Er war da. Joseph S. Blatter saß auf der Tribüne in Porto Alegre beim deutschen Achtelfinale, neben ihm Deutschlands Innenminister Thomas de Maizière von der CDU. Wer sich nun fragt, was der Innenminister in Brasilien macht, das kostet doch sicher viel Geld: Er ist auch für Sport zuständig. Im Stadion hat das niemand mitbekommen, was wohl besser so war, weil es sonst Aufruhr gegeben hätte. Nicht wegen Thomas de Maizière, versteht sich.
Joseph S. Blatter war auch in Rio de Janeiro, in Recife und in São Paulo bei Achtelfinal-Spielen anwesend. Er twitterte das später stolz. Wie das der 78-Jährige nur schafft? Gehässige Mitmenschen könnten vermuten, dass Brasilien extra den Luftraum absperren musste, damit Herr Blatter in einem von der Regierung gestellten Kampfflieger von Spiel zu Spiel sausen konnte. In Porto Alegre stand davon aber nichts in der Zeitung, und was nicht in der Zeitung steht, ...
Wenn er schon mal da war, hätte man ihn gerne gefragt, wieso er und seine Organisation so viele Regeln aufstellen rund um so eine Fußball-Weltmeisterschaft. In Fortaleza rissen Stadionordner die Fahnen und Banner deutscher Fans ab, obwohl die das seit Menschengedenken machen. Die Ordner aber dachten, die Banner wären zu groß - und würden deshalb dem Regelwerk des Weltverbands Fifa widersprechen. Also weg damit.
Die Fifa reicht als Begründung
Die Sicherheitskräfte rund um die WM-Stadien haben diese Regeln verinnerlicht. So sind beispielsweise Schirme im Stadion verboten. Selbst wenn es der kleinste Knirps ist. Da macht es auch nichts, wenn es in Recife so viel regnet, dass es fast die ganze Stadt wegschwemmt. Oder dass die Arena Pernambuco für jeglichen Verkehr kilometerweit abgesperrt ist und die Menschen zu Fuß kommen müssen. Zuschauer: "Wieso darf man keinen Schirm mitnehmen? Ich werde beim Heimgehen nass." Ordner zuckt mit den Schultern: "Fifa!" Das reicht als Begründung. Der Schirm kommt in die Tonne.
Genauso mitgebrachte Wasserflaschen. Mit ihnen darf man weder in die Arenen noch zum Public Viewing, den sogenannten "Fifa Fanfesten". Gast: "Wieso nicht?" Ordner: "Fifa!" Was in dem Fall so viel heißt wie: Im Fanfest stehen eine Unmenge an Menschen herum, die ihr Wasser zum doppelten Preis verkaufen wollen. Im Stadion verkaufen diese übrigens auch Bier mit Alkohol drin, was in Brasilien eigentlich seit Jahren in den Arenen verboten ist. Doch die Fifa verstand da keinen Spaß, schließlich zahlen zwei Brauereien einen Haufen Geld dafür, bei der WM ihr Bier verkaufen zu dürfen. Würde man Staatspräsidentin Dilma Rousseff fragen, wie das sein kann, würde sie vermutlich mit den Schultern zucken und sagen: "Fifa!"
Die Taschen des arbeitenden Personals wurden in Porto Alegre sogar beim Verlassen des Stadions geröntgt. Warum? "Fifa!" Als zwei Journalisten in Recife direkt vom Flughafen zur Arena kamen und ihre riesigen, schweren Koffer dabei hatten, fragten sie die Volunteers, ob es eine Möglichkeit gebe, sie während des Spiels irgendwo zu verwahren, weil die vorgesehenen Spinte zu klein waren. Antwort: "Nein." Wieso nicht? "Die Fifa erlaubt das nicht." Die Koffer mussten mit auf die Tribüne.
Fifa ist in Brasilien derzeit ein Synonym für Gesetz, Allmacht, göttliche Paragrafenordnung. So war es ausgemacht worden, als Brasilien vor sieben Jahren den Vertrag unterschrieb. Darin steht zusammengefasst: Wer die WM kriegt, der muss ein paar Wochen machen, was die Fifa sagt. Das ist der Deal. Herr Blatter darf zufrieden sein: In Brasilien wird das aufs Allergenaueste umgesetzt.