WM 2010: Achtelfinale:Afrikas Traum lebt

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Dank Asamoah Gyans Siegtor in der Verlängerung ringt Ghana die USA mit 2:1 nieder und steht im WM-Viertelfinale. Ein ganzer Kontinent darf jetzt auf einen historischen Erfolg hoffen.

David Bernreuther

Drei Minuten war die Verlängerung alt, nach 90 intensiven Minuten schienen die Spieler gerade ein wenig durchzuschnaufen. Plötzlich flog der Ball in die Hälfte der Amerikaner, er war nicht präzise gespielt, sondern einfach hoch und weit. Ghanas Asamoah Gyan nahm Tempo auf und lief dem Ball hinterher. Er nahm ihn mit der Brust an, rannte zwischen den behäbigen amerikanischen Innenverteidigern hindurch, selbst ein Schubser von Carlos Bocanegra hielt ihn nicht auf. Gyan strauchelte kurz, dann zog er ab und hämmerte den Ball über Tim Howard hinweg ins Tor.

Der entscheidende Moment: Ghanas Asamoah Gyan (vorne) erzielt das Tor zum 2:1, Jay DeMerit kommt zu spät. (Foto: getty)

Es war das 2:1 für Ghana, das Siegtor im Achtelfinale der Fußball-Weltmeisterschaft. Die Vuvuzelas im Stadion von Rustenburg heulten auf, als würde ein ganzer Kontinent gleichzeitig aus vollem Leib in die Tröten blasen.

Afrikas Hoffnung

Es ging nicht nur um den Sieg für Ghana, es ging um mehr. Als einzig verbliebene afrikanische Mannschaft verkörpert Ghana die Hoffnung eines ganzen Kontinents. "Die 'Black Stars' halten Afrikas Träume am Leben" titelte eine Zeitung in Ghana, nachdem die anderen fünf afrikanischen Mannschaften in der Vorrunde gescheitert waren. Jermaine Craig, der Sprecher des südafrikanischen WM-Organisationskomitees, erklärte die ghanaische Mannschaft kurzerhand zum neuen Favoriten des Gastgebers: "Sie sind jetzt auch das Team unseres Landes." Noch nie stand eine Mannschaft aus Afrika im Halbfinale einer Weltmeisterschaft. Ghana ist jetzt nur noch einen Sieg davon entfernt, am Freitag gegen Uruguay kann der historische Schritt gelingen.

Für die USA bedeutete das Achtelfinale eine große Chance im Kampf um mehr Aufmerksamkeit für "Soccer" in den Vereinigten Staaten. "Wir sind eine Sport-Nation mit einer Gewinn-Alles-oder-Nichts-Mentalität", sagte Nationaltorhüter Howard im Vorfeld des Achtelfinals. "Wenn Du nichts gewinnst, interessiert es auch keinen." Die Aufholjagd gegen Slowenien und das Last-Minute-Tor von Landon Donovan gegen Algerien hatten in den USA Fußball-Euphorie ausgelöst, auch Präsident Barrack Obama hatte der Mannschaft zum "außergewöhnlichen Sieg" gratuliert.

Ghanas Trainer Milovan Rajevac gab sich vor dem Achtelfinale martialisch: "Die USA sind zu einer fußballerischen Supermacht aufgestiegen. Es wird 90 Minuten Krieg auf dem Rasen geben." Dass seine Mannschaft von der ersten Minute an präsent und wach wirkte, dürfte dem Serben deshalb gefallen haben. Die USA wirkten dagegen unaufmerksam, etwa Ricardo Clark, der sich in der fünften Minute im Mittelkreis den Ball abluchsen ließ. Die Kugel prallte zu Kevin-Prince Boateng, der sofort Tempo aufnahm und auf den Strafraum zu lief. Weil US-Verteidiger Jay DeMerit nur zaghaft angriff, zog Boateng aus 18 Metern ab, der Ball landete im kurzen Eck knapp neben dem Pfosten - 1:0 für Ghana.

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Mit der Führung im Rücken war Ghana weiterhin spielbestimmend und stieß immer wieder in die Lücken, die sich besonders auf der linken Abwehrseite der US-Amerikaner auftaten. Einen Freistoß von Asamoah Gyan wehrte Torwart Tim Howard mit den Fäusten ab, kurz darauf machte Kwadwo Asamoah eine Chance durch eine ungenaue Hereingabe zunichte - in der Mitte wäre Boateng frei gestanden.

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Die USA kamen überhaupt nicht ins Spiel, bei den seltenen Angriffsversuchen rannten sich die Spieler in der kompakten ghanaischen Abwehr fest, bevor es wirklich gefährlich werden konnte. Nach einer halben Stunde nahm Trainer Bob Bradley mit Clark seinen "Sechser" vom Feld und brachte den offensiveren Maurice Edu. Vier Minuten später hatten die Amerikaner die erste gute Torchance: Robbie Findley tauchte vor dem Tor auf, scheiterte aber mit einem Flachschuss an Richard Kingson. In der Abwehr leisteten sich die Amerikaner aber weiterhin Unsicherheiten. Nach einem Abstoß von Kingson und einer simplen Kopfballverlängerung war Kwadwo Asamoah alleine vor dem Tor, aus spitzem Winkel brachte er den Ball aber nicht an Howard vorbei.

Nach der Halbzeit zeigte sich schon nach zwei Minuten, dass die USA neuen Schwung aus der Kabine mitgebracht hatten. Nach einer Kombination über die rechte Seite - der ersten gelungenen Kombination im Spiel der Amerikaner - spitzelte Jozy Altidore den Ball zu Benny Feilhaber, der fünf Meter vor dem Tor stand. Ghanas Torwart Kingson stürzte heraus, warf sich vor den Schützen und wehrte den Ball ab. Nun waren die USA wacher, präsenter, zielstrebiger - Ghana lauerte auf Konter.

Die Kräfte schwinden

In der 61. Minute drang Clint Dempsey in den Strafraum ein, Ghanas Verteidiger Jonathan Mensah kam zu spät und traf Dempsey am Bein. Den fälligen Strafstoß verwandelte Donovan (62.). Nun waren die USA oben auf, Altidore lief alleine auf Kingson zu, legte sich den Ball allerdings zu weit vor, so dass der ghanaische Torwart per Grätsche klärte. Bei Ghana schienen die Kräfte mehr und mehr zu schwinden. Zehn Minuten vor Schluss setzte sich Altidore im Strafraum durch, kam dann allerdings ins Straucheln und schaufelte den Ball im Fallen knapp am rechten Pfosten vorbei. Es blieb beim 1:1 nach 90 Minuten, das Spiel ging in die Verlängerung.

Es folgte der große Moment von Asamoah Gyan, der in der 93. Minute das 2:1 erzielte. Ghana verteidigte die Führung, stand meist mit allen Spielern in der eigenen Hälfte. Die USA kamen kaum noch zu Chancen und waren stehend K.o., Schüsse von Feilhaber (96.) und Dempsey (120.) wurden abgeblockt. Die Zeit lief ab, drei Minuten ließ der Schiedsrichter nachspielen. Ghana verteidigte, Ghana zitterte. Und als der Schlusspfiff ertönte, heulten die Vuvuzelas im Stadion von Rustenburg auf - so laut, dass es vermutlich sogar im entfernten Algerien zu hören war.

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