Tennisturnier in Berlin:Lisickis harter Weg zurück

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"Matches wie heute zu spielen, das hilft": Sabine Lisicki, die ihr Auftaktmatch trotz 15 Assen verlor. (Foto: Wolfgang Kumm/dpa)

Erst Pfeiffersches Drüsenfieber, dann eine Knieverletzung: Wimbledon-Finalistin Sabine Lisicki fiel in der Weltrangliste bis auf Rang 1200. Jetzt kämpft sie sich wieder nach oben - und sieht am Beispiel der Tschechin Kvitova, dass es Hoffnung gibt.

Von Barbara Klimke, Berlin

Das Gras war frisch und federnd auf dem Berliner Center Court, da setzten bei Petra Kvitova die Instinkte ein. Ein paar Schritte genügten, so berichtete sie später lächelnd, dann schwang sie den Schläger fast per Autopilot: Rasen ist ihr Lieblingsbelag, auf diesem grünen Teppich, sagte sie, fühlt sich das Tennisspiel für sie "ganz natürlich" an: "Da muss ich praktisch gar nicht denken." Petra Kvitova aus Tschechien, 33 Jahre alt, ist zweimalige Wimbledonsiegerin und auf kurz geschorenem Untergrund noch immer ein Phänomen.

Kaum eine Stunde nachdem sie den Presseraum des Berliner Rasenturniers verlassen hatte, wollte der Zufall, dass eine ähnlich veranlagte Akteurin auf demselben Stuhl saß: Sabine Lisicki, 33, die ebenfalls auf der berühmtesten Tennisbühne für Furore gesorgt hatte als Wimbledon-Finalistin vor zehn Jahren. Auf der Anlage im Grunewald traten Kvitova und Lisicki nun zwar nicht gegeneinander an, dafür aber direkt nacheinander auf demselben Platz. Eine Fügung, bei der sich den Zuschauern die Gelegenheit bot, ihren Werdegang im Tennis zu vergleichen: zwei Lebenslinien, die eine kurze Zeit fast parallel verliefen, ehe das Schicksal in unterschiedliche Richtungen abbog.

Kvitova machte beim Turnier am Hundekehlesee den Anfang: Kaum hatte sie ihren Tritt gefunden auf der Grasnarbe, fertigte sie ihre tschechische Kollegin Karolina Pliskova, eine frühere Weltranglistenerste, 6:3, 6:4 ab. Die Bett1Open in Berlin sind auch diesmal wieder so prominent besetzt, dass die Elite sich schon in der ersten Runde duelliert. Lisicki musste sich anschließend mit der Französin Carolin Garcia, Nummer vier der Welt, messen: Sie schlug 15 Asse, ließ im ersten Satz kein Break zu, gab dann aber den Tiebreak ab. Im zweiten Durchgang war es nur ein Fehler bei einem Volley, den sie im siebten Spiel in die Maschen drosch, der ihre 6:7 (2), 3:6-Niederlage einleitete. Wer die Matches von Kvitova und Lisicki auf Intensität, Schlaghärte und Präzision prüfte, hat womöglich nur graduelle Unterschiede festgestellt. Und doch gibt es Gründe, warum Kvitova, Wimbledonsiegerin 2011 und 2014, noch immer die Nummer neun der Weltrangliste ist - und Lisicki, Finalistin 2013, auf Position 308 steht.

Jule Niemeier warf am Dienstag die Titelverteidigerin Ons Jabeur aus dem Berliner Turnier

Sie hat überhaupt nur mitspielen dürfen bei diesem Berliner Turnier, einem mit 780 637 US-Dollar dotierten WTA-Wettbewerb der zweithöchsten Kategorie unterhalb der Grand-Slams, weil sie vom Veranstalter eine Wild Card für das Hauptfeld erhielt. Das hieß, sie musste sich nicht vorab durch die Qualifikation quälen wie ihre deutsche Kolleginnen Jule Niemeier, die in der zweiten Runde steht. Niemeier, 23, die letztes Jahr in Wimbledon überraschend das Viertelfinale erreicht hatte, gelang am Dienstag das Kunststück, die Titelverteidigerin von Berlin, die Tunesierin Ons Jabeur, Nummer sechs der Welt, 7:6 (4), 6:4 zu schlagen.

Lisicki ist Mitglied im ausrichtenden LTTC Rot-Weiss Berlin, einem Klub mit Badesteg am See, bei dem die Klubmitglieder noch immer im traditionellen weißen Dress die Bälle übers Netz befördern. Zudem wollte die Organisatoren mit der Wild Card wohl ihr kleines Wimbledon-Jubiläum honorieren. Für dieses Geschenk hat sie den Verantwortlichen ausdrücklich gedankt, als sie nach ihrer Niederlage ans Mikrofon gebeten wurde. Denn es war das erste Mal seit ihrer schweren Knieverletzung, dass sie überhaupt wieder im Hauptfeld eines derart großen Turniers zwischen den weißen Linien stand. "Matches wie heute zu spielen, das hilft", sagte sie. "Das braucht man nach so langer Zeit, damit man die wichtigen Bälle richtig schlägt."

Auf Rasen per Autopilot: Petra Kvitova, 33, Nummer neun der Tenniswelt. (Foto: O.Behrendt/Contrast/Imago)

Im Oktober 2020 war Lisicki gerade dabei, sich nach einer Auszeit wegen Pfeifferschen Drüsenfiebers wieder zurück zu kämpfen, als ihr Kreuzband riss. "Wirklich alles war kaputt, Kreuzband, Innenband, Außenband, Meniskus", berichtete sie damals. Sie ging an Krücken, und es dauerte 18 Monate, ehe sie bei einem kleinen Turnier in Florida den Beruf wieder aufnehmen konnte. Wo immer sich seitdem die Gelegenheit bietet, tritt sie an, auch bei zweit- und drittklassigen ITF- und Challenger-Turnieren. Und wenn sie direkt ins Hauptfeld gelangen kann, dann plant sie kurzfristig um, von Thailand auf Mexiko. "Im letzten Jahr war ich mal die Nummer 1200, jetzt bin ich bei dreihundert", sagt sie. Aber das Leben als Punktesammlerin für die Rangliste ist Mühsal.

Petra Kvitova hat das ebenfalls erlebt nach einer horrenden Leidenszeit. 2016 wurde sie in ihrem Haus überfallen, der Täter zerschnitt die Sehnen an den Fingern ihrer Schlaghand, und es dauerte Jahre, bis sie das Trauma überwunden hatte, ein Racket halten konnte und schließlich 2019 wieder in Australien im Grand-Slam-Finale stand. Als älteste Spielerin der Top Ten hat sie kürzlich das hoch dotierte Turnier in Miami gewonnen. Es gibt einen Weg zurück, das ist die Botschaft. Sabine Lisicki wird in Berlin noch Doppel spielen, dann reist sie nach Bad Homburg: Dort hat sie vergangenes Jahr schon im Viertelfinale gestanden. Auf Rasen übrigens.

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