Dirk Gieselmann
Hallo, liebe Fans.
Und herzlich willkommen zum letzten und jüngsten Tag dieser Weltmeisterschaft. Ich heiße Dirk Gieselmann, dafür stehe ich mit meinem Namen, und werde sie durch das Finale begleiten. Ich werde mir dabei alle Mühe geben, versprochen.
Oder wie Klov in Samuel Becketts „Endspiel“ es ausdrückt:
„Du musst noch besser da sein, wenn du willst, dass man dich gehen lässt.“
Dirk Gieselmann
Besser da sein, wenn du willst, dass man dich gehen lässt: Das hätte nun auch die Devise sein können für den DFB nach dem schmählichen Ausscheiden der deutschen Nationalmannschaft in der Vorrunde dieser WM.
Doch statt einer ehrlichen Analyse sahen wir Funktionäre, die dastanden, als hätten sie gerade eine Torte fallen lassen, aber behaupteten, sie seien geschubst worden. Sie treffe zwar keinerlei Schuld, aber na gut, dann würden sie eben eine neue Torte backen.
Schwarzwälderkirsch.
Sie liegt uns jetzt schon im Magen.
Doch statt einer ehrlichen Analyse sahen wir Funktionäre, die dastanden, als hätten sie gerade eine Torte fallen lassen, aber behaupteten, sie seien geschubst worden. Sie treffe zwar keinerlei Schuld, aber na gut, dann würden sie eben eine neue Torte backen.
Schwarzwälderkirsch.
Sie liegt uns jetzt schon im Magen.
Dirk Gieselmann
Die Übergabe
Philipp Lahm, Kapitän der Weltmeistermannschaft von 2014, hat sich indes von seiner Tegernseer ARD-Couch erhoben und wird dem Sieger heute Abend den Pokal überreichen.
Wer es auch sein mag, der ihn entgegen nimmt: Es wird schmerzen. Wie eine Brandmarke wird uns in diesem Moment das Präfix „Ex“ aufgedrückt werden.
Ex-Weltmeister.
Ex-Optimisten.
Ex-Freunde der „Mannschaft“.
Es wird sich wie eine endgültige Trennung anfühlen. Wir wohnen schon lange nicht mehr zusammen im Campo Bahia, die Erinnerungen an den Sommer der Liebe sind verblasst, Schweini hat ein neues Leben in den USA begonnen, die Telefonnummer gewechselt, er ist jetzt wieder in einer festen Beziehung, wie man hört.
Und Philipp Lahm übergibt nicht nur den Pokal an den neuen Weltmeister, sie haben ihn, den Unsentimentalsten, vorgeschickt, um uns uns auch die letzten Habseligkeiten zu übergeben, die bei ihm liegen geblieben sind, in einer Plastiktüte.
„Wollen wir Freunde bleiben?“, fragt er und lächelt erbarmungslos.
„Nein, danke“, sagen wir. „Wir haben aufgehört.“
Dirk Gieselmann
Das Krefeld-Gefühl
„Ich bin jetzt immer da, wo du nicht bist“ - der Weltmeister, dem ich mich immer noch am meisten verbunden fühle, der tatsächlich immer noch da ist, wo ich bin, das ist Kevin Großkreutz.
Der Mann, der sich den Pokal auf die Schulter hat tätowieren lassen, hat vor Kurzem einen Vertrag beim KFC Uerdingen unterschrieben.
Und wenn ich sagen müsste, wie es in meiner Fan-Seele derzeit aussieht, dann würde ich eben genau das sagen: wie in Krefeld.
Sag Bescheid, wenn du mich liebst.
Dirk Gieselmann
Nun muss es ja aber irgendwie weitergehen, liebe Fans. Wir müssen die Erinnerungen abstreifen wie einen nassen Mantel. Wir müssen ihn zum Trocknen aufhängen, dann einmotten, bis wir ihn schließlich wieder hervorholen und ihn einer neuen Generation überreichen, mit den Worten:
„Der ist doch noch gut.“
„Der ist doch noch gut.“
Dirk Gieselmann
Tanztee in Moskau
Liebe Fans, wir müssen aber auch, trotz unseres fortgeschrittenen Alters, trotz aller Enttäuschungen, die wir haben hinnehmen müssen, trotz des daraus entstehenden Misstrauens in die Menschen, das Leben und den Fußball überhaupt, bereit sein, uns neu zu verlieben.
Wenden wir uns damit dem Endspiel zu.
Kroatien gegen Frankreich. Der Ball der einsamen Herzen für alle, die von ihrer Mannschaft verlassen wurden.
Warten wir also, wie einst unsere Großeltern beim Tanztee, an unserem Tischtelefon auf den ersehnten Anruf. Wenn es nicht gleich klingelt, dürfen wir nicht denken, dass niemand uns will.
Es könnte ja auch sein, dass der Apparat kaputt ist.
Dirk Gieselmann
Es klingelt wirklich nicht.
Ach.
Verdammt.
Ach.
Verdammt.
Dirk Gieselmann
Für wen soll man sein?
Nun gut. Gehen wir das Ganze mal methodisch an, wägen wir es ab wie ein Modefan, wie jemand also, der wir nie sein wollten:
Für wen sollen wir denn in diesem Finale sein?
Für Kroatien spricht vor allem Modric. Dieser schmächtige Typ, der aussieht, als hätte er seine ganze Schulzeit kopfüber im Papierkorb verbracht, doch nun taucht er auf dem Klassentreffen als gemachter Mann auf, der durch sein abseitiges Hobby, von dem er damals nie irgendwem erzählt hat, das er in einsamen Stunden im Keller des elterlichen Reihenhauses perfektioniert hat, steinreich geworden ist. Sein Triumph wäre auch der Triumph all der unterschätzten Nerds unter uns, liebe Fans.
Für Frankreich indes dürfen diejenigen sein, die mit dem Moped zur Schule gekommen sind, diese geil schimmernden Footballjacken trugen und bei der Stufenfete mit der schönen Katja knutschend unter die Eckbank gerutscht sind.
Entscheiden Sie sich: jetzt.
Und bekennen Sie sich zugleich zu Ihrer dunklen Vergangenheit.
Dirk Gieselmann
Den Triumph von Angelique Kerber im Finale von Wimbledon sahen gestern nur knapp drei Millionen Fernsehzuschauer. Das Spiel um Platz 3 zwischen Belgien und England, diesen Gipfel der Bedeutungslosigkeit, hingegen beinah neun Millionen.
Das nur zu der Frage, warum so oft Fußball gezeigt wird: Es interessiert uns offenbar trotz allem immer noch am allermeisten.
Das ist ein bisschen traurig, wie ich finde. Oder wie Arnfrid Astel bereits im Hinblick auf das Finale der Weltmeisterschaft 1974 schrieb:
Endspiel.
Die Straßen sind leer.
Man könnte jetzt Fußball dort spielen.
Das nur zu der Frage, warum so oft Fußball gezeigt wird: Es interessiert uns offenbar trotz allem immer noch am allermeisten.
Das ist ein bisschen traurig, wie ich finde. Oder wie Arnfrid Astel bereits im Hinblick auf das Finale der Weltmeisterschaft 1974 schrieb:
Endspiel.
Die Straßen sind leer.
Man könnte jetzt Fußball dort spielen.
Dirk Gieselmann
Und so wollen sie spielen.
Der mexikanische Fotograf, der, wenn ich das richtig gesehen habe, im Halbfinale das Siegtor für die Kroaten schoss und anschließend unter einer Jubeltraube begraben wurde, sitzt zunächst nur auf der Bank.
Der mexikanische Fotograf, der, wenn ich das richtig gesehen habe, im Halbfinale das Siegtor für die Kroaten schoss und anschließend unter einer Jubeltraube begraben wurde, sitzt zunächst nur auf der Bank.
Dirk Gieselmann
Sagen Sie jetzt nichts
Und nun zur beliebten Rubrik „Sagen Sie jetzt nichts“ im Magazin der Süddeutschen Zeitung.
Kennen Sie den deutschen Trinkspruch „Schulz“, Antoine Griezmann?
Wie macht eine Erdkundelehrerin, wenn sie beim Klassenkegeln Fünfte geworden ist, Luca Modric?
Was haben Sie denn da hinterm Rücken versteckt, Paul Pogba?
Freuen Sie schon auf die Begegnung mit Mick Jagger auf der Aftershowparty, Dejan Lovren?
Wussten Sie, dass ich bei den Bundesjugendspielen 1986 9,8 Sekunden über 50 Meter gelaufen bin, Kylian Mbappé?
Was ist die typische Handbewegung eines Fußballprofis im Jahr 2018, Ivan Rakitic?
Dirk Gieselmann
Wir sehen Didier Deschamps durch die Katakomben laufen wie einen Französischlehrer auf dem Weg zur Abi-Klausur. Er weiß um die Anspannung seiner Schüler, er weiß aber auch, dass das Leben noch härtere Prüfungen für sie bereit hält als diese.
Er lächelt.
Ja, er lächelt wirklich.
Hoffentlich haben wir ihn nächstes Jahr auch im Unterricht.
Er lächelt.
Ja, er lächelt wirklich.
Hoffentlich haben wir ihn nächstes Jahr auch im Unterricht.
Dirk Gieselmann
Und Hugo Lloris geht in den Strafraum, um, wenn ich das richtig sehe, noch mal schnell den Rasen zu mähen.
Dirk Gieselmann
Und ein letztes Mal zur Erfolgsreihe „Was sagen Paninibilder der Vergangenheit zu Gegenwart?“.
Frage: „Freuen Sie sich auch so, dass Kollege Fabian Jonas soeben das Tickerstudio betreten hat, Robert Pires?“
Antwort: „Natürlisch!“
Frage: „Freuen Sie sich auch so, dass Kollege Fabian Jonas soeben das Tickerstudio betreten hat, Robert Pires?“
Antwort: „Natürlisch!“
Dirk Gieselmann
„Heute isses soweit“, sagt Oliver Welke, als ginge es darum, Opas Wohnzimmer leerzuräumen, damit endlich der alte Teppich rausgerissen werden kann. Und Oliver Kahn trägt Opa einfach auf dem Sessel raus und stellt ihn im Flur ab.
Opa: „Hilfe! Überfall!“
Kahn: „Stell dich nicht so an.“
Opa: „Hilfe! Überfall!“
Kahn: „Stell dich nicht so an.“