Stuttgart gewinnt gegen BVB:Guirassy trifft, Füllkrug spricht

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Kaum steht er wieder auf dem Platz, erzielt er das Siegtor: Serhou Guirassy. (Foto: Wolfgang Frank/Eibner/Imago)

Das 2:1 des VfB Stuttgart gegen Dortmund fällt viel knapper aus, als es der Spielverlauf vermuten lässt. Während Serhou Guirassys Tor bei seiner Rückkehr den VfB belohnt, findet Niclas Füllkrug deutliche Worte.

Von Felix Haselsteiner

Mit einer geradezu absurden Zahl an Metriken wird ein Fußballspiel inzwischen gemessen und zumindest in Teilen entschlüsselt, und überraschenderweise funktioniert das manchmal absolut fantastisch. Hätte man etwa am Samstagnachmittag in Stuttgart das Experiment gewagt, die Geschehnisse unten am Rasen zu ignorieren und nur auf die mitlaufenden sogenannten Live-Stats zu blicken, man hätte die Eindeutigkeit dieses Fußballspiels vollumfänglich begriffen, ohne auch nur eine Aktion zu sehen.

In wirklich allen relevanten, messbaren Bereichen setzte sich dieser energische, unnachgiebige, spielfreudige VfB Stuttgart unter der Regie von Trainer Sebastian Hoeneß gegen Borussia Dortmund durch. Sie hatten knapp 60 Prozent Ballbesitz, gaben 22 Schüsse ab, spielten mehr Pässe, gewannen mehr Dribblings und hätten laut den Statistikern, die sich um die Berechnung des vielzitierten Wert der expected goals bemühen, eigentlich 3,97 Tore erzielen sollten. Der BVB führte dagegen allein in der Bilanz der Paraden, dank des Torwarts Gregor Kobel, aber auch dank der zehn Spieler vor ihm, die allesamt dazu beitrugen, dass Kobel immer wieder durch sein Tor fliegen durfte.

Den Stuttgartern fehlte zunächst gar nichts - außer ein echter Torjäger

Man muss sich den Statistik-Fan daher als glücklichen Menschen vorstellen, wenn so ein Spiel am Ende mit 2:1 ausgeht und auch die relevanteste aller Statistiken - die Zahl der Tore, die auf der Anzeigetafel eingeblendet wird - für den verdienten Sieger spricht, wenn auch mit weniger goals als expected. Nur, umfänglich zufrieden kann dieser Mensch eben nicht sein, denn: Diesen Stuttgarter Heimsieg gegen Dortmund mit den genannten, dominanten Zahlen zu erklären, wäre ein fataler Trugschluss.

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Um dieses 2:1 und seine Entstehung besser zu verstehen, braucht es etwa den Blick für einen Laufweg in der 66. Spielminute, der dem VfB-Angreifer Chris Führich gleich ins Auge fiel. "Man hat schon gemerkt, was hier im Stadion los ist, wenn Serhou nur zur Bank läuft", sagte Führich, der kurioserweise gar nicht so unglücklich darüber schien, dass er in der 67. Minute ausgewechselt wurde. Das hatte in erster Linie nichts mit ihm zu tun, aber genauso wie das schwäbische Publikum war auch ihm nicht entgangen, dass dem VfB über zwei Drittel kein einziger statistischer Parameter gefehlt hatte, dafür aber ein Stürmer vom Schlage von Serhou Guirassy.

Bis auf eine Ausnahme nämlich hatten die Stuttgarter all ihre schön herausgespielten Chancen mehr oder weniger kläglich vergeben. Führich - als gebürtiger Westfale über den Karnevalsauftakt in der Heimat im Bilde - verfehlte am 11.11. in der elften Minute gleich einmal aus elf Metern beim Elfmeter. Auch Jamie Lewelings Abschlüsse verkamen eher zu Rückpässen, weshalb Mitte der ersten Halbzeit kurz über den Köpfen der Statistiker und der Zuschauer vor Ort ein großes Fragezeichen erschien, als die Dortmunder aus dem Nichts in Führung gingen: Niclas Füllkrug nutzte aus, dass der Stuttgarter Innenverteidiger Dan-Axel Zagadou in der 36. Minute eine flache Hereingabe nicht klärte, sondern seine Schienbeine genau so weit öffnete, dass der Ball durchflutschen konnte.

Der vielleicht klassischste Stoßstürmer seiner Zeit also sollte die Abstinenz seines Stuttgarter Äquivalents vor Augen führen, eine Gemeinheit sondergleichen wäre das gewesen. Allerdings litt auch Füllkrug daran, dass beim BVB die Probleme bei den neun Spielern, die auf dem Feld zwischen Kobel und ihm standen, so beachtlich groß waren, dass der VfB einfach weitermachen konnte: Chance um Chance erspielten sie sich bis zur Halbzeit und dann traf doch noch einer. Deniz Undavs Ausgleich in der 42. Minute war das Resultat eines erneut brillanten Spielzugs.

In der 83. Minute trat wieder Guirassy an - und verwandelte sicher den Elfmeter

Dass am Ende dieser Kombinationen ab Mitte der zweiten Halbzeit nach wochenlanger Abstinenz wieder Guirassy stand, erwies sich allerdings minutenlang als überraschend irrelevant. Wirklich viel gelang ihm aus dem Spiel heraus nicht und doch lässt sich auf recht simple Weise feststellen, wie sehr der VfB ohne sich vom VfB mit seinem besten Stürmer unterscheidet: Drei verschiedene Schützen hatten (inklusive Führich) innerhalb von drei Partien Elfmeter verschossen, in der 83. Minute trat dann wieder Guirassy an - und verwandelte sicher, womit ihm die gelungene Schlusspointe eines hervorragenden Spiels seiner Mannschaft gelang.

Diese Bundesliga-Saison, sie hat sich scheinbar entschieden, nach einem Post-Lewandowski-Jahr mit bemerkenswert wenigen Stürmertoren den Fokus wieder auf die Charaktere an vorderster Position zu setzen. Harry Kane steht in München dafür, Serhou Guirassy in Stuttgart. Beide verbindet eine beachtliche Torquote - und dass sie innerhalb einer Woche die Bundesliga-Saison von Borussia Dortmund zerschossen haben.

Man könnte auch die Situation des BVB in der Bundesliga mit allerlei Statistiken herleiten, in Wahrheit verbarg sich hinter dem 1:2 nämlich der zweite desolate Auftritt in Folge - der wohl genauso deutlich ausgefallen wäre wie das 0:4 gegen den FC Bayern, hätte Guirassy wie Kane 90 Minuten Zeit (und etwas mehr Fitness) gehabt. So allerdings stehen die Dortmunder recht hilflos da - selbst mit dem amtierenden Torschützenkönig Füllkrug als Stürmer, dessen Worte am Ende deutlicher widerhallten als seine Tat beim 1:0.

"Man muss leider so ehrlich sein, dass wir gegen viele gute Mannschaften unsere Grenzen aufgezeigt bekommen", sagte Füllkrug bei Sky: "Wir haben verdient verloren, auf ganz vielen Ebenen heute." Die Worte saßen, die Nebenbemerkung, dass "der Ansatz" falsch gewesen sei, ließ sich gar als unterschwellige Kritik am Trainer festhalten. Nur: Edin Terzic wollte sie nicht wirklich hören: "Wir lassen die Chance liegen, die Dinge auf dem Platz zu regeln, anstatt danach am Mikrofon."

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