Am Mittwoch hat Königin Camilla den Championships einen Besuch abgestattet. Her Majesty The Queen schätzt Kunstschläge aus dem Handgelenk, das unterscheidet sie von ihrer Vorgängerin Elizabeth II., die zeitlebens den gestreckten Galopp von Vierhufern auf Turf bevorzugte. Und das Duell, das sich vor der Royal Box auf dem Rasen entfaltete, war tatsächlich ein Tennisspektakel: die Wiederholung des Finales 2022 zwischen Elena Rybakina aus Kasachstan und der Tunesierin Ons Jabeur. Nur wurde dieses Mal noch nicht um die schwere Silberschale gespielt, sondern lediglich um den Einzug ins Halbfinale.
Ons Jabeur, 28, die im vergangenen Sommer leer ausgegangen war, hatte einiges gutzumachen. Wie damals ertüftelte sie mit ihrem Trainer Issam Jellali einen Schlachtplan. Und diesmal schwor sie sich und ihrem Team, sich unter allen Umständen, "zu 100 Prozent", daran zu halten, was immer ihr Rybakina von der anderen Seite des Netzes entgegenschleudern würde.
Das zweite Halbfinale bestreiten Elena Switolina und Marketa Vondrousova
Das Vorhaben gelang, sie gewann die Revanche in drei Sätzen 6:7 (5), 6:4, 6:1, auch wenn sie zwischendurch, recht unköniglich vor sich hin schimpfend, die Nerven verlor. "Ich wünschte", gab sie danach seufzend zu, "ich könnte dieses Match gegen das aus dem vergangenen Jahr eintauschen."
Sie hätte damals die erste Frau aus ihrem Land, aus dem arabischen Raum und aus Afrika werden können, die Wimbledon gewinnt. Ein ganzer Kontinent scheint mittlerweile ihre wunderbare Tenniskarriere zu verfolgen. Sie ist über die Jahre zum Vorbild geworden für junge Mädchen und Frauen, weil sie immer wieder neue Wegmarken erreicht - den ersten WTA-Titelgewinn, die erste Position unter den besten Zehn der Weltrangliste im Tennis, das erste Grand-Slam-Finale. "Mein Tennis", hat sie in Wimbledon wiederholt, "soll inspirieren", und nach dem Auftritt am Mittwoch dürfen ihre Anhänger in Tunesien weiter hoffen.
Denn neben dem normalerweise ausgeglichenen Temperament, das ihr im Heimatland den Beinamen "Minister of Happiness" eintrug, ist Ons Jabeur mit einem phänomenalen Talent gesegnet. Ihr Schlagrepertoire ist so groß, dass sie früher manchmal gar nicht wusste, welche Finesse sie wählen sollte und Punkte aus reiner Unentschlossenheit vergab.
In der Neuauflage des Rybakina-Duells behielt sie die Ruhe angesichts der gewaltigen Aufschläge der Gegnerin, auch als sie den ersten Satz im Tiebreak mit einem Fehler verlor. Es war dann Rybakina, die Mitte des zweiten Satzes den Aufschlag und auch die Kontrolle über das Match verlor. Im Entscheidungssatz ließ Jabeur die Bälle quer über den Platz, von einer Seite auf die andere, fliegen, ehe sie fünf Spiele nacheinander und das Duell gewann.
In der Runde der letzte Vier wird sie nun an diesem Donnerstag auf Aryna Sabalenka, 25, aus Belarus treffen. Die Weltranglistenzweite mit den Powerschlägen bezwang die US-Amerikanerin Madison Keys, die US-Open-Finalistin 2017, in nur 90 Minuten 6:2, 6:4. Ein Break zum 4:2 im zweiten Satz konnte Keys nicht nutzen. Ons Jabeur gibt sich keinen Illusionen hin: "Ich habe gesehen, wie schnell sie fertig war", sagte sie: "Das stimmt mich natürlich nicht froh: Es wird ein schweres Match." Das zweite Halbfinale bestreiten Elena Switolina aus der Ukraine und Marketa Vondrousova aus Tschechien.
Auch Aryna Sabalenka, die Siegerin der Australian Open, ist gewarnt. Sie hatte mit Ons Jabeur in den Tagen vor Wimbledon eine Trainingseinheit eingelegt: "Und da war sie unglaublich", stellte Sabalenka fest. Die Royal Box, davon ist auszugehen, wird auch am Donnerstag gut gefüllt sein.