50 000 Dollar. Diese Summe dürfte Florian Wellbrock bald vom Schwimm-Weltverband überwiesen bekommen für seine vier Medaillen, die er bislang bei den Weltmeisterschaften in Budapest gewonnen hat. Klingt nicht nach so wahnsinnig viel Geld. Die zwei Weltrekorde, die der Italiener Thomas Ceccon und der Ungar Kristof Milak vergangene Woche bei den Becken-Wettbewerben aufgestellt hatten, bringen ihnen ebenfalls je 50 000 Dollar ein - zusätzlich zu den 20 000, die ihnen der WM-Titel beschert. Aber immerhin: So ein fünfstelliger Betrag ist ja nun auch kein schlechter Wochenlohn in diesem olympischen Kernsport, in dem nur wenige Protagonisten groß verdienen.
Vergangener Montag: Silber über 800 Meter Freistil. Samstag: Bronze über 1500 Meter Freistil. Sonntag: Gold mit der Freiwasser-Mixed-Staffel im Lupasee. Am Montag nun: Gold im Freiwasser-Einzel über die Fünf-Kilometer-Distanz. Für Wellbrock, den Schlaks aus Magdeburg, sind goldene Tage an diesem künstlich angelegten Strandbad angebrochen, der 24-Jährige wirkt gelöst, wie von einer Last befreit, die ihn im Becken noch belastet hatte. Er war dort nicht zufrieden gewesen mit Silber und Bronze, sein Trainer Bernd Berkhahn war nicht zufrieden gewesen damit, wie der Schwimmer die taktischen Vorgaben umgesetzt hatte.
Schwimm-WM:Endlich Einzel-Gold - Wellbrock triumphiert über 5km
Der beste deutsche Schwimmer wird zum Dominator der Weltmeisterschaft in Budapest: Im Freiwasser-Rennen lässt Wellbrock einen Italiener und einen befreundeten Ukrainer hinter sich.
Danach sprach Wellbrock offenbar viel mit der mitgereisten Psychologin, auch am Montagmorgen, wie Berkhahn später berichtete: "Wenn man ihn in eine richtige Stimmungslage bringt, ist er klar im Kopf und liefert ab." Um 9 Uhr sprang er jedenfalls guten Mutes in den warmen See. Wellbrock liebt das warme Wasser, im SZ-Interview hatte er vor WM-Beginn gesagt: "Was die Wassertemperatur angeht, bin ich wirklich ein Warmduscher. Ab 25 Grad fange ich an, mich wohlzufühlen." Das Wasser in Ungarn hatte 26,7 Grad.
Und Wellbrock lieferte.
Wellbrocks Trainer Berkhahn ist diesmal stolz: "Die Drei haben das Feld deklassiert."
15 Kilometer nördlich von Budapests Zentrum gelang ihm ein famoses Rennen. Er hielt seine Rivalen Gregorio Paltrinieri und Mychajlo Romantschuk in Schach, die gleich am Anfang davonziehen wollten - am Ende der ersten Geraden hatte Wellbrock sie eingeholt. Von da an schwamm er sein Tempo, zunächst hinter Romantschuk, der viel Führungsarbeit leistete, später trieb der Deutsche das enteilte Trio selbst an. Nach 52:48 Minuten kam er ins Ziel, knapp vier Sekunden vor Paltrinieri, der ihn über 1500 Meter im Becken noch düpiert hatte, und rund 25 Sekunden vor Romantschuk. "Wir wollten es hinten nicht auf einen Endspurt mit 15 Leuten ankommen lassen", sagte Wellbrock, sein Trainer Berkhahn war nun stolz: "Die Drei haben das Feld deklassiert."
Das war auch so eine Geschichte dieses Rennes: Das Trio umarmte sich nach der Siegerehrung innig, die Konkurrenten schätzen sich sehr - und frotzeln auch öfter. Vor fünf Wochen hatte Paltrinieri auf einen Instagram-Eintrag von Romantschuk ("Habe gerade meinen ersten Freiwasser-Wettkampf beendet, eine neue Erfahrung für mich, aber ich bin glücklich mit dem Ergebnis"), so geantwortet: "Geh lieber zurück in den Pool." Romantschuk ist Wellbrock ohnehin ans Herz gewachsen, seit er den Ukrainer, als der Krieg begann, nach Magdeburg in seine Trainingsgruppe gelotst hat - und nun offenbar auch ins Freiwasser.
Team-Gold bei der Schwimm-WM:Richtig abgebogen im Chaos
Die deutsche Freiwasser-Staffel um Florian Wellbrock gewinnt das Sechs-Kilometer-Rennen im Lupa-See - auch dank eines schnellen Schlussspurts des 24-jährigen Magdeburgers in einem teils verwirrenden Wettbewerb.
Wie zwei Rivalen Freunde wurden, weil sie wegen eines Krieges jeden Tag miteinander trainieren, ist eine der großen Geschichten dieser Weltmeisterschaften. Romantschuks Familie war am Montag auch am Lupasee, die Schwester, die Mutter, die Schwiegermutter, Freunde der Familie. Und Wellbrock sagte nach der Ehrung den schönen Satz: "Ich habe die drei Leute auf dem Podium, die ich mir dort gewünscht habe."
Das größte Thema nun ist natürlich Wellbrock. Er war die fünf Kilometer zuvor erst einmal bei Weltmeisterschaften geschwommen, bei seinem Debüt 2015 in Kasan. Fünfter wurde er damals, als 17-Jähriger. Nun ist er der erste deutsche Weltmeister über diese Distanz seit 2011, als Thomas Lurz in Schanghai gewann. Sollte Wellbrock am Mittwoch im Zehn-Kilometer-Wettbewerb das Podium erreichen, hätte er als zweiter deutscher Schwimmer fünf Medaillen bei ein- und derselben Weltmeisterschaft gewonnen. Er hätte in dieser Statistik dann mit Michael Groß gleichgezogen, dem Albatros.
Ende April konnte Wellbrock noch nicht wirklich damit rechnen, dass es so gut laufen würde für ihn in Budapest. Er hatte sich die Weisheitszähne entfernen lassen müssen, wie er am Montag berichtete, "sieben bis fast zehn Tage kein Sport, dann moderater Einstieg, das pocht ja, ist eine offene Wunde". Im Höhentrainingslager verschwanden die Beschwerden langsam, Wellbrock kam gerade rechtzeitig in Form. Nach dem Fünf-Kilometer-Rennen sagte er stolz: "So eine erfolgreiche WM hatte Deutschland lange nicht mehr." (Die Würzburgerin Leonie Antonia Beck verpasste bei den Frauen über fünf Kilometer nur knapp den Bronze-Rang.)
Die Konkurrenz fragt sich da schon, wie sie Wellbrock am Mittwoch im Zehn-Kilometer-Rennen schlagen soll. "Er ist im Moment aus meiner Sicht schwer zu stoppen", glaubt auch Berkhahn. Und nun wird es immer heißer in Budapest, an die 40 Grad in den nächsten Tagen, damit steigt auch die Wassertemperatur. "Wir erreichen langsam die Zustände von Tokio", sagte Trainer Berkhahn. Damals pflügte Wellbrock im 29,2 Grad warmen Wasser zum Olympiasieg.