Wolfsburger Krise:Der Seismograf ist ratlos

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Ratlos: Mittelfeldmann Maximilian Arnold (vorne) vom kriselnden VfL Wolfsburg. (Foto: Swen Pförtner/dpa)

Der VfL Wolfsburg hat mit der 0:2-Niederlage einen Negativrekord aufgestellt. Sogar der wichtige Mittelfeldmann Maximilian Arnold hat seine Form verloren.

Von Thomas Hürner, Wolfsburg/Hamburg

Es gibt Fußballspieler, die gelten in ihren Mannschaften nicht nur als unumstößliche Säulen, sondern auch als so etwas wie deren personifizierte Seismografen. An diesen Akteuren lässt sich ablesen, wie es um das Team gerade bestellt ist, wie dessen Leistungskurve verläuft, in welche Richtung sich die Stimmung in der Kabine entwickelt, ob sich in schwierigen Perioden Nervosität breitmacht oder der Glaube an einen schnellen Kurswechsel noch vorhanden ist.

Der Mittelfeldmann Maximilian Arnold ist so ein Spieler. Kein anderer hat mehr Partien für den VfL Wolfsburg bestritten, kein anderer verkörperte in der vergangenen Saison besser den Kollektivgeist und die strategische Disziplin der Werkself - die maßgebenden Attribute dafür, dass der VfL geradezu überschüttet wurde mit Honorierungen und in der Bundesliga auf dem vierten Platz im Ziel einlief. In dieser Zeit meldete der selbstbewusste Arnold, 27, mehrfach Ansprüche auf einen Platz in der DFB-Elf an, und niemand in der Branche legte Protest ein, da dieser Gedanke logisch und berechtigt war.

Arnold war in der vergangenen Saison einer der herausragenden Akteure bei den Wolfsburgern

Am Samstag, bei der trostlosen 0:2-Niederlage des VfL gegen den VfB Stuttgart, wurde in der Wolfsburger Arena nun zum wiederholen Male ein Spieler auf dem Rasen gesichtet, der nur auf den ersten Blick einiges gemeinsam hatte mit dem so herausragenden wie eloquenten Arnold aus der Vorsaison. Der rote Haarschopf, der Einsatzwillen, die natürliche Autorität eines Schichtleiters in einem großen Industriebetrieb. Ansonsten handelte es sich aber um einen Maximilian Arnold, der seinen Einfluss auf das Geschehen eingebüßt hat und sich ungewohnte Ungeschicklichkeiten leistete - und der sich hinterher mehrmals eines unsittlichen Vokabulars bediente, obwohl er als ein Fußballer gilt, der großen Wert auf Etikette und einen gepflegten Umgangston legt.

Im Grunde sei so ziemlich alles "scheiße" gewesen, sagte Arnold im Interview beim Fernsehsender Sky: die Entstehung der Gegentreffer, die unzureichende Chancenverwertung, aber auch die Nachfragen des Reporters zur fehlenden Leidenschaft im Wolfsburger Team. Man befinde sich eben in einer Phase, in der einfach "nix gelingt", lautete Arnolds Kurzanalyse. Das lässt sich auch an einigen Zahlen und Fakten ablesen: Der VfL ist am Mittwoch in der Gruppenphase der Champions League ausgeschieden, nach einer mutlosen Leistung zu Hause gegen den OSC Lille. In den vergangenen sechs Pflichtspielen holte man lediglich einen Punkt, die Niederlage gegen Stuttgart war die fünfte in Serie.

"Ich weiß auch nicht, was ich dazu noch sagen soll", lautete Arnolds Resümee

Mit dieser Bilanz hat der neue VfL-Trainer Florian Kohfeldt, der im Oktober den erfolglosen Niederländer Mark van Bommel beerbte, einen Negativrekord in der fast 25 Jahre andauernden Erstliga-Zugehörigkeit des Klubs aufgestellt. Nach einem kurzen Aufschwung haben sich seit seiner Amtsübernahme Tristesse und Ratlosigkeit in der Autostadt ausgebreitet, die Hierarchie im Team löst sich auf wie eine Magnesium-Tablette im Wasserglas, und nahezu alle Leitfiguren haben ihre Form verloren.

Womit man wieder beim Seismografen Arnold wäre. "Ich weiß auch nicht, was ich dazu noch sagen soll", lautete sein Resümee zur aktuellen Wolfsburger Dürreperiode. Die Fans des VfL haben also allen Grund, ein wenig beunruhigt zu sein.

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