Volleyball:Aufsteigen, bitte!

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Winterresidenz: Inzwischen grüßt der König vom Ammersee sein Volk - sofern es diesen Schritt mitging - im Münchner Audi Dome. (Foto: Oryk Haist/Imago)

Die Volleyball-Bundesliga versucht händeringend, mehr Mannschaften im Oberhaus anzusiedeln. Nun plant sie eine Rettungsmission bei den Männern und eine umfassende Strukturreform bei den Frauen. Denn bei den Frauen sieht die Liga mehr Potenzial.

Von Sebastian Winter

Giesen und Unterhaching: Das sind die einzigen Volleyballklubs, die seit 2015 in die erste Männer-Bundesliga aufgestiegen sind. Die anderen Vereine, auch die Zweitligameister, haben stets dankend abgelehnt - die finanzielle und strukturelle Schere war ihnen viel zu groß. Zugleich haben sich bei den Männern seit 2019 gleich fünf Mannschaften aus dem Oberhaus verabschiedet. Die Volleys Eltmann beantragten Ende Dezember 2019 Insolvenz, das bayerisch-österreichische Co-Projekt Alpenvolleys Haching wurde nach dem Ende der pandemiebedingt vorzeitig abgebrochenen Saison 2019/20 aus wirtschaftlichen Gründen aufgelöst, Rottenburg schloss zur selben Zeit nach fast 20 Jahren in der ersten Liga seine Pforten. Die Bisons Bühl, Pokalfinalist von 2016 und 2018, zogen sich im Frühjahr 2021 Corona-geplagt wegen des zu geringen Etats aus der Profiliga zurück. Und im vergangenen Sommer bekamen die United Volleys Frankfurt, Pokalsieger von 2021, keine Lizenz mehr.

Die Männerliga kümmert seit Jahren dahin. In der gerade begonnenen Saison spielt ein Neunerfeld, das auch die kaum konkurrenzfähigen Talente des VC Olympia Berlin, die mit einem Sonderspielrecht antreten, und die des TSV Haching München einschließt. Die Teilnehmer des Playoff-Viertelfinals stehen - da die jungen Berliner vorher regelkonform ausscheiden - schon vorher fest. Und Meister werden, wie neunmal in den vergangenen zehn Jahren, bestimmt wieder die Berlin Volleys. Zumal auch der frühere Volleyballgigant Friedrichshafen, der an diesem Sonntag zum großen Duell in Berlin antritt, strukturell zu kämpfen hat: In seine neue Halle, einen umgebauten Flugzeughangar, darf der VfB nun kurzfristig erst im nächsten Kalenderjahr hinein.

Dieses traurige Bild will die Volleyball-Bundesliga (VBL) zur Saison 2023/24 ändern. Der Aufstieg soll für die Zweitligisten wesentlich erleichtert werden. Konkret heißt das, dass sie den bisherigen Mindestetat von 200 000 Euro nicht mehr aufbringen müssen, auch die erstligataugliche Halle, die viele Zweitligisten nicht haben, müssen sie nicht gleich planen. Wichtig sind der VBL zunächst mal ein "qualitativ hochwertiges Streaming-Angebot, ein fremdlinienfreier Boden und dass auch Spiele unter der Woche möglich sind", wie Geschäftsführerin Julia Retzlaff sagt.

Die Frauen-Bundesliga ist wesentlich attraktiver als ihr Männer-Pendant

Die Baden Volleys aus Karlsruhe, die mit vier Siegen aus vier Spielen die zweite Liga Süd anführen, haben bereits ihr Aufstiegsinteresse signalisiert, im Münchner Umland plant der Neu-Zweitligist ASV Dachau, mittelfristig gar wieder in den Profivolleyball zurückzukehren. Die VBL teilte am Donnerstag mit, sie befinde sich "in intensiven Gesprächen mit sechs Zweitligisten, die in den kommenden ein bis zwei Jahren aufsteigen wollen". Ihr Schritt hin zum vereinfachten Aufstieg zeigt zugleich, dass der ehrgeizige Masterplan, der große Arenen oder höhere Etat- und Zuschauerzahlen beinhaltete, in seiner bisherigen Form gescheitert ist. Was die TV-Vermarktung angeht, ist die Männer-Bundesliga ohnehin in der Streaming-Nische verschwunden.

Während die Männer längst zum Sorgenkind geworden sind, sieht es bei den Volleyballerinnen ein bisschen anders aus. Auch deren Profiliga hat das Problem, dass seit 2016 in Erfurt, Straubing und Neuwied nur drei Mannschaften aufsteigen wollten. Zugleich spielen dort zwölf Teams, die nicht nur im Schnitt mehr Zuschauer haben als die Männer, sondern auch wirtschaftlich solider dastehen. Die Volleyballerinnen stellten bis zuletzt stets die zuschauerträchtigste Frauenliga im deutschen Mannschaftssport, sie ist weitaus präsenter im Sportfernsehen als ihr männliches Pendant - und durch den Konkurrenzkampf der großen Vier, Stuttgart, Schwerin, Dresden und Potsdam, sportlich attraktiver. Ihr Ziel: bald zu den Top-drei-Ligen Europas zu gehören.

Wenige Tage bevor die VBL am Donnerstag den Rettungsanker für die Männer beschloss, hat sie eine Strukturreform bei den Frauen vorgestellt. Von der Saison 2023/24 an soll es zwischen erster und zweiter Bundesliga eine eingleisige zweite Bundesliga Pro geben, um die Schere zu schließen - und wieder Auf- und Absteiger zu haben. Die Gremien müssen der Reform im November noch zustimmen. Sollte das passieren, könnten in der neuen Liga in einem Jahr bis zu zwölf reguläre Mannschaften und zwei Klubs mit Sonderspielrecht (zum Beispiel Kaderschmieden) antreten. Der Meister steigt in die erste Liga auf, die beiden Letzten in die zweite Liga ab. Nach eigenen Angaben befindet sich die VBL derzeit mit 14 Klubs in Gesprächen. Auch bei den Männern wurde dieses Szenario diskutiert, es gab aber schlicht zu wenige Interessenten. Nicht nur in der Spitze fehlt die Breite: Laut VBL spielen 1900 Männerteams im organisierten Volleyballsport, bei den Frauen 3400.

Die zweite Bundesliga Pro ist dort nun als zukunftsträchtiges Scharnier zwischen ambitioniertem Amateur- und Profisport gedacht, denn auch die Frauen sehen am Beispiel des jüngsten Aufsteigers Neuwied, dass der Sprung ins Oberhaus riesig ist. Neuwied schloss die vergangene Saison als siegloser Tabellenletzter ab. Christian Beutler, Teammanager der am neuen Format interessierten Grimma Volleys, lässt sich davon nicht beirren: "Wir sehen das als alternativlos an, um den Lückenschluss hinzubekommen", sagt er. "Unser Verein spielt jetzt im 16. Jahr in der zweiten Liga. Und irgendwann gehen einem die Geschichten aus, die man den Zuschauern und Sponsoren erzählen kann."

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