Bundestrainer Joachim Löw hat das Vorrunden-Aus bei der Fußball-WM als "absoluten Tiefschlag" bezeichnet. Es gebe nichts zu beschönigen, sagte Löw auf einer Pressekonferenz in München und fügte hinzu: "Wir sind weit unter unseren Möglichkeiten geblieben und haben zu Recht die Quittung dafür bekommen."
Die ersten zwei, drei Tage nach dem Ausscheiden seien von Frust, Niedergeschlagenheit und einer großen Portion Wut geprägt gewesen. Löw trat erstmals seit dem WM-Aus vor die Presse - zum einen für die Präsentation seiner WM-Analyse, zum anderen um das Aufgebot für die anstehenden Länderspiele bekannt zu geben. Am 6. September spielt die Nationalmannschaft in München in der neuen Nationenliga gegen Weltmeister Frankreich, drei Tage später in Sinsheim beim Test gegen Peru. Löw sagte auch, dass der Ballbesitzfußball, den er bevorzuge, ein Problem gewesen sei. Er bezeichnete die Taktik als "allergrößte Fehleinschätzung".
Löw räumt Arroganz bei der WM ein
Und er meinte: "Es war fast schon arrogant. Ich wollte das auf die Spitze treiben und es noch mehr perfektionieren. Ich hätte die Mannschaft vorbereiten müssen so wie es 2014 der Fall war, als es eine Ausgewogenheit gab zwischen Offensive und Defensive." Mesut Özil habe er nach dessen Rücktritt versucht, telefonisch zu erreichen, doch der Ex-Weltmeister vom FC Arsenal sei nicht zu erreichen gewesen - das missfiel dem Coach deutlich. Man habe aber die Wirkung der Fotos mit dem türkischen Präsident Erdogan "absolut unterschätzt".
Mit seinen Rassismus-Vorwürfen gegen den DFB habe Özil überzogen. "In meiner Mannschaft gab es nie einen Ansatz einer rassistischen Äußerung. Wir haben uns immer an Werten orientiert", ergänzte Löw. Zudem berichtete er, dass Özil ihn nicht persönlich über seinen Abschied aus der DFB-Elf unterrichtet habe. Auch DFB-Direktor Oliver Bierhoff wies "den Rassismus-Vorwurf in der Nationalmannschaft und dem DFB klar zurück". Er betonte aber auch: "Eins ist klar: Ein Nationalspieler kann keine Zielscheibe rassistischer Angriffe sein!" Die Art und Weise von Özils Rücktritt "schmerzt uns alle, ihn ja auch", ergänzte Bierhoff.
Löw wie Bierhoff gaben zu, dass die Erdoğan-Fotos bei der WM ein Problem waren. "Wir haben die Situation falsch eingeschätzt", sagte auch Bierhoff. Löw sah die Angelegenheit nach dem gemeinsamen Besuch bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier als erledigt an. "Dieses Thema hat Kraft gekostet, war nervenaufreibend, weil es immer wieder da war", sagte Löw, als Ursache für das WM-Aus sei es aber "nicht entscheidend" gewesen. Von Özils Rücktritt erfuhr er am Tag von dessen Erklärung per Telefon von Özils Berater.
Oliver Bierhoff übte zudem harsche Kritik am Auftritt des DFB-Teams in Russland. "Uns hat die richtige Einstellung gefehlt. Wir sind selbstgefällig aufgetreten, wir haben die Unterstützung der Fans für zu selbstverständlich gehalten", sagte Bierhoff. Man habe gedacht, dass das ein Selbstläufer sei.
Zudem wurde bekannt, dass Löw künftig auf Thomas Schneider als Assistent verzichtet. Der 45-Jährige wird beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) die Leitung der Scouting-Abteilung übernehmen. Der bisherige Leiter Urs Siegenthaler bekommt andere Aufgaben. Schneider hatte nach dem WM-Triumph 2014 das Amt als "Co" von Hansi Flick übernommen. Im Stab von Löw bleiben dagegen Assistent Marcus Sorg und Andreas Köpke als Bundestorwarttrainer.