WM 2010: Spanien:Romantische Begegnung in Öl

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Beim Einzug ins Halbfinale profitiert Spanien von Torwart Iker Casillas und einem Karambolage-Treffer. Nach dem Kuschelkurs fürchtet die Selección nun die mögliche Revanche der Deutschen für das verlorene EM-Finale von 2008.

Javier Cáceres

Als die Partie gegen Paraguay vorüber war und Spanien das Halbfinale erreicht hatte, flog Real Madrids Torwart Iker Casillas in die Arme von ... - neeeeiiinn, natürlich nicht von Sara Carbonero, jener Fernsehjournalistin, die, wie mittlerweile gar den größten Fußball-Puristen bekannt sein dürfte, wegen ihrer WM-Doppelfunktion in die Schlagzeilen geraten ist: Einerseits wurde weltweit bekannt, dass sie die sentimentale Partnerin des Kapitäns der spanischen Nationalelf ist, andererseits ist Carbonero in Südafrika die Chefinterviewerin eines spanischen Privatsenders.

Spaniens Torwart Iker Casillas (rechts) rettete im Spiel gegen Paraguay mit einer klasse Parade in der Schlussphase den mühsamen Sieg der Iberer. (Foto: afp)

Casillas kuschelte also fremd, gewissermaßen. Und wer wollte, konnte sich die Vuvuzelas weg - und zarte Schalmeienklänge dazudenken, als Reservetorwart Pepe Reina, ein Baum von Kerl, wie man so sagt, auf den Real-Madrid-Keeper zuraste und ihn fast zerdrückte voller Zärtlichkeit. Casillas hatte die mächtigen Arme des Kollegen gesucht und gefunden, und dann standen sie da, einander herzend, noch viel inniger und schmachtender, als es Diego Armando Maradona bei seinen Männern tat, bis er weinend ausschied. Würde man die romantische Begegnung in Öl malen, so könnte man das Bild gut "Gracias, tío", nennen, Danke, Alter. Oder: "Wie Recht Du doch hattest". Denn es war Reinas offenherziger Selbsterfahrungsbericht, der Casillas dabei half, zum Helden zu werden. Zum säkularen Heiligen der spanischen Neuzeit. Zu "San Iker", wie so oft.

Rechter Pfosten, linker Pfosten

Später, in der Mixed Zone, wollte Reina, der gewöhnlich für den FC Liverpool hält, gar nicht so viel davon wissen, dass er einen entscheidenden Beitrag geleistet hatte. Denn vor Spaniens Partie gegen Paraguay hatte er Casillas zugeraunt, dass Óscar Cardozo (Benfica Lissabon) zwei Mal in einem Europa-League-Spiel gegen ihn vom Elfmeterpunkt erfolgreich war, beide Male schoss er stramm nach rechts. Am Sonntagabend versuchte er es gegen Casillas auf die gleiche Weise, beim Stand von 0:0 aber hielt Casillas (58.). Obwohl er sich eigentlich beim Parieren von Elfmetern auf die Intuition verlasse, habe er in diesem Fall den Ratschlag Reinas beherzigt. "Zum Glück." Nur so konnte Spanien einen Rückstand verhindern - und aus dem Wust an skurrilen Szenen, die noch folgten, als Sieger vom Platz gehen.

Denn dem Elfmeter für die Südamerikaner folgte praktisch im Gegenzug ein fragwürdiger Foulelfmeter an David Villa; Xabi Alonso verwandelte zunächst und verschoss dann die vom Schiedsrichter Juan Batres verfügte Wiederholung (ein paar Spanier waren zu schnell in den Strafraum gelaufen). Dann versagte der Referee aus Guatemala den Spaniern einen klaren Elfmeter, als Torwart Justo Villar den nach dem Abpraller eilenden Fàbregas zu Fall brachte. Schließlich erzielte David Villa einen Treffer, den Torwart Casillas ein "reines Karambolage-Tor" nannte.

Was die Vollendung betraf, stimmte das, nicht aber in Bezug auf die traumhafte Vorbereitung, bei der Xavi den Ball mit der Hacke zu Andrés Iniesta spielte, der wiederum mit einem grandiosen Solo den eingewechselten Pedro mit einem Pass von der Strafraumgrenze freispielte. Erst dann folgte die Karambolage: Pedro traf den rechten Pfosten, Villa mit dem Abpraller erst den rechten, dann den linken Innenpfosten. Trotz seiner seltsamen Eigenschaften flog der Ball schließlich ins Netz.

Die Revanche für 2008

"Wir brauchten so einen Sieg", sagte Casillas, der kurz vor Schluss bei Versuchen von Lucas Barrios und Roque Santa Cruz erst Glück hatte und schließlich grandiose Reflexe zeigte. "Seine Leistung war fraglos unsere Rettung", sagte Trainer Del Bosque. Der Coach war alles andere als zufrieden, der ungemein zähe Gegner Paraguay - dem in der ersten Halbzeit ein reguläres Tor des Dortmunders Nelson Haedo Valdéz aberkannt worden war - hatte die erwartet harte, zähe Herausforderung geboten.

Nun vermengen sich mit Blick aufs Halbfinale der Gefühle. Denn einerseits identifizieren sich die Spanier mit dem deutschen Fußball so sehr wie nie zuvor. Das Spiel wird fast schon wie eine germanische Version der eigenen Spielphilosophie empfunden - weil es auf Ballbesitz und der sorgsamen Suche nach Optionen beruht. Andererseits haben die Siege gegen England (4:1) und Argentinien (4:0) für enorm viel Respekt gesorgt.

"Der Endspieleinzug wird schwierig. Wir werden auf eine völlig andere Mannschaft als 2008 treffen", sagte denn auch Torwart Casillas. "Sie ist in meinen Augen die bisher beste Mannschaft des Turniers." Und überhaupt: "Sie wollen bestimmt Revanche für 2008." Auch Mittelfeldstratege Iniesta und Torjäger Villa sprachen von einem bislang erstaunlich souveränen Turnierverlauf für die Deutschen, beiden halten sie für jünger und agiler als 2008. "Was sie hier in Südafrika gespielt hat, ist wirklich sensationell", sagte Villa. Der neue Stürmer des FC Barcelona glaubt freilich auch, dass der Respekt auf Gegenseitigkeit beruht. "Ich denke mal, dass Deutschland auch nicht glücklich darüber ist, gegen uns antreten zu müssen."

© SZ vom 05.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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