VfL Wolfsburg:Mehr als Weghorst

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Satter Linksschuss: Wolfsburgs Maximilian Arnold (re.) trifft zum 3:0. (Foto: Ulrich Hufnagel/Imago)

Der VfL Wolfsburg ist nach dem 3:0-Sieg in Bielefeld seit 666 Minuten ohne Gegentor. Und nun entdeckt der Tabellendritte auch noch seine Flexibilität beim Toreschießen.

Von Thomas Hürner, Bielefeld/Hamburg

Die Konkurrenz dürfte mit Staunen beobachtet haben, wie das Abwehrbollwerk des VfL Wolfsburg allmählich zu bröckeln begann. Dem Mittelfeldspieler Maximilian Arnold war es am Freitagabend noch vortrefflich gelungen, die Fragen des Reporters nach einer möglichen Qualifikation für die Champions League zu parieren. Arnold drehte den Kopf zur Seite, ehe er laut loslachte: Haha, nein, nein, in diese Falle werde er jetzt gewiss nicht tappen! Wenig später stand jedoch sein Teamkollege Renato Steffen vor der Kamera des Bezahlsenders Dazn und meinte, dass der VfL durchaus ein Kandidat für die Königsklasse sei. Voraussetzung: "Wenn wir weiterhin konzentriert bleiben, wenn wir nicht denken, es läuft von alleine."

Wenn man bei diesem 3:0-Sieg bei Arminia Bielefeld nach zwei Hauptprotagonisten in dieser mal wieder beängstigend homogenen Mannschaft suchen wollte, dann waren das Arnold und Steffen. Der eine, Steffen, erzielte die ersten beiden Treffer für den VfL, indem er sich mittels kluger Laufwege jeweils von seiner Position auf dem linken Flügel ins Strafraumzentrum begab und dort frei zum Abschluss kam. Der andere, Arnold, erzielte das dritte Wolfsburger Tor mit einem satten Linksschuss in den Winkel, nachdem er den Ball von Stürmer Wout Weghorst per millimetergenauen Abpraller serviert bekommen hatte.

Was diese Szenen vor allem illustrierten: Das Team ist entgegen anders lautender Behauptungen nicht komplett abhängig von den Treffern des 14-Tore-Manns Weghorst - und das wäre ja eine durchaus neue Komponente in der Saison des VfL.

Wer oder was soll den Tabellendritten jetzt eigentlich noch aufhalten auf dem Weg in die Champions League, wenn nun auch noch Flexibilität beim Toreschießen hinzukommt? Die Bielefelder, die fünf Tage zuvor beim 3:3 gegen den FC Bayern noch drauf und dran waren, ein Weltpokalsiegerbesieger zu werden, waren über die gesamte Spieldauer hinweg jedenfalls keine ernsthafte Bedrohung für die Gästeelf. Auch Arminia-Trainer Uwe Neuhaus räumte unumwunden ein, dass es sich beim VfL um die "reifere, bessere Mannschaft" gehandelt habe. Und dann hätten die Wolfsburger, fügte Neuhaus hinzu, ja auch noch "zwei Klötze hinten drin, die alles wegräumen".

Was diese Mannschaft auszeichnet, ist die Arbeit im Kollektiv

Gemeint waren der wuchtige John Anthony Brooks sowie der etwas dynamischere Maxime Lacroix, die in der Innenverteidigung bereits seit Monaten zu den besten Duos der Liga zählen. Es wäre jedoch zu einfach, die Wolfsburger Defensivstärke auf die Leistungen von Brooks und Lacroix zu reduzieren. Was diese Mannschaft auszeichnet, ist die penibel genaue Arbeit im Kollektiv. Seit mittlerweile sieben Partien und umgerechnet 666 Minuten sind die Wolfsburger jetzt ohne Gegentor, im Spiel gegen die Arminia wurde die vereinsinterne Bestmarke weiter ausgebaut.

Ein imposanter Wert, der am ehesten durch eine weitere Statistik erklärt werden kann: In keinem Bundesliga-Team sprinten die Fußballer häufiger als beim VfL. Eine lästige Pflicht ist in der Autostadt längst zum sinnstiftenden Merkmal geworden. Nach Ballverlusten begeben sich stets grün gekleidete Scharen auf die Jagd, mit vollem Tempo werden Überzahlsituationen geschaffen, am liebsten auf den Flügeln. Als die Metronome in dieser geölten Rückeroberungsmaschinerie fungieren vornehmlich Arnold und Xaver Schlager, die sich auch bei Ballbesitz im zentralen Mittelfeld hervorragend ergänzen; Arnold kann mit seinem linken Fuß das Spiel zentimetergenau verlagern, Schlager streift durch die Räume mit der Kraft eines rollenden Mähdreschers.

Für Arnold, der sich nach dem Spiel in Bielefeld ja betont zurückhaltend präsentierte, hat sein Trainer Oliver Glasner neulich eine besondere Zielsetzung formuliert: Die Nationalmannschaft müsse über kurz oder lang anvisiert werden, meinte der Wolfsburger Coach. Arnold hat vergangene Woche seinen Vertrag beim VfL bis 2026 verlängert - genug Zeit also, um sich möglicherweise in der Champions League fürs DFB-Team zu empfehlen.

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