Xavi und der FC Barcelona:Der verlorene Sohn kehrt zurück

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Xavi hat alles gewonnen mit Barcelona - als Spieler. Nun versucht er sich als Trainer. (Foto: Josep Lago/AFP)

Nach tagelangen Verhandlungen ist es jetzt offiziell: Xavi Hernández ist neuer Trainer des FC Barcelona. Als Spieler hat er dort alles gewonnen, nun muss er ein heruntergewirtschaftetes Team ordnen, das am Samstag eine 3:0-Führung gegen Celta Vigo verspielt.

Von Javier Cáceres

Mitten in der Nacht war es dann doch offiziell: Um 01.50 Uhr des Samstags verschickte die Pressestelle des FC Barcelona eine Mitteilung unter der Rubrik: "Ben tornat a casa, Xavi!", willkommen daheim. Man habe eine Einigung mit Xavi Hernández erzielt, hieß es in dem Kommuniqué, der 41-Jährige werde nun die Trainerbank des katarischen Klubs Al Sadd gegen jene des FC Barcelona eintauschen. Kurz danach schon fuhr Xavi zum Flughafen, um mit der Familie nach Barcelona zu reisen, Emissäre des FC Barcelona, seinen eigenen Mitarbeiterstab und Dutzende katalanische Journalisten im Schlepptau. "Wir sind der beste Klub der Welt, und der beste Klub der Welt muss gewinnen, nicht Unentschieden spielen oder verlieren. Die Anforderungen sind maximal." Sein Vertrag wird bis 2024 laufen.

Am Freitag hatte er noch Tränen vergossen. Xavi verabschiedete sich bei einem Essen von seinen Spielern bei Al Sadd, unter ihnen der zweimalige Europameister Santi Cazorla. Der hatte schon an Vortagen gesagt, dass es in der Krisenlage des FC Barcelona nur einen idealen Trainer gebe. "Ich weiß, dies ist ein besonderer Moment für Dich. Genieße es!", schrieb Cazorla bei Twitter.

Barça-Präsident Joan Laporta stellt für den Winter drei Zugänge in Aussicht

Xavi wird nach der nun anstehenden Länderspielpause auf der Trainerbank des FC Barcelona Platz nehmen. Sein Debüt wird sich am 20. November vollziehen, im Camp Nou gegen den Ortsrivalen Espanyol. Xavi soll den aktuellen Interimscoach Sergi Barjuan ersetzen, der am Samstag die noch immer kriselnde Mannschaft bei Celta de Vigo instruieren wird. Präsident Joan Laporta, der Freitagnacht erklärt hatte, dass Xavi Trainer werden würde, stellte drei Zugänge in Aussicht, die im Winter kommen sollen. Vorausgesetzt, man bekommt kostspielige Mitarbeiter wie den brasilianischen Nationalspieler Philippe Coutinho von der Gehaltsliste.

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Die Rückkehr Xavis an den Ort, der ihn zu einem Giganten des Weltfußballs heranwachsen sah, galt seit Tagen als ausgemachte Sache. Aber die offizielle Bestätigung zog sich hin. Am Donnerstag hatten die Emissäre des Klubs die Reporter der katalanischen Medien im Hotel Ritz von Doha zusammengerufen und ihnen zugeraunt, dass die Verkündung Xavis als neuer Barça-Coach am Freitag erfolgen würde. Al Sadd werde ihn entweder gratis ziehen lassen, oder man zahle eben die vertraglich festgelegte Ablöseklausel, sie soll bei fünf Millionen Euro liegen. Der Freitagvormittag schien dieses Szenario zu bestätigen: Al Sadd kündigte an, Xavis Wunsch nach Abschied entsprechen zu wollen - nach Zahlung der Summe, die in einer Auflösungsklausel festgelegt worden war. So weit, so gut.

Dann aber verstrichen die Stunden ohne eine Bestätigung durch den FC Barcelona, und weil der Klub zurzeit selten eine Gelegenheit auslässt, ein peinliches Geschäftsgebaren zu offenbaren, folgte eine überraschende Wendung: Die Spin Doctors des Klubs erklärten - off the record, wie bei solchen Gelegenheiten üblich - dass man doch nicht zahlen wolle. Später hieß es, dass man nicht zahlen könne, ohne gegen die Financial-Fair-Play-Regeln der spanischen Liga zu verstoßen. Die Schulden Barças belaufen sich auf 1,3 Milliarden Euro, wegen der Verluste darf der Klub nur begrenzt Geld ausgeben. Es hieß, Xavi würde einen Teil des Geldes aus eigener Tasche zuschießen, dann wurde berichtet, der Klub zahle in Raten. Größere Details über die letzten Stunden der Vertragsauflösung gab Xavi am Samstag nicht preis. So viel aber doch: "Wir alle haben etwas dazu beigetragen, dass es klappt." So oder so: Xavis Legendenstatus in der Heimat dürfte wachsen, dabei ist er so schon groß genug.

In 17 Profisaisons bestritt Xavi zwischen 1998 und 2015 insgesamt 767 Pflichtspiele, er war an vier Champions-League-Siegen beteiligt, gewann acht spanische Meisterschaften und zwei Klub-Weltmeisterschaften und wurde mit Spaniens Nationalteam zwei Mal Europameister (2008, 2012) und einmal Weltmeister (2010). Vor allem aber wurde Xavi wie kein Zweiter zum Vertreter der Essenz einer vielbewunderten Spielphilosophie Barças. Zuletzt war sie kaum noch zu sehen gewesen, nun soll Xavi, die nahezu fehlerlose Passmaschine von einst, diese DNA wieder ins Camp Nou zurückbringen. "Ich bin sicher, dass er eine großartige Arbeit abliefern wird", sagte Xavis früherer Coach Pep Guardiola, heute Trainer bei Manchester City, am Freitag. "Er ist ein großartiger Trainer - die ideale Person, um eine Verbindung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Barcelonas herzustellen", ergänzte der frühere spanische Weltmeistertrainer Vicente del Bosque.

Sollten die Koryphäen recht behalten, würde wohl die zuletzt vermisste Stabilität auf dem Trainerposten Barcelonas einkehren. Seit dem Abschied des aktuellen spanischen Nationaltrainers Luis Enrique (2014 bis 2017) hat es viele Trainerwechsel gegeben, und die waren stets kostspielig. Ernesto Valverde (2017 bis 2020) strich eine Abfindung von elf Millionen Euro ein, seine Nachfolger Quique Setién und Ronald Koeman warten auf Entschädigungen von vier beziehungsweise zwölf Millionen Euro. Setién hat den Klub schon vor Gericht gezerrt; Koeman verhandelt noch. Angesichts solcher Zahlen verblüffte, dass Barcelona die Chance nicht wahrnahm, Xavi ohne Ablösezahlung zu holen. Es gilt als sicher, dass die katarischen Scheichs Xavi gratis hätten ziehen lassen, wenn der seit März amtierende Präsident Laporta nach Doha gereist wäre. Eine Geste des guten Willens gezeigt hätte. Doch Laporta tat es nicht, schickte Untergebene, offenkundig aus politischen Gründen.

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Xavis Mannschaft schoss in der katarischen Liga 103 Tore in den letzten 31 Spielen

Vor ein paar Jahren, nach dem Ende seiner ersten Amtszeit als Vorsitzender, gehörte Laporta zu den härtesten Kritikern des Nachfolgerpräsidiums, das 2010 einen Werbedeal mit den Katarern schloss. Erst landete das Logo der "Qatar Foundation" auf dem Trikot Barcelonas; später wurde es durch den Schriftzug "Qatar Airways" ersetzt. Laporta sprach damals von Werten wie Freiheit und Demokratie, für die Katalonien stehe. Er selbst hatte einst das traditionell werbefreie Shirt des Klubs mit dem Logo des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen verzieren lassen "Wir sind die von Unicef, und wir sind sauber", sagte er.

Diesem Geist entsprach eine vor wenigen Wochen beschlossene Änderung der Klubstatuten, die den FC Barcelona zur Achtung der Grund- und Menschenrechte verpflichtet. Aber: Es hielt Laporta nicht davon ab, einen Deal mit Saudi-Arabien zu schließen. Für ein millionenschweres Antrittsgeld reist der FC Barcelona im Dezember zu einem Freundschaftsspiel nach Riad. Mit Chefcoach Xavi, auf den eine Menge Arbeit wartet.

Xavi hat "Ideen, die klar sind wie das Wasser und rund wie ein Ball", schreibt Valdano

Xavi muss ein heruntergewirtschaftetes Team ordnen. Barça ist zurzeit Neunter in La Liga, die Qualifikation in der Champions League hängt von den ausstehenden Partien gegen Benfica Lissabon und beim FC Bayern ab. Al Sadd spielte derweil sehr ansehnlich Fußball, ganz nach den Vorgaben der Barça-Gurus Cruyff und Guardiola. In Katar nur, aber immerhin. Die Zahlen sind beeindruckend: In der Vorsaison wurde Al Sadd nicht nur Meister, die Mannschaft schoss in den letzten 31 Spielen 103 Tore.

"Dies ist nicht der beste Moment in der Geschichte Barcelonas", sagte Xavi. "Ich bin kein Messias", hatte er schon zuvor gesagt, "es geht nur darum, den Menschen wieder Hoffnung zu geben." Könnte klappen. "Barça hat endlich eine intelligente Entscheidung getroffen", schrieb der argentinische Fußball-Philosoph Jorge Valdano in El País, "die Mannschaft einem Mann zu übergeben, der Ideen hat, die klar sind wie das Wasser und rund wie ein Ball."

Das ist aber bitter nötig, denn am Samstag bestätigte das Team erst einmal die Probleme dieser Saison: Es verspielte bei Celta Vigo eine 3:0-Halbzeitführung und musste mit einem 3:3 zufrieden sein. Xavi übernimmt eine Mannschaft, die seit vier Ligaspielen auf einen Sieg wartet. Und in der Tabelle nur den neunten Rang belegt.

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