Werder Bremen:Die neuen Spaßverderber der Liga

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Erst das Ergebnis, dann die Ästhetik: Das Bremer Kollektiv erkämpft einen Punkt dank des rackernden Torschützen Josh Sargent (Mitte). (Foto: Uwe Anspach/dpa)

Bremen gelingt in Frankfurt das dritte 1:1 in Serie. Der Stilwandel weg vom Ballbesitzfußball scheint sich zu lohnen. Trainer Kohfeldt sagt: "Das ist nicht gegen meine Philosophie, das ist clever."

Von Frank Hellmann, Frankfurt

Die vielleicht augenfälligste Veränderung in dieser Saison hat Florian Kohfeldt bei sich selbst vorgenommen. Ganz bewusst verzichtet der Fußballlehrer des SV Werder auf die Trainingsklamotten und leitet ein Bundesligaspiel stattdessen in Zivil. Im Frankfurter Stadtwald hatte sich der 38-Jährige einen grauen Pullover mit offenem Reißverschluss angezogen, was ihn mal wieder recht leger aussehen ließ. Dummerweise kommen Bremer Bundesligaspiele derzeit nicht ansatzweise so lässig rüber. Wenn es eines Beleges bedurfte, dass die Grün-Weißen gerade als die größten Spaßverderber der Liga unterwegs sind, dann lieferte ihn das 1:1 bei Eintracht Frankfurt. Kohfeldts Truppe taugt in diesen freudlosen Pandemie-Zeiten nur bedingt zur guten Unterhaltung - sie liefert dem Fernsehpublikum eher zähe Kost. Für Werder war es das dritte Remis in Serie, genau dieselben Resultate hatte es auch gegen die TSG Hoffenheim und beim SC Freiburg gegeben.

Von früheren Sturm-und-Drang-Zeiten sind die Hanseaten jedenfalls ungefähr so weit entfernt wie deutsche Großstädte von einem Corona-Inzidenzwert unter 25. Für Kohfeldt ist der Stilwechsel seiner Mannschaft, die Abkehr vom lange propagierten Ballbesitzfußball, fast alternativlos. "Keiner muss glauben, dass ich meine Spielphilosophie verändere. Aber wir müssen realistisch sein. Diese Saison gehen wir den Weg andersherum." Es ist der pragmatische Kurs, der mit neun Punkten nach sechs Spieltagen einen bereits sehr ordentlichen Ertrag eingebracht hat. Es besteht bereits ein kleines Polster zu Abstiegszone und irgendwann, so denkt Kohfeldt, 38, kann er dann den nächsten Schritt einfordern, der mehr Ästhetik vorsieht.

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Auch in Frankfurt wurde mit einer Fünferkette verteidigt, in der Kapitän Niklas Moisander sich mitunter wie ein Libero fallen ließ; davor verdichtete eine Doppelsechs mit Christian Groß und Maximilian Eggestein die Räume. Die Defensivtaktik ging gegen eine ideenlose Eintracht auf, die lange auf die erste Chance warten musste. Als Daichi Kamada dann doch im Nachschuss getroffen hatte, erkannte der Videoschiedsrichter im Kölner Kontrollraum mit allen technischen Hilfsmitteln eine Abseitsstellung von Passempfänger André Silva (34.).

Den Bremern glückte prompt mit dem ersten klug zu Ende gespielten Konter durch den unermüdlichen Joshua Sargent die Führung (51.). Auch wenn Frankfurt danach klar tonangebend war, wäre der Ausgleich durch André Silva (65.) gewiss nicht gefallen, wenn sich Jean-Manuel Mbom nicht an der Außenlinie einen törichten Ballverlust geleistet hätte. Dem 20-Jährigen aus dem eigenen Nachwuchs werde man "nicht den Kopf ausreißen, sondern wir bauen ihn wieder auf", versicherte Kohfeldt. Das Spiel mit dem Ball, dozierte er, "müssen wir uns hart neu erarbeiten".

Er hat Gefallen an der Rolle eines ganz und gar nicht dogmatischen Fußballehrers, der seinen eigenen Anspruch an das vorhandene Niveau der Akteure anpasst. "Ich kann nicht etwas indoktrinieren, was nicht passt. Dann wäre ich ein schlechter Trainer. Wenn wir uns etwas tiefer stellen, dann ist das nicht gegen meine Philosophie - das ist clever." Natürlich würde er sich auch wünschen, "wir gehen vorne drauf, haben 70, 80 Prozent Ballbesitz, viele Torchancen" - aber so funktioniere das nicht. Er sei nicht Bundesliga-Trainer geworden, "um einfach schön Fußball zu spielen". Nach dem Fast-Abstieg im Sommer, erst in der Relegation in zwei Zitterspielen gegen den 1. FC Heidenheim abgewendet, habe er oft gehört, sein Ensemble sei zu lieb. "Wenn jetzt alle sagen, wir sind super unangenehm, spricht das für uns".

Es sind nüchterne Erkenntnisse eines Trainers, der fast auf den Tag genau vor drei Jahren mit einem 1:2 bei Eintracht Frankfurt debütierte, aber bereits an jenem 3. November 2017 erahnen ließ, was seine Prinzipien sein könnten. Der Unterschied, verriet Kohfeldt nun, sei schlicht das Spielermaterial gewesen. Er übernahm Werder zwar als sieglosen Vorletzten, aber ihm standen ausgebuffte Akteure wie Max Kruse zur Verfügung. Der Turnaround gelang nahezu mit spielerischer Leichtigkeit, und der Novize hatte in Windeseile seine Handschrift übermittelt. Doch auch im Herbst 2020 sind die Perspektiven nicht schlecht. Wenn Freitag der 1. FC Köln ins Weserstadion kommt, "haben wir die Riesenchance mit einem Heimsieg und einem guten Gefühl in die Länderspielpause zu gehen", sagte Kohfeldt. "Nach drei Mal 1:1 wäre schön, wenn wir mal wieder gewinnen."

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