Fifa:WM alle zwei Jahre?

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Und nun? Fifa-Boss Gianni Infantino kann keine Fußballweltmeisterschaft ohne die Nationalmannschaften Europas und Südamerikas veranstalten. (Foto: Pavel Golovkin/AP)

Beim Fifa-Kongress wirbt Saudi-Arabien für eine Machbarkeitsstudie zum Thema Fußball-Weltmeisterschaft im Zweijahresrhythmus. Dahinter stecken mal wieder die Expansionsträume von Präsident Infantino.

Von Thomas Kistner, München

Traditionell sind Kongresse beim Fußball-Weltverband Fifa ausgeprägte One-Man-Shows, in der Online-Ära unter Gianni Infantino hat die Tendenz zum Personenkult nicht abgenommen. Und nun darf sich der Fifa-Präsident auch wieder etwas freier fühlen: Seine in der Politik bestens vernetzte Verteidigung hat in der Schweiz rechtzeitig für die Abberufung des Sonder-Bundesanwalts Stefan Keller gesorgt, der Infantinos diskrete Umtriebe innerhalb der Justiz und auch seine Konflikte mit der Fifa-Compliance untersucht hatte. Beim 71. Fifa-Kongress am Freitag wird der Boss also wieder Fensterreden auf Integrität und Fairplay halten können - und nebenbei, so der Plan, die eigenen Kontrollorgane noch stärker unter seine Fuchtel bringen.

Natürlich werden auch Infantinos Expansionsträume, der Angriff auf die global profitabelsten Fußballrechte, weiter vorangetrieben. Insbesondere in Europa, wo gerade ein echter Staatsstreich abgewehrt worden ist: die Abspaltung von ein paar superreichen Teams (die nun überwiegend superverschuldet sind) in eine Superliga. Das ist vom Tisch. Aber insbesondere Europas Verbände schauen jetzt irritiert auf die Fifa-Kongress-Agenda. Die weist nämlich einen altvertrauten Vorstoß auf, geführt diesmal vom Nationalverband Saudi-Arabiens: Er schlägt dem Konvent eine Machbarkeitsstudie zur Frage vor, ob man die Fußball-WM nicht alle zwei statt alle vier Jahre abhalten könne. Das immer selbe Thema im ständig neuen Gewand: In Führungskreisen der Europäischen Fußball-Union Uefa wird allerdings auch amüsiert registriert, dass Infantino für seinen x-ten Vorstoß zu noch mehr Turnieren keinen bedeutenderen Verband mehr gefunden habe als die Monarchie am Golf. Zugleich fällt ins Auge, dass just die Funktionäre aus Riad mit ihrem Antrag auch für eine alle zwei Jahre stattfindende Frauen-WM trommeln. Frauenfußball war bisher nicht Saudi-Arabiens Steckenpferd.

Und dann wären da noch die anstehenden Restaurationsarbeiten am Fifa-Ethikkomitee. Dort hatte Infantino beim Kongress 2017 zwei scharfe Aufpasser (die seinen Amtsvorgänger Sepp Blatter vom Thron gestürzt hatten und auch ihm hart an den Fersen klebten) per Handstreich durch Leute seiner Wahl ersetzt: Chefanklägerin Maria Claudia Rojas aus Kolumbien und den griechischen Chefrichter Vasilios Skouris. Beide drückten über die vierjährige Amtszeit trotz heftigster Eskapaden des Bosses alle Augen zu - ganz so, als gäbe es gar keine Ethik-Aufsicht. Die aber für kleinere Sünder wieder präsent war, von der Karibik bis ins tiefe Afrika wurde rigoros durchgegriffen.

Infantino würde das ihm gewogene Ethikkomitee gern behalten

Rojas, eine Verwaltungsrichterin aus Cali, die weder Strafrecht noch eine der drei Fifa-Verfahrenssprachen beherrscht, demonstriert ihr Justizverständnis vor dem Kongress nun auf besondere Weise: Sie kandidiert erneut für das (mit gut einer Viertelmillion Dollar pro Jahr dotierte) Amt der Chefanklägerin - und parallel für die Spruchkammer. Das wäre praktisch, in der Richterrolle könnte sie gleich ihr Urteil über all die Verfahren fällen, die sie zuvor selbst eröffnet und untersucht hat. Weitermachen will aber auch Skouris.

Womöglich steckt hinter diesen Manövern, wie fast immer bei Fifa-Kontrollorganen, auch eine politische Agenda. Dummerweise wirbt um das Chefrichteramt nun auch ein als wirklich unabhängig geltender Kandidat, den die Uefa ermuntert hat: Jean-Michel Marmayou. Der Franzose ist Kriminalwissenschaftler und Sportrechtsexperte an der Universität Marseille. Einen, den Infantino nicht selbst examiniert hat, dürfte die Fifa-Führung aber eher nicht brauchen. Es ist ja gut dokumentiert, wie sie ihre Ethikgremien am Gängelband führt; im Dunstkreis um Infatino gibt es regelmäßig abstruse Vorgänge. So fand Chefermittlerin Rojas völlig in Ordnung, dass der Boss das nachträgliche Okay für einen über 200 000 Dollar teuren Privatjet-Trip im Zuge einer Dienstreise per Lüge gegenüber dem eigenen Compliance-Chef hatte einholen lassen. Und Skouris hatte die Lacher auf seiner Seite, als er in einem Verfahren zu den Millionenzahlungen im deutschen WM-"Sommermärchen" den wichtigsten Zeugen und Geldempfänger, Mohamed bin Hammam in Katar, kurzerhand für tot erklärte.

Diese amüsante, allerdings wenig zielführende Rechtsprechung setzt den Trend unter Infantino, der selbst weiter im Fokus der Schweizer Strafjustiz steht. Auch deshalb ist anzunehmen, dass er Rojas irgendwo im gefügigen Kontrollapparat unterbringen will. Die Krönung ihres Wirkens war immerhin der Beschluss, dass es wirklich gar keinen Grund für eine Suspendierung Infantinos gebe - bloß, weil gegen diesen in der Schweiz Strafermittlungen eröffnet wurden. Wegen seiner Geheimtreffen mit dem (inzwischen abgetretenen) Berner Bundesanwalt Michael Lauber und der Einmischung in Gerichtsverfahren.

Schweizer Juristen rügen die Vorgänge

Beim Kongress am Freitag werden die Mitgliedsnationen en bloc die neuen Chefs und Mitglieder der Ethikgremien abnicken, das geht bequem elektronisch. Debatten sind nicht vorgesehen. Per Kopfnicken dürfte auch die Verschmelzung des Compliance- mit dem Governance-Komitee erfolgen. Ein lästiges Kontrollorgan weniger.

In der Schweiz hat sich Infantino eine Verschnaufpause verschafft. Sonderermittler Keller gibt das Mandat erzwungenermaßen ab. Die Ermittlungen aber sind nicht beendet. Renommierte Juristen rügen bereits die jüngste Justiz-Posse, die für Kellers Abberufung sorgte; der erfahrene Bundesrichter Hans Wiprächtiger zieht die Seriosität des Urteils in Zweifel, andere die möglichen Intentionen der dreiköpfigen Beschwerdekammer, die das Verdikt verfasst hatte. Zumal das Trio auch gleich verfügte, dass sein Spruch nicht überprüft werden darf - ein origineller Vorgang für ein erstinstanzliches Urteil. Der Fußball, die Fifa und die Schweizer Justiz - ein spannendes Thema. Über das beim Kongress bestimmt wieder niemand ein Wort verlieren wird.

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