenheit, eine alte, eingeschlafene Feindschaft aufzufrischen. Erstmals seit dem 16. Dezember 1962 treffen die beiden Vereine in einem Spiel aufeinander, in dem es um etwas geht. Damals war es ein Pokalspiel, das die Eintracht 2:1 gewann. Die Punktspiele in derselben Saison entschied sie 4:0 und 5:0 für sich. Danach wurde die Bundesliga gegründet. Die Eintracht schaffte den Aufstieg, der FSV nicht.

Wie wirkt es sich auf das Seelenleben der Stadt aus, dass sich die beiden Klubs nach so langer Zeit wieder auf Augenhöhe begegnen? Horst Trimhold ist 70 Jahre alt und einer der wenigen Fußballer, die für beide Vereine gespielt haben. Von 1963 bis 1966 war er bei der Eintracht, ab 1971 ließ er seine Karriere beim FSV in der Amateurliga ausklingen. "Ich hatte das Angebot, in der Nähe in einer Druckerei als Partner einzusteigen", erzählt er, jeden Tag Training hätte er nicht mehr geschafft.

1972 schoss er das entscheidende Tor zur deutschen Amateurmeisterschaft, ein Titel, der damals noch etwas galt. Erst 1978 machte er sein letztes Spiel. Trimhold ist eine Legende beim FSV, gleich hinter den WM-Teilnehmern von 1954, Stürmer Richard Hermann und Mittelfeldspieler Alfred Pfaff.

Trimhold weiß nicht, zu wem er halten soll, aber er ist sich sicher: "Der FSV hat keine Chance, die Eintracht gewinnt mit 3 oder 4 oder 5:1." Für ihn ist es eher Zufall, dass sich die beiden unterschiedlichen Klubs wieder auf Augenhöhe begegnen. Die einen sind nach einer verheerenden Rückrunde überraschend abgestiegen und haben nur ein Ziel: den sofortigen Wiederaufstieg. Die anderen haben vor drei Jahren den Aufstieg in die zweite Liga geschafft und seitdem nur ein Ziel: nicht abzusteigen. Die einen haben einen Spieler-Etat von 20 Millionen Euro, die anderen ein Viertel davon.

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In den siebziger und achtziger Jahren war der FSV aus dem bezahlten Fußball verschwunden, Anfang der Neunziger stand er vor der Pleite. Dann kam ein Mann, der auch zu einer FSV-Legende wurde, nicht als Spieler, aber als Funktionär. Bernd Reisig stellte den Verein auf eine neue wirtschaftliche Basis, der Wiederaufstieg in die zweite Liga ist vor allem ihm zu verdanken. Im vergangenen Jahr trat er als Geschäftsführer zurück, weil er sich mit der Stadt in einem langen, zähen Streit um den Ausbau des Stadions verkracht hatte.

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Aber Reisig kommt noch zu fast jedem Spiel, und er war auch der einzige, der dem netten Derby so etwas wie Leben einhauchte. "Eintracht-Präsident Heribert Bruchhagen hat noch nie eine Einladung von uns angenommen" schimpfte er, und dann erinnerte er noch an den Fahnenstreit vor drei Jahren, bei dem die Eintracht gezeigt habe, "wie kleinkariert der große Fußball sein kann". Wegen Umbauarbeiten nutzte der FSV damals das Eintracht-Stadion, und diese weigerte sich nach Fan-Protesten, schwarz-blaue Fahnen vor der Arena aufzuhängen.

Solche kleinen Scharmützel blieben aber die Ausnahme, ansonsten gab es über Jahrzehnte wenig Anlass zur Feindschaft, ganz anders als früher. In den Zwanzigern, als der FSV in der Meisterschaft Zweiter wurde, lieferten sich beide Vereine hitzige Derbys mit Zuschauerausschreitungen. Es war der alte Gegensatz zwischen dem bürgerlichen Großstadtverein (Eintracht) und dem Arbeiterklub (FSV). In den Fünzigern lebte die Konkurrenz kurz noch einmal auf. "Danach war einfach zu viel Leerlauf beim FSV", klagt Trimhold.

Der eigentliche Lokalkonkurrent der Eintracht sitzt in Offenbach; bei Treffen der Nachbarstädte kochen die Emotionen hoch. Das Frankfurter Stadtderby dagegen ist für die Polizei eher ein normaler Arbeitstag, auch wenn die Arena mit 51.000 Zuschauern ausverkauft sein dürfte. Der FSV hat Heimrecht, spielt aber in der Eintracht-Arena, weil er da gleich ein Drittel des Spieler-Etats einnehmen kann.

Vizepräsident Wolfgang Kurka gibt den netten Nachbarn: Er wäre froh, der Eintracht "ein bisschen ans Bein pinkeln zu können". Man wolle sich gar nicht mit der großen Eintracht vergleichen. "Ein Punkt wäre das Höchste der Gefühle." Dass man sich jemals wieder in Feindschaft gegenübersteht, kann er sich nicht vorstellen.

© SZ vom 20.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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