VfL Wolfsburg:"Es gab genug Opfer jetzt"

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Wolfsburger Stürmer Mario Gomez. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Nach der Entlassung von Geschäftsführer Allofs beim VfL Wolfsburg kommt sogar VW-Vorstand Sanz in die Kabine, um den Profis ins Gewissen zu reden.

Von Javier Cáceres, Wolfsburg

Am Tag danach wich der Arbeitsweg des Francisco Javier García Sanz ein wenig vom Alltag ab. Der Vorstand des Volkswagen-Konzerns begab sich nicht etwa ohne Umschweife ins Werk, er machte einen Umweg über die Arena, in dem die VW-Tochter "VfL Wolfsburg GmbH" beheimatet ist. "Doktor García" entstieg seiner Limousine und schlug, wie VfL-Trainer Valérien Ismaël und Kapitän und Torwart Diego Benaglio berichten sollten, die Tür der Kabine der Fußball-Profis auf, um diesen ins Gewissen zu reden.

Den Wortlaut der Konzernspitzen-Suada behielten Ismaël und Benaglio für sich, "das bleibt intern". An Deutlichkeit aber habe es dem Aufsichtsratsvorsitzenden des VfL Wolfsburg nicht gemangelt, sein Vortrag sei "sehr treffend" und "unmissverständlich" gewesen, erklärte der französische Coach. Weshalb zu vermuten steht, dass García Sanz von den VfL-Profis das verlangte, was in seiner spanischen Heimat unter einem Begriff subsumiert wird, der gern in Hollywood-Filmen verwendet wird: Cojones! Mehr Cojones, por favor.

Der Tag danach, das meinte in diesem Fall: der Tag nach der Entlassung von Manager Klaus Allofs, 60. Am Montag war der frühere Fußballnationalspieler nach vierjähriger Amtszeit vom Hof gejagt worden, zwei Monate zuvor hatte er noch den Abschied von Trainer Dieter Hecking und den daraus folgenden Wechsel zu Valérien Ismaël beaufsichtigt. Solche Abschiede seien immer bittere Moment und "immer unschön", in diesem Fall noch mehr, weil er "eine enge Beziehung zu Klaus" gehabt habe, sagte Ismaël.

Der Trainer soll "definitiv" bis Weihnachten im Amt bleiben

Allofs holte Ismaël erst als Abwehrspieler zu Werder Bremen, später vertraute er ihm in Wolfsburg auch als Coach. Nun ist nur Ismaël noch da, als "Last Standing Man", sozusagen. Zumindest klang er so, als er am Dienstagmittag im Presseraum der VfL-Geschäftsstelle saß und so wirkte, als sei ihm jetzt danach, eine Moritat anzustimmen: "Es gab genug Opfer jetzt."

Das Publikum seiner Schauerballade aber waren in diesem Fall nicht die zehn Journalisten, die ihm gegenübersaßen, sondern die VfL-Profis: "Es gibt keine Ausreden mehr", sagte er. "Blockaden" und "tiefgründige Probleme" hatte Ismaël schon früher mal ausgemacht, ohne sie näher zu benennen, nun weiß man aus erster Hand, dass eines dieser Probleme das Verhältnis der Spieler zu Allofs war. In den Medien war darüber immer wieder spekuliert worden; am Dienstag bestätigte dies in Kapitän Benaglio erstmals ein Profi öffentlich. Die Beziehung zum Manager sei "zuletzt ein wenig angespannt" gewesen. Wobei zuletzt alle angespannt gewesen seien.

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Zwei Monate nach Trainer Dieter Hecking feuert der abstiegsbedrohte VfL Wolfsburg auch den Sport-Geschäftsführer. Eine wesentliche Rolle spielt dabei die Personalie Julian Draxler.

Von Javier Cáceres

Daran dürfte sich in den kommenden Wochen nur wenig ändern, Wolfsburg ist Fünfzehnter, steht am Rande der Abstiegszone. Für weitere Unruhe ist gesorgt. Weniger, weil sich der VfL bei der Wahl eines Allofs-Nachfolgers wohl etwas mehr Zeit lassen will als vermutet worden war. Vorerst soll Allofs' bisheriger Assistent Olaf Rebbe den Job übernehmen - wobei er schon länger einen Großteil der Arbeit von Allofs übernommen haben soll, wie es nun etwas maliziös und hinter vorgehaltener Hand in Wolfsburg heißt. Eine gute Figur habe Rebbe, 38, bisher gemacht, nun soll er einen Übergang moderieren, der es in sich hat. Denn auch die Trainerfrage bleibt virulent.

Bis Weihnachten werde Ismaël "definitiv" Trainer bleiben, bestätigte Club-Chef Wolfgang Hotze der Nachrichtenagentur dpa. Doch Ismaëls Curriculum weist nur vier Punkte aus sieben Bundesligaspielen auf; insgesamt hat der VfL nur zehn Punkte auf dem Konto. Vor Weihnachten spielt der VfL nun noch daheim gegen die Emporkömmlinge von Eintracht Frankfurt sowie in Mönchengladbach. Weil man sich nicht vorwerfen lassen möchte, etwas unversucht gelassen zu haben, entschloss sich der Coach noch in dieser Woche zu einem Kurztrainingslager. "Aber nicht auf Mallorca", witzelte Ismaël mit Blick auf die Idee, die Jürgen Kramny im Frühjahr beim VfB Stuttgart umsetzte. Ohne Erfolg.

Andererseits: Womöglich würde man im Fall der VfL-Profis mit einem Balearen-Trip die richtigen Reize setzen, das Fernweh vieler Profis gilt ja als verbürgt. Allen voran der ehemalige Schalker Julian Draxler, der schon im Sommer öffentlich seinen Wechsel betrieb, dürfte kaum über den Winter hinaus zu halten sein, auch Luiz Gustavo steht vor dem Absprung. Wie sehr das auf der Mannschaft lastet, war am Wochenende zu begutachten. Luiz Gustavo saß bei der VfL-Visite beim FC Bayern nur auf der Bank, Draxler war nicht mal im Kader. Ein irreversibles Urteil sei das nicht, sagte Ismaël, er hoffe, dass die Spieler nach den Gewittern der vergangenen Tage "wachgeküsst" seien. "Jeder Spieler der will, hat Chancen", sagte der Coach.

Allerdings: Luiz Gustavo und Draxler sind derzeit beim Publikum unten durch. Sorgen bereite ihm das nicht, sagte Ismaël, das Schöne am Fußball sei, dass man "über 90 Minuten viel Freude bereiten kann". Doch in Wolfsburg stimmt das seit einiger Zeit nur noch in der Theorie, und nicht mehr in der Praxis.

© SZ vom 14.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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