Vettels Sieg in Singapur:"Da ist ein Mann auf der Strecke"

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Schreckmoment überstanden: Sebastian Vettel. (Foto: dpa)
  • Sebastian Vettel gewinnt den Großen Preis von Singapur vor Daniel Ricciardo.
  • Lewis Hamilton scheidet mit einem technischen Defekt aus.
  • Ein unbekannter Flaneur auf der Strecke sorgt für einen Schreckmoment.

Von René Hofmann, Singapur/München

Der Große Preis von Singapur ist ein Nachtrennen. Es endet traditionell mit einem Feuerwerk. Am Sonntag durfte sich an diesem vor allem einer erfreuen: Sebastian Vettel, inzwischen 28, mit Red Bull schon viermal Weltmeister, seit Beginn dieser Saison nun im Dienste der Scuderia Ferrari. Vor zwei Jahren war Vettel nach seinem Triumph in Singapur ausgepfiffen worden. Dieses Mal wurde er gefeiert. So unterschiedlich kann die Wahrnehmung sein, ob einer als Außenseiter antritt oder als Dominator.

"Das war eines meiner besten Rennen und alles in allem ein perfektes Wochenende", gab Vettel auf dem Siegertreppchen an, das er sich mit seinem Teamkollegen Kimi Räikkönen (Dritter) und Red-Bull-Lenker Daniel Ricciardo (Zweiter) teilte. Wie vor einigen Wochen in Budapest verpassten beide Mercedes-Fahrer das Podium. Lewis Hamilton fiel mit einem technischen Defekt aus, Nico Rosberg wurde Vierter. Er ärgerte sich: "Da ging gar nichts. Das ist ein Rätsel." Für Vettel ist es der dritte Sieg mit Ferrari. Auf drei Siege war in seiner ersten Saison in Rot 1996 auch Michael Schumacher gekommen.

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Erster am Start, Erster im Ziel: Sebastian Vettel gewinnt das Nachtrennen in Singapur, WM-Spitzenreiter Lewis Hamilton scheidet aus. Für einen Schreckmoment sorgt ein Zuschauer auf der Strecke.

"Eine unglaubliche Leistung von Sebastian"

"Das war eine unglaubliche Leistung von Sebastian, atemraubend", erkannte selbst Niki Lauda an, der Aufsichtsratschef des Mercedes-Teams, das in der Mannschaftswertung mit 463 Punkte weit voraus ist (2. Ferrari/310) , in Singapur aber bereits in der Qualifikation Probleme hatte; Hamilton und Rosberg parkten vor der Startampel nebeneinander in der dritten Reihe. Nach 23 Rennen ging die Pole-Position erstmals wieder an einen Nicht-Mercedes-Mann: an Sebastian Vettel, dem eine Traumrunde glückte, nach der er ankündigte: "Der Speed ist da. Wir stehen nicht aus Zufall und Glück da vorne. Man kann schon vom Sieg sprechen." Am Tag darauf löste er dieses Versprechen auf eindrucksvolle Weise ein.

Schraube locker: Hamiltons Turbolader bekommt plötzlich nicht mehr genug Luft

Der Beginn des Rennens erinnerte an die Zeiten, in denen Vettel in einem überlegenen Red Bull von Sieg zu Sieg und von Titel zu Titel eilte. In der ersten Runde distanzierte er seinen schärfsten Verfolger, den aktuellen Red-Bull-Fahrer Daniel Ricciardo, um drei Sekunden. Nach dem zweiten Umlauf war Vettel bereits 4,3 Sekunden voraus. Wäre es in diesem Stil weitergegangen, hätten die ersten Überrundungen nicht lange auf sich warten lassen. Es ging aber nicht so weiter. Als er seinen Vorsprung im grünen Bereich wusste, ging er auf Nummer sicher und verwaltete seine Überlegenheit.

Nach gut zehn Runden aber war es damit abrupt vorbei. Felipe Massa (Williams) und Nico Hülkenberg (Force India) kamen sich ins Gehege. Hülkenbergs Wagen landete daraufhin in den Leitplanken. Die Streckenposten strömten aus, um mit Besen die Trümmer von der Strecke zu kehren. Um sie zu schützen, wurde das Safety Car losgeschickt, alle Rennteilnehmer mussten sich hinter ihm aufreihen. Vettels Vorsprung war damit dahin.

"Ich bin auf der Rennlinie und knapp vorne. Er trifft mich und mein Rennen ist zu Ende. Das ist sehr, sehr bitter und ärgerlich", grummelte Hülkenberg und gab Massa die Schuld an dem Crash. Die Rennkommissare sahen das anders. Noch während des Rennens sprachen sie Hülkenberg den Hauptanteil an dem Unfall zu. Beim nächsten Rennen, am kommenden Wochenende in Suzuka in Japan, wird er in der Startaufstellung um drei Positionen strafversetzt.

Sebastian Vettel traut seinen Augen kaum: Da spaziert tatsächlich ein Fan auf der Strecke

Als das Rennen wieder freigegeben wurde, setzte Vettel an der Spitze sein Spielchen fort: Erst gewährte er Ricciardo großzügig ein Weilchen einen guten Blick auf seinen Heckflügel. Kurz darauf zog er erneut unwiderstehlich davon. Fang mich doch - du kriegst mich nicht: Es wirkte wie ein Kinderjux, so spielerisch, wie in diesem Jahr sonst oft Hamilton das Feld dominiert hatte.

Hamilton kriecht nach dem Notruf 65 km/h langsamer

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Der Titelverteidiger erlebte bei dem Nachtrennen einen schwarzen Tag. Knapp die Hälfte der Distanz war absolviert, als er seinem Kommandostand meldete: "Leistungsverlust!" Nach dem Notruf kroch er 65 km/h langsamer als zuvor über die Start- und Zielgerade. Vom vierten Platz aus wurde Hamilton auf den 14. durchgereicht. Dort angekommen, gab er auf. Eine Schraube an der Luftzufuhr für den Turbolader war nicht festgezurrt gewesen. Zum ersten Mal in diesem Jahr blieb der 30 Jahre alte Engländer ohne Punkte. Der Vorsprung des Titelverteidigers beträgt in der WM-Wertung nach 13 von geplant 19 Rennen aber immer noch 41 Zähler. Zweiter der Gesamtwertung bleibt Rosberg, dem Vettel nun aber bis auf acht Punkte nahe gekommen ist.

Hamiltons Aus war nicht das einzige sehr ungewöhnliche Vorkommnis bei dem Grand Prix. 2000 war in Hockenheim ein frustrierter Mercedes-Angestellter auf die Rennstrecke gestürmt, 2003 war in Silverstone ein verwirrter Priester den Autos entgegengerannt. In Singapur wollte sich nun ein unbekannter Flaneur das Spektakel aus einer gefährlichen Nähe anschauen. "Da ist ein Mann auf der Strecke", funkte Vettel, als er den Mann entdeckte, der offenbar eine Lücke in den Sicherheits- zäunen gefunden hatte. Der Störer blieb nicht lange, aber das Safety Car kam erneut. Als es wieder von der Strecke bog, bot sich Vettel die Chance, sein Katz- und Maus-Spiel mit Ricciardo ein drittes Mal von vorne vorzuführen. Unbedrängt zog er auf und davon zum Sieg.

© SZ vom 21.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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