Ein großes öffentliches Wehklagen hat eingesetzt in Russland. Die Langlauf-Chefin ist empört, der Sportminister, natürlich auch der Vize-Premier Witalij Mutko, und die vielen Gazetten sind es sowieso. Ein alarmierendes und verwunderliches Urteil sei die Dopingsperre der Langläufer Alexander Legkow und Jewgenij Below; eine Verschwörung zulasten der russischen Sportler. Doch in so manchem internen sportpolitischen Zirkel nehmen sie das Verdikt deutlich gelassener hin.
Am Mittwochabend hatte das Internationale Olympische Komitee (IOC) mitgeteilt, dass Legkow seine Medaillen von den Sotschi-Spielen 2014 (Gold über 50 Kilometer, Silber in der Staffel) zurückgeben muss und für künftige Spiele gesperrt ist. Gleiches gilt für Below. Vier weiteren Langläufern sowie Athleten anderer Sportarten droht in den nächsten Tagen die gleiche Sanktion. Aber dennoch wäre es falsch, aus diesem Urteil den Schluss zu ziehen, dass das IOC wegen des dokumentierten Staatsdopingsystems plötzlich besonders streng zu Russland wäre.
Mehr als 1000 Sportler sollen davon profitiert haben
Entscheidend ist nämlich nicht der Umgang mit einzelnen Sportlern, sondern der Umgang mit dem System als Ganzem. Und vieles deutet derzeit darauf hin, dass zwar einige Athleten Sanktionen erhalten, damit das IOC vorgeblich hartes Durchgreifen suggerieren kann - aber das System als Ganzes (nahezu) ungestraft davonkommt und Russland an den Winterspielen 2018 in Pyeongchang teilnehmen darf.
Im vergangenen Dezember hatte der kanadische Sonderermittler Richard McLaren seine Erkenntnisse über jahrelanges Staatsdoping in Russland präsentiert. Er war von der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) eingesetzt worden und er wies nach, wie unter Orchestrierung des Sportministeriums in Moskau ein Doping- und Manipulationssystem funktionierte, an dem auch der Geheimdienst, die Anti-Doping-Agentur (Rusada) sowie das Kontrolllabor in Moskau beteiligt waren.
Mehr als 1000 Sportler hätten davon profitiert, teilte McLaren mit. Darunter waren auch viele Medaillenanwärter für Sotschi; der Plan lautete, die Athleten zu dopen und deren schmutzige Urinproben während Olympia durch vorbereiteten sauberen Urin auszutauschen. Konkrete Doping-Nachweise für einzelne Athleten zu führen, war nicht McLarens Aufgabe, wie er betonte. Zudem lag das ja auch in der Natur des Systems, just diesen konkreten Nachweis schwer bis unmöglich zu machen.