Wayne Odesnik bei den US-Open:Einer gegen alle

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Wird von Kollegen gemieden: Wayne Odesnik. (Foto: imago sportfotodienst)

Der US-Tennisspieler Wayne Odesnik wurde mit dem Wachstumshormon HGH erwischt, dann kollaborierte er mit dem Tennisverband und lieferte pikante Informationen über Kollegen. Bei den US Open erhält er nun eine Wildcard. Die Gegner sind erbost und hoffen, dass Odesnik rasch wieder verschwindet.

Von Jürgen Schmieder, New York

Niemand spricht gerne über diese Sache. Kaum jemand freut sich, dass es sie gibt. Doch ist auch keiner in der Lage, etwas dagegen zu unternehmen, es ist unvermeidlich, wie die Bierpreise auf dem Oktoberfest oder wie Sepp Blatter bei einer Fußball-WM.

Bei den US Open in New York nun ist es diese Wild Card, die der amerikanischen Tennisverband USTA an Wayne Odesnik vergeben hat. Oder besser: vergeben musste. Doch Odesnik hat im Sommer die meisten Punkte bei Turnieren der Pro-Circuit-Serie gesammelt und sich diesen Platz im Hauptfeld der US Open rechtmäßig erspielt.

Der 28 Jahre alte Amerikaner gilt als der unbeliebteste Spieler im Tenniszirkus, in New York übernimmt er die Rolle des ungebetenen Gastes, den alle anderen möglichst schnell wieder loswerden wollen - nur darüber reden will niemand. Die USTA veröffentlichte eine Meldung über die Vergabe der Wild Card. Ansonsten: kein Kommentar. Von den anderen Spielern in New York: kein Kommentar, außer vielleicht mal ein süffisanter Hinweis, auf einen Sieg des Gegners zu hoffen. Odesnik selbst verweist seit Jahren bei kritischen Fragen an seinen Anwalt Christophe Lyons, doch von dem hört man nur in Floskeln verpackt: kein Kommentar.

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Dabei gibt es so viel zu sagen. Im Januar 2010 hatten australische Zöllner in Odesniks Gepäck acht Fläschchen mit dem Wachstumshormon HGH gefunden. Es folgten Ausreden und Entschuldigungen, der internationale Tennisverband (ITF) sperrte ihn für zwei Jahre. Er war die klassische Dopinggeschichte eines jungen Spielers, der mehr sein wollte als nur die Nummer 77 der Welt. Odesnik jedoch erklärte nie, ob er das Hormon tatsächlich genommen hat. Positiv getestet wurde er nie.

Nun wird die Geschichte interessant: Zunächst einmal gelang es Odesnik, seine Sperre zu halbieren, indem er eng mit der ITF zusammenarbeitete. Genau das sorgte für Furor bei den Kollegen, weil Odesnik nicht nur Informationen zu möglichen Dopingfällen geliefert haben soll, sondern auch zu Match-Absprachen zugunsten jener Menschen, die Ergebnisse von Sport-Ereignissen gerne vorher kennen und dann viel Geld darauf wetten.

Odesnik selbst war im Jahr 2009 auffällig geworden, als auf seine deutliche Erstrunden-Niederlage in Wimbledon insgesamt mehr als 1,3 Millionen Euro gesetzt worden waren. Odesnik wurde deshalb nie gesperrt, der Österreicher Daniel Köllerer jedoch wenig später wegen illegaler Absprachen lebenslang. Odesnik soll einer der fünf Zeugen gewesen sein.

Odesnik hat nicht den besten Ruf unter Tennis-Kollegen. Während einer Partie blaffte ihn Ryan Harrison bei einem strittigen Ball an: "Dir vertraut doch sowieso niemand." James Blake sagte, dass in der Umkleidekabine niemand mit Odesnik reden würde. Andy Murray nannte ihn "eine Petze".

Es blieb die Frage: Wenn dieser Sport tatsächlich so weiß ist wie die in Wimbledon geforderte Tenniskleidung - also rein und frei von Doping und anderen Manipulationen -, warum regen sich dann alle derart über Odesniks Kooperation auf? Und was könnte Odesnik erzählt haben, das eine Halbierung der Sperre rechtfertigt? Offiziell heißt es nur, er habe "entscheidende Unterstützung geleistet in Bezug auf das Durchsetzen der Berufsregeln".

Solche Fragen sind unangenehm, sie werden noch unangenehmer. Beim Skandal um die Dopingklinik Biogenesis in Florida, der zur Sperre zahlreicher prominenter Baseballspieler wie etwa Alex Rodriguez, Ryan Braun und Nelson Cruz führte, tauchte im vergangenen Jahr plötzlich auch der Name Wayne Odesnik auf. 24 Mal wurde er auf handschriftlichen Notizen erwähnt, er soll 500 Dollar pro Monat für HGH bezahlt haben - und zwar nicht nur vor seiner Sperre, sondern bis ins Jahr 2011 hinein.

Odesnik beteuerte, keinen Kontakt zur Klinik gehabt zu haben. Warum aber gibt es dann diese Zettel? Hat er weiter gedopt? Oder hat er als Spitzel der ITF dopingwillige Akteure angeworben, damit die später überführt werden können? Damit hätte er vielleicht tatsächlich geleistet, was eine derart drastische Reduzierung seiner Sperre rechtfertigen würde.

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Vor drei Wochen wurden der ehemalige Klinikchef Tony Bosch und zehn weitere in den Skandal verwickelte Personen verhaftet. Es heißt, dass Bosch gerade mit den Behörden über einen Deal verhandelt, bei dem er sich schuldig bekennt, Athleten mit Wachstumshormon versorgt zu haben. Die Ermittlungen konzentrieren sich zwar mehr auf die Klinik-Mitarbeiter als auf Sportler, doch könnte dabei auch herauskommen, welche Rolle Odesnik in dieser Scharade gespielt hat.

Der versucht gerade, wenig aufzufallen. Er trainiert in Florida und spielt vor allem in Südamerika, in diesem Jahr etwa in Chitré (Panama), Santos (Brasilien), Cali (Kolumbien). Hin und wieder qualifiziert er sich für ein bedeutendes Turnier. In New York wurde er erst einmal auf der Anlage gesichtet, am Sonntag auf einem Nebenplatz. Er nimmt zum ersten Mal seit 2009 an den US Open teil und soll am Dienstag gegen den Japaner Kei Nishikori antreten. Es dürfte nicht wenige Spieler geben, die zu Nishikori halten. Sie wollen, dass Odesnik, der ungebetene Gast, rasch verschwindet. Und dass danach möglichst niemand über ihn redet.

© SZ vom 25.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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