Abseits und Videobeweis:Es kann wirklich nur besser werden

Premier League - Burnley v Aston Villa

In der Premier League gab es Proteste gegen die Entscheidungen der Videoschiedsrichter, hier bei der Partie Burnley gegen Aston Villa.

(Foto: Action Images via Reuters)

Das International Football Association Board kündigt für Februar eine massive Änderung der Video-Schiedsrichterei an - dafür brauchte es einen Aufstand in der Premier League.

Kommentar von Thomas Kistner

Alles wird besser im neuen Jahr, man weiß es ja, aber dass die altehrwürdige Neujahrs-Phrasierung jetzt auch auf die Video-Schiedsrichterei im Fußball bezogen wird, hat Charme über das Lippenbekenntnis hinaus: Hier kann es ja wirklich nur besser werden.

Und das soll es nun also, sogar in unerhörtem Tempo, heißt es bei dem für das Regelwerk zuständigen International Football Association Board. Lukas Brud, der IFAB-Generalsekretär (richtig, auch so was gibt's im schillernden Kicker-Kosmos), kündigt schon für Februar eine massive Änderung an, wenn das Gremium die nächste Sitzung absolviert: Dann soll der Spielraum des Videoschiedsrichters beschnitten werden, wenn es um die Abseitsfrage geht. Künftig dürfe die Technik nur noch in Fällen "klarer und offensichtlicher Fehler" eine Entscheidung des Feldschiedsrichters kippen.

Dafür brauchte es offenbar erst einen Aufstand in der Premier League, der teuersten Liga der Welt, wo am Wochenende gleich fünf Klubs Torerfolge nach Millimeter-Entscheidungen aberkannt wurden, getroffen im Zuge minutenlanger Vermessungsarbeiten aus 15 verschiedenen Kamerawinkeln. Jedenfalls ist so eine Änderung sicher nicht falsch, zumindest bezogen auf die Abseitsfrage. Denn gerade hier kann das Interpretations-Gewerbe Fußball technische Präzision nur vorgaukeln. Tatsächlich gibt es diese nicht; anders als etwa in der Frage, ob der Ball eine Hand berührt oder wann er vollumfänglich die Torlinie überschritten hat. Bei Letzterem hat sich die Goalline-Technologie bewährt, und die Handspiel-Problematik ist in erster Linie durch die Regelkundler zu lösen: Die Videotechnik kann nur den Beweis beisteuern, ob es so eine Berührung gab - aber nur selten, wie beabsichtigt oder vermeidbar sie war.

Mit kleinen Fehlern konnte das Spiel schon immer leben

Beim Abseits ist die Sache technisch komplizierter. Es ist nicht nur zu entscheiden, welche Fuß- oder Haarspitze eines Spielers sich im Moment der Ballabgabe vor der des anderen befindet; es braucht, wenn schon so beckmesserisch geurteilt wird, auch den exakten Zeitpunkt der Ballabgabe. Die wiederum zerfällt in weitere Einzelteile: Welcher Moment zählt - wenn der Fuß des Flankengebers den Ball berührt oder wenn der Ball den Fuß verlässt? Wenn die letzten Fragen der Menschheit zur Debatte stehen, bleibt halt eine Schwankungsbreite der Daten.

Bauen wir künftig also Computertomografen um die Stadien - oder wie sonst lässt sich eine Grenze ziehen?

Weil es beim Abseits keine eindeutige Antwort gibt, hat der IFAB-Vorstoß einiges für sich. Wo klare Linien fehlen, wie kalibriert auch immer, helfen Richtwerte weiter. Der dramatische Sehfehler wäre so ein Richtwert. Wenn der Referee die Zentimeter, die eine Fuß- oder Ellbogenspitze sich vor der gegnerischen befindet, nicht erkennen kann? Geschenkt, damit konnte das Spiel schon immer leben.

Inakzeptabel ist aber die krasse Fehlentscheidung; wenn sich ein Körper zum Beispiel ganz mühelos erkennbar vor dem anderen befindet. Dann muss das Videoauge korrigieren, weil solche Fehler unerträglich sind - und weil unerträgliche Fehler, wenn sie ungeahndet bleiben, den ganzen technischen Apparat ad absurdum führen. Ein Bonuspunkt steckt im Nebeneffekt: So ließe sich die stete, langwierige technische Fehleranalyse im Verbandskeller reduzieren, die den Spielfluss ja sowieso oft genug unterbricht.

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