Kuriosum in Wolfsburg:Ist ein Schiedsrichter anwesend?

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Tobias Krull macht sich auf den Weg Richtung Spielfeld. (Foto: Darius Simka/regios24/Imago)

Weil Assistent Thorben Siewer ausfällt, wird in Wolfsburg per Stadiondurchsage ein Ersatz-Schiedsrichter gesucht. Es meldet sich Tobias Krull: Torhüter, Verkaufsberater, Sportlicher Leiter beim MTV Gifhorn - und nun Bundesliga-Referee.

Von Felix Haselsteiner

Beim MTV Gifhorn in der Landesliga Braunschweig ist aktuell noch Winterpause, weshalb die Spieler und Verantwortlichen des Tabellenfünfzehnten am Wochenende frei hatten. So weit, so normal also ist die Lage im unteren niedersächsischen Liga-Alltag - nur, dass diese Nachricht für die Bundesliga von Relevanz sein würde, damit konnte keiner rechnen. Auch nicht Tobias Krull, der am Samstag in einem Hemd gekleidet auf einem der VIP-Plätze in der Volkswagen-Arena Platz nahm, um sich das Spiel seines Jugendvereins VfL Wolfsburg gegen den 1. FC Köln anzusehen.

Krull sah von seinem Sitz aus 14 Minuten lang eine absolut normale Bundesligapartie, zu der auch gehörte, dass der Kölner Außenverteidiger Max Finkgräfe in der Defensive einen Ball mit voller Wucht in das Seitenaus klären wollte. Dabei allerdings traf er den Schiedsrichterassistenten Thorben Siewer aus kurzer Distanz am Kopf - wodurch die Partie eine einigermaßen tragische und gleichzeitig kuriose Wendung nahm. Siewer legte sich umgehend benommen auf den Boden und musste behandelt werden. Nach kurzer Zeit stand fest, dass er nicht weitermachen konnte, weshalb der Vierte Offizielle Nicolas Winter auf die Position des Linienrichters rückte - und Schiedsrichter Sören Storks mit der Aufgabe befasst war, ein Protokoll zu aktivieren, das in der Bundesliga noch nicht oft zum Einsatz gekommen ist.

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"Wir müssen in solchen Fällen eine Stadiondurchsage veranlassen, um einen Schiedsrichter zu finden", erklärte Storks später der SZ, als er per Funk schon Bekanntschaft mit seinem neuen Teammitglied gemacht hatte: Auf der Tribüne nämlich meldete sich nach der Durchsage Krull, der nicht nur Verkaufsberater in einem Autohaus und Torhüter sowie Sportlicher Leiter bei einem Landesligisten ist - sondern auch eine Schiedsrichterlizenz hat. Also: Hemd aus, Schiedsrichter-Trikot an, Funkverkabelung organisiert, beide Trainer begrüßt - Willkommen in der Bundesliga, Herr Krull!

Zweikampf-Debatten und Protokollführung - der Aushilfsschiedsrichter fügt sich ein ins Team der Unparteiischen

"Er war sofort ein vollwertiges Mitglied bei uns", sagt Storks, der selbst einst als vierter Offizieller zu seinem Bundesliga-Debüt kam, weil Schiedsrichter Felix Brych zur Halbzeit verletzt ausfiel. Nun war er zufrieden mit dem spontan Eingewechselten: Krull habe sich bei Zweikampf-Debatten eingebracht, habe Protokoll geführt über Wechsel und Karten und sei nach dem Spiel natürlich noch mitgegangen in die Kabine, zur Nachbesprechung. Die fiel in den Katakomben des Wolfsburger Stadions dann ganz unterschiedlich aus: Die Kölner in der Auswärtskabine dürften durchaus zufrieden gewesen sein mit dem 1:1-Unentschieden, bei den Wolfsburgern in der Heimkabine hingegen stellt sich allmählich wieder die altbekannte Krisenstimmung aus dem vergangenen Herbst ein.

Und in der Schiedsrichterkabine herrschten gemischte Gefühle. "Des einen Leid, des anderen Freud", sagte Storks über die Geschehnisse am Nachmittag. Krull habe sich natürlich gefreut über seinen Einsatz, die anderen drei Schiedsrichter allerdings machten sich nach der Partie auf den Weg ins Krankenhaus, wo zur Stunde noch weitere Untersuchungen bei Siewer durchgeführt werden. Immerhin: Dem Kollegen gehe es "den Umständen entsprechend gut", so Storks.

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