WM-Vorbereitung in Südtirol:Ronaldos Doppelgänger

Lesezeit: 3 min

Jetzt bitte mal portugiesisch verteidigen: Thomas Müller (rechts) müht sich im Trainingskick mit dem U20-Nationalspieler Malcolm Cacutalua. (Foto: Andreas Gebert/dpa)

Joachim Löw probt im Trainingslager in Südtirol den Ernstfall. Für die bestmögliche Vorbereitung lässt der Bundestrainer die Teams von Portugal und Ghana von der U20 doubeln - ahnt aber, dass in Brasilien viele Teams doch ganz anders spielen werden.

Von Benedikt Warmbrunn, St. Leonhard

Das Wetter war im Passeiertal zu Wochenbeginn so, wie das Wetter nun einmal ist, ziemlich unberechenbar also, selbst für Joachim Löw. Am Sonntag war es noch trocken, am Montagmittag schüttete es, schon am Dienstag soll es wieder trocken sein, es ist zum Verrücktwerden.

Für die weitere Woche ist allerdings keine trockene Hitze vorhergesagt, auch keine wahnsinnig hohe Luftfeuchtigkeit, und deshalb muss nun leider festgehalten werden: Joachim Löw kann das Wetter nicht doublen lassen.

Der Bundestrainer saß am Montagmittag in einem Zelt in St. Martin, geschützt vor dem prasselnden Regen, und er sprach über das Wetter in Brasilien. Dass er nicht wisse, wie das dort gerade sei. Dass er jedoch im vergangenen Sommer dorthin gereist sei, er berichtete von: trockener Hitze, von wahnsinnig hoher Luftfeuchtigkeit.

DFB-Elf im Trainingslager
:Löw wagt es mit den Strapazierten

Der Bundestrainer hat eine Entscheidung getroffen: Joachim Löw will mit allen Prominenten, die Form und Fitness gerade suchen, zur Fußball-WM der Strapazen nach Brasilien reisen. Es ist eine bemerkenswerte Kehrtwende.

Von Christof Kneer

Spiele unter dem brasilianischen Himmel, sagte Löw, seien "schon auch eine andere Belastung". Und weil das Wetter alles bestimmt, geht Löw davon aus, dass es auch die Spielweise bei der Fußball-Weltmeisterschaft bestimmen wird. Weswegen der Bundestrainer die U20-Nationalmannschaft mit ins Trainingslager in Südtirol mitgenommen hat.

Im Passeiertal laufen daher nun junge Männer herum, Nachwuchsspieler wie der Verteidiger Malcolm Cacutalua, der Angreifer Niclas Füllkrug oder der Torhüter Odisseas Vlachodimos. Sie sollen die Atmosphäre der Nationalmannschaft kennenlernen, die Spieler, die Trainer, sie sollen spüren, unter welchen Bedingungen auf diesem Niveau gearbeitet wird.

Und dreimal in dieser Woche sollen sie gegen den Bundestrainer und seine Spieler antreten. Auch nach den Vorgaben des U20-Trainers Frank Wormuth. Vor allem aber nach den Vorstellungen von Bundestrainer Löw. Die jungen Spieler sollen dann vieles sein, ganz sicher aber nicht einfach nur Malcolm Cacutalua, Niclas Füllkrug oder Odisseas Vlachodimos.

Sie sollen vielmehr die Spielweise der WM-Gegner simulieren. Kopieren sie etwa den Stil von Portugal, sind die Angreifer im Zweifel ein bisschen Cristiano Ronaldo. Simulieren sie Ghana, doubeln sie im Mittelfeld auch die raumgreifende Robustheit von Kevin-Prince Boateng.

Den ersten Test hatte Löw für den Sonntag angesetzt, vier Halbzeiten, je 20 Minuten lang. Im ersten Viertel sollten die Junioren frühzeitig angreifen, im zweiten sich weit in die eigene Spielfeldhälfte zurückziehen. Was sie in der zweiten Hälfte machen sollten, blieb geheim, Löw ließ die Tribünen leeren. Der Bundestrainer nennt diese Tests eine "Live-Simulation", er sei "sehr glücklich" darüber. "Die U20 ist für uns eine ganz gute Hilfe", sagte er, "die haben das schon sehr, sehr gut gemacht."

Zumindest in den ersten beiden Vierteln. Danach stand es 0:0. Am Ende siegte Löws Elf 7:1 - ob das daran lag, dass die U20 eine von der wahnsinnig hohen Luftfeuchtigkeit ermüdete Elf doubelte, das verriet Löw nicht.

Personalprobleme im Nationalteam
:Löw lobt Kramer - Hummels in der Abwehr

Der Bundestrainer unterstreicht bei seinem ersten öffentlichen Auftritt im Trainingslager in Südtirol die gestiegenen WM-Chancen für den jungen Gladbacher. Eine neue Rolle für Mats Hummels schließt Joachim Löw vorerst aus - Hoffnung gibt es für die verletzten Bayern-Spieler.

Und dennoch: das Wetter. Löw weiß, dass er sich - wenigstens ein bisschen - auf Spielsysteme einstellen kann, auf den Antritt von Cristiano Ronaldo, auf die robusten Zweikämpfe von Kevin-Prince Boateng. Er weiß aber auch, dass all diese Informationen in Brasilien schon so nicht mehr stimmen könnten.

"Es wird wahrscheinlich eine andere Art von Fußball sein, als wir es in Europa kennen, bei 20 Grad, frischer Luft, um 20.45 Uhr", sagte Löw, die Regentropfen trommelten auf die Zeltplane, "alle werden die Spielweise etwas anpassen müssen. Keine Mannschaft kann 90 Minuten lang ein irres Tempo gehen, vor allem nicht über ein ganzes Turnier."

Als also die U20 am Sonntag in der zweiten Halbzeit womöglich eine ganze andere Art von Fußball gespielt hat, trafen Löws Spieler. Ganz besonderes lobte der Bundestrainer André Schürrle, der vier Tore erzielte (Kevin Volland traf noch zweimal, Lukas Podolski einmal). Löw findet, dass Schürrle das erste Jahr beim FC Chelsea "schon auch sehr, sehr gut getan hat". Löw gefällt die Schnelligkeit des Angreifers, dass dieser körperlich zugelegt habe, vor allem aber, dass Schürrle "unheimlich gute Laufwege" zeige.

Auf die Laufwege des 23-Jährigen und seiner Mitspieler will Löw in dieser Woche verstärkt achten, gerade in den Partien gegen die U20. Die Angriffsbewegungen gegen nahe am eigenen Tor verteidigende Teams, die Organisation der Defensive, das Umschaltspiel, das sind drei Punkte, an denen Löw arbeiten will.

Seit der WM 2010 in Südafrika, findet er, "haben wir es oft versäumt, nach einem Ballgewinn in höchstem Tempo in den gegnerischen Sechzehner zu kommen". Er will daher auch das Zweikampfverhalten seiner Spieler verbessern, um "Eins-gegen-eins- Situationen richtig zu lösen".

Löw kümmert sich jetzt erst einmal um die Dinge, die er steuern kann, in Europa, am Dienstag zwar nicht bei 20 Grad, dafür bei frischer Luft, das schon. Über das Wetter in Brasilien, das hat Löw noch mitgeteilt, werde er sich erst eine Woche vorher informieren.

© SZ vom 27.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Finale: Deutschland Argentinien
:Fußball-WM 2014 Spielplan

Täglicher Spielplan zur Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien mit Gruppeneinteilung und allen WM-Spiel-Terminen.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: